Diese Schäden drohen Kopfschmerzen bei jungen Menschen ernst nehmen
Kopfschmerzen in der jungen Bevölkerung haben stark zugenommen. Mehr als zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler sind betroffen. Rund 20 Prozent verpassen dadurch wiederholt den Unterricht. Eine zielgerichtete ärztliche Behandlung wäre wichtig. Doch die erhalten nur die wenigsten.
Klagen Kinder oder Teenager häufig über Kopfschmerzen, sollten bei den Eltern die Alarmglocken läuten. Oftmals sind Leistungsdruck, emotionaler Stress, zu viel Zeit am Bildschirm und zu wenig Bewegung die Ursache – der monatelange Lockdown hat all diese Faktoren noch einmal deutlich verstärkt. Dennoch werden Kopfschmerzen bei Kindern oftmals nicht ernst genommen und sie werden keinem Arzt oder keiner Ärztin vorgestellt – obwohl oft einfache therapeutische Maßnahmen die Schmerzen lindern könnten.
Kopfschmerzen sind keine Bagatelle
Wenn Kinder und Jugendliche regelmäßig an Kopfschmerzen leiden, können sie schnell in einen Teufelskreis aus Leistungsabfall, Schulangst und sozialer Isolation geraten. "Eltern sollten Kopfschmerzen nicht bagatellisieren. Kopfschmerzen können den Alltag und die Zukunft junger Menschen stark beeinträchtigen", sagt PD Dr. med. Gudrun Goßrau. Sie ist Leiterin der Kopfschmerzambulanz im Interdisziplinären Universitätsschmerzzentrum am Universitätsklinikum Dresden und Kongresspräsidentin des Deutschen Schmerzkongresses 2021.
Am häufigsten sind Migräne und Spannungskopfschmerz
In einer Querschnittsstudie in Dresden mit über 2.700 befragten Schülerinnen und Schülern gaben mehr als zwei Drittel aller Befragten an, regelmäßig an Kopfschmerzen zu leiden. Über ein Fünftel aller Kinder und Jugendlichen mit mehr als zwei Kopfschmerztagen im Monat fehlten dadurch regelmäßig in der Schule. "Eine ärztliche Diagnose und Therapie der Kopfschmerzen erhalten nur die wenigsten", sagt Goßrau. "Dabei sind Migräne und Spannungskopfschmerz die häufigsten eigenständigen Schmerzdiagnosen bei Kindern und Jugendlichen."
Weit verbreitet: Selbsttherapie mit Schmerztabletten
Alarmierend sei, dass Kopfschmerzen stattdessen häufig in Eigenregie mit frei verkäuflichen Medikamenten bekämpft würden. "Schmerzmittel sollten Kinder aber nur einnehmen, wenn sie vom Arzt oder der Ärztin in geeigneter Dosierung verordnet wurden", so Goßrau weiter. Denn bei häufiger Einnahme könnten Medikamente die Kopfschmerzen auch verstärken. Manche seien für Kinder gar nicht geeignet.
Daten einer aktuellen Münchner Studie zeigen, dass Migräne in der Übergangsphase zwischen Jugend- und Erwachsenenalter mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung weiterer Schmerzen im Erwachsenenalter assoziiert ist. "Es besteht deshalb akuter Handlungsbedarf, wenn Kinder regelmäßig an Kopfschmerzen leiden", mahnt die Kopfschmerzexpertin.
Einfache Maßnahmen, die Linderung schaffen
Häufig könnten schon einfache, aber gezielte Maßnahmen zu einer Linderung führen, sagt Goßrau. Dazu zählen zum Beispiel die Umstellung des Tagesