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Inflation in Deutschland: "Höhepunkt liegt hinter uns"


Deutschlands Wirtschaft
"Das kann uns Hoffnung machen"

  • Florian Schmidt
InterviewVon Florian Schmidt

Aktualisiert am 13.01.2023Lesedauer: 4 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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Eine Frau beim Einkauf im Discounter (Symbolbild): Die Verbraucherpreise sind vergangenes Jahr um 7,9 Prozent gestiegen. (Quelle: IMAGO/Martin Wagner)

Wie steht's um die deutsche Wirtschaft – und wie teuer wird das neue Jahr? Der Ifo-Ökonom Timo Wollmershäuser gibt einen Ausblick auf 2023.

Corona-Pandemie, Lieferkettenprobleme, Russlands Überfall auf die Ukraine: Die deutsche Wirtschaft kommt weiterhin nicht so recht in den Tritt. Zwar brachte das Jahr 2022 laut neuesten Zahlen ein ordentliches Wachstum (mehr dazu lesen Sie hier) – dennoch ist der Ausblick auf die nächsten drei Monate düster.

t-online hat darüber mit dem Konjunkturchef des Münchner Ifo-Instituts gesprochen. Timo Wollmershäuser zählt zu den führenden Wirtschaftsforschern des Landes. Im Interview erklärt er, wie stark die Preise dieses Jahr voraussichtlich weiter steigen werden und wann einzelne Produkte sogar billiger werden könnten.

t-online: Herr Wollmershäuser, die deutsche Wirtschaft ist 2022 deutlich gewachsen – trotz Krieg und Inflation. War’s das schon wieder mit der Krise?

Timo Wollmershäuser: Tatsächlich ist die deutsche Wirtschaft 2022 überdurchschnittlich gewachsen. Ein Plus von 1,9 Prozent ist im Vergleich zu den Wachstumsraten aus den vergangenen 20 Jahren sehr viel. Insofern könnte man schon meinen, dass die Krise gar nicht so heftig ausfällt.

Aber?

Wir müssen uns anschauen, woher wir kommen. Die Wachstumsraten beim Bruttoinlandsprodukt ergeben sich immer aus dem Vergleich zum Vorjahr. Und 2021 war die deutsche Wirtschaft wegen der Corona-Pandemie noch stark beeinträchtigt. Ein Stück spielt bei den Wachstumsraten also auch die Statistik eine Rolle.

Das heißt, in Wirklichkeit – ohne diesen Statistik-Effekt – sieht es doch nicht so gut aus?

Genau. Ursprünglich hatten wir bis kurz vor Ausbruch des Krieges in der Ukraine mit einem Konjunkturplus von knapp 4 Prozent gerechnet. Angesichts der nun erreichten 1,9 Prozent kann man also sagen: Die Folgen des Krieges haben das Wachstum der deutschen Wirtschaft halbiert.

Trotzdem lief es zuletzt besser als gedacht: In den Monaten Oktober, November und Dezember ist die Wirtschaft wider Erwarten nicht geschrumpft. Stattdessen gab es laut Statistikamt eine Stagnation.

Das hat auch mich überrascht. Der Konsum war in den letzten drei Monaten des Jahres unerwartet robust, das hat die Konjunktur gestützt. Das dürfte auch daran gelegen haben, dass viele Deutsche sich noch einmal ein neues Auto gekauft haben, ehe die eine oder andere staatliche Prämie wegfiel.

Und was bedeutet diese Entwicklung?

Damit ist die Winter-Rezession erst einmal vom Tisch. Zumindest technisch. Denn nach gängiger Definition müsste die Wirtschaft dafür zwei Quartale in Folge schrumpfen. Zwar ist es relativ wahrscheinlich, dass das Bruttoinlandsprodukt von jetzt bis März sinkt. Aber ab April rechnen wir damit, dass die Wirtschaft wieder leicht wachsen wird. Insgesamt gehen wir davon aus, dass das Wachstum 2023 bei plus minus null liegen wird.

Ein wichtiger Faktor bei alldem ist der Gaspreis, der in den vergangenen Wochen kräftig gesunken ist. Was hat ihn mehr gedrückt: die Einkaufspolitik der Ampelregierung – oder der milde Winter?

Das kann man kaum in Zahlen fassen. Als Ökonom kann ich nur sagen, dass dazu sowohl ein steigendes Gasangebot als auch eine sinkende Gasnachfrage beigetragen haben. Daran haben die warmen Wintertemperaturen ihren Anteil, die es für uns alle leichter machen, Gas zu sparen. Aber natürlich hilft es auch, dass Flüssiggas wie geplant in Deutschland ankommt.

