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Frauen-WM 2019: Berti Vogts lobt "gewaltigen Fortschritt" des Frauenfußballs


Fußball-WM
Der Fortschritt des Frauenfußballs ist gewaltig

MeinungEine Kolumne von Berti Vogts

Aktualisiert am 14.06.2019Lesedauer: 4 Min.
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Die Nationalspielerinnen Däbritz (v.) und Popp jubeln: Ex-Bundestrainer Berti Vogts schwärmt von den großen Verbesserungen im Frauenfußball.Vergrößern des Bildes
Die Nationalspielerinnen Däbritz (v.) und Popp jubeln: Ex-Bundestrainer Berti Vogts schwärmt von den großen Verbesserungen im Frauenfußball. (Quelle: Phil Noble/reuters)

Ex-Bundestrainer Berti Vogts erinnert sich an die Anfänge des Frauenfußballs in Deutschland, schwärmt vom Niveau bei der WM – und verrät seine Geheimtipps für die Sonntag beginnende U21-EM der Männer.

Zuallererst ein Wort zur Weltmeisterschaft der Frauen. Ich bin nach den ersten Spielen begeistert – natürlich von den beiden deutschen Auftaktsiegen, aber auch insgesamt vom taktischen und technischen Niveau. Der Fortschritt des Frauenfußballs in den vergangenen Jahren ist gewaltig.

Was mich ärgert: Als Zuschauer wird mir bei den WM-Spielen aktuell jede Kleinigkeit erklärt, zum Beispiel wie ein Einwurf funktioniert. Als ob Frauenfußball eine andere, völlig unbekannte Sportart sei. Da ärgere ich mich maßlos. Der Fußball funktioniert gleich, also lasst ihn uns auch endlich gleich behandeln.

Frauen als Trainer? Davon musste ich einige erst überzeugen

Ich erinnere mich noch, als 1982 die Frauen-Nationalmannschaft gegründet worden ist – und danach intern diskutiert wurde, ob eine Frau auch am Trainer-Lehrgang teilnehmen sollte. Ich habe damals gesagt, natürlich können Frauen mit der entsprechenden Ausbildung auch professionelle Trainer sein. Da haben einige beim DFB die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Gott sei Dank hat sich einiges geändert. Die positive Entwicklung können wir nun bei der WM bewundern – hoffentlich gekrönt vom Titel für Deutschland.

Als ehemaliger U21-Nationaltrainer verfolge ich natürlich auch die am Sonntag beginnende Europameisterschaft in dieser Altersklasse ganz genau. Ich bin mir sicher, dass die Mannschaft von Trainer Stefan Kuntz auch dieses Jahr wieder um den Titel mitspielen kann.

Dieser Spieler kann die U21-EM prägen

Natürlich: So Spieler wie Sané, Havertz, Werner oder Brandt sind diesem Nachwuchsniveau längst entwachsen. Die A-Nationalelf hat oberste Priorität, deshalb ist es richtig, dass sie sich darauf konzentrieren. Trotzdem hat Deutschland wieder einen U21-Kader voller vielversprechender Talente.

Auf die deutschen Torhüter Alexander Nübel von Schalke und Florian Müller von Mainz sollten Sie zum Beispiel achten, egal wer von ihnen zum Einsatz kommt. Sie haben in der Bundesliga schon ihr außergewöhnliches Talent bewiesen. Nübel und Müller sind für mich kommende A-Nationalspieler.

Jonathan Tah hat diesen Status längst inne und hat das Zeug, der Anführer der U21 zu sein und das Turnier zu prägen. Ihm gehört als Innenverteidiger die Zukunft.

England und Frankreich sind die Top-Favoriten

Einziges Manko: ein echter Stoßstürmer fehlt, mal wieder. So einen Spielertypen kannst du im Verlauf eines Turniers immer gut gebrauchen, auf höchstem Niveau gibt es den im deutschen Nachwuchs aktuell leider nicht. Aber die deutsche Offensive kompensiert das mit viel Dynamik.

Meine Top-Favoriten sind England und Frankreich. Bei den Engländern spielen die größten Namen wie Jadon Sancho auch längst im A-Nationalteam, in der Breite hat sich ihre Talentausbildung in den letzten Jahren aber auch enorm verbessert. Einige ihrer Spieler sind in Deutschland vielleicht eher unbekannt, aber richtig stark. Sie haben in der Qualifikation kein einziges Spiel verloren, das sagt schon einiges.

Mit drei Tagen Vorbereitung ins EM-Finale

Frankreich hat das auch geschafft – sie haben individuell sicher den stärksten Kader und sind weltweit meiner Meinung nach führend, was die Entwicklung junger Talente angeht. Ihre Mischung aus Athletik und Technik passt perfekt zum modernen Fußball.

Wie wichtig die U21-EM geworden ist, erkennt man auch an der Vorbereitung auf das Turnier. Ich hatte 1982 vor den Finalspielen gegen England jeweils drei Tage Zeit. Damals gab es noch keine Endrunde, sondern der gesamte Wettbewerb wurde mit Hin- und Rückspielen über zwei Jahre gestreckt ausgetragen. Mittlerweile hat sich das alles zum Glück sehr professionalisiert, mit einem zweiwöchigen Trainingslager und sehr detaillierter Taktikvorbereitung. Das ist eine tolle Turniererfahrung für die jungen Spieler.

Die A-Nationalmannschaft macht endlich wieder Spaß

Heute ist es auch Zeit, den Verantwortlichen der A-Nationalmannschaft zu gratulieren. Nicht für die sechs Punkte gegen Weißrussland (2:0) und Estland (8:0) in der EM-Qualifikation, die sollten selbstverständlich sein. Sondern für die Art und Weise, wie diese Siege errungen wurden. Es wurde nichts erzwungen in diesen Spielen, sondern herauskombiniert. Dort hat eine Mannschaft miteinander gespielt und dabei auch am Ende einer langen Saison so viel Gier und Lust auf Fußball ausgestrahlt – das hat mich sehr erfreut.

Sie werden jetzt zu Recht sagen: Weißrussland und Estland, das sind doch keine Gegner. Aber ich kann Ihnen sagen, ein Auswärtsspiel in Weißrussland kann sehr unangenehm sein, vor allem wenn der Mannschaft die Spielpraxis fehlt. Die Saison in den Vereinen war für die meisten Spieler schon seit Wochen vorbei. Außerdem waren beide Gegner nur darauf aus, das deutsche Spiel zu verhindern. Das ist für eine junge Mannschaft nicht immer einfach. Deshalb sollten wir die Leistungen nicht unnötig schmälern.


Besonders gut haben mir Leroy Sané und Marco Reus gefallen. Sie sind die beiden Weltklassespieler der Mannschaft. Ihr Tempo, ihr Spielwitz, ihre Torgefahr – das ist außergewöhnlich. Ein Fragezeichen steht für mich noch hinter der neuen deutschen Defensive. Mit Ausnahme von Joshua Kimmich habe ich meine Zweifel, ob sie dauerhaft höchsten Ansprüchen genügt. Das wird sich schon beim nächsten Duell mit den Niederlanden (6. September) zeigen.

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