Was erwarten Sie angesichts der niedrigeren Gaspreise für 2023?

Die niedrigeren Gaspreise werden sich ganz unterschiedlich auf die deutsche Wirtschaft durchschlagen. Es gibt Industriezweige, die profitieren davon unmittelbar, weil sie ihr Gas an den großen Gasbörsen einkaufen. Die Haushalte, Otto Normalverbraucher, spüren das allerdings erst später, wahrscheinlich frühestens 2024, weil die Energieversorger ihre Preise meist erst mit deutlicher Verzögerung anpassen.

Im vergangenen Jahr stiegen die Verbraucherpreise um durchschnittlich 7,9 Prozent, die Inflation ist das Thema, das die Deutschen am meisten beschäftigt. Worauf müssen wir uns dieses Jahr einstellen?

Die Inflation wird weiter hoch bleiben – auch wenn sie leicht zurückgehen wird. Aber der Höhepunkt der Inflation liegt hinter uns, zweistellige Raten werden wir nicht mehr sehen. Trotzdem werden die Preise weiter steigen, und zwar im Schnitt um voraussichtlich 6,4 Prozent.

Obwohl die Energiepreise jetzt sogar fallen?

Ja, selbst dann. Wie schon erwähnt: Bis die Preisrückgänge an die Energiekunden weitergereicht werden, wird es bis ins nächste Jahr dauern. Möglich ist aber, dass einzelne Branchen, die sehr energieintensiv sind, die Preise für ihre Produkte jetzt wieder senken.

Timo Wollmershäuser: "Wir sind noch weit von einer normalen Geldpolitik entfernt."
Timo Wollmershäuser: "Wir sind noch weit von einer normalen Geldpolitik entfernt." (Quelle: IPON/imago-images-bilder)

Timo Wollmershäuser ist Ökonom am Münchner Ifo-Institut. Als Konjunkturchef berechnet er dort regelmäßig Prognosen für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft. Das Ifo-Institut zählt wegen seiner zahlreichen Umfragen unter Firmen in Deutschland zu den wichtigsten Wirtschaftsforschungseinrichtungen des Landes.

Welche könnten das sein?

Ich denke da zum Beispiel an Kunstdünger und eine Reihe von chemischen Produkten, aber auch an die Papierindustrie. Laut unserer jüngsten Ifo-Umfrage rechnen in der Papierbranche inzwischen mehr Firmen damit, ihre Preise bald abzusenken, als sie weiter anzuheben – eben, weil ihre Energiekosten jetzt stark fallen. Über kurz oder lang heißt das: Die Preise für Toilettenpapier und andere Papierwaren könnten wieder fallen. Am Ende hängen deren Preise auch von der Entwicklung der Kosten anderer Rohstoffe, zum Beispiel für Holz und Zellstoffe, ab.

Und damit, ob die Energiepreise langfristig so weit unten bleiben.

Exakt. Eine breit angelegte Deflation bei Waren und Dienstleistungen kann ich mir aber erst vorstellen, wenn der Gaspreis noch weiter fällt in Richtung des Preises, der vor Ausbruch des Krieges bezahlt werden musste. Aber das scheint mir derzeit doch ein eher unwahrscheinliches Szenario zu sein.

Fest steht also: So billig wie zu Zeiten der Abhängigkeit von Russland wird Energie in Deutschland wohl nie wieder. Wie sehr gefährdet das unseren Wohlstand?

Die höheren Energiepreise bergen ein großes Risiko. Wenn es absehbar so bleibt, dass etwa in den USA Gas billiger zu haben ist, werden Unternehmen mittelfristig ihre energieintensive Produktion dorthin verlagern. Zum Teil sehen wir das schon jetzt: Die chemische Industrie hat Teile ihrer Produktion gedrosselt, weil sie sich hierzulande nicht mehr lohnt. Trotzdem gibt es auch Chancen für Deutschland.

Nämlich?

Wenn sich manch traditionelle Produktion in Deutschland nicht mehr rentiert, werden Ressourcen für anderes frei: Schlaue Köpfe, die sich um die Entwicklung neuer Erfindungen kümmern können, Geld, das wir investieren können, um diese Ideen marktfähig zu machen. Da geht es vor allem um die erneuerbaren Energien, zum Beispiel um Wasserstoff, aber auch um viele weitere Dinge. Das kann uns Hoffnung machen.

Herr Wollmershäuser, vielen Dank für dieses Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Interview per Videotelefonat mit Timo Wollmershäuser
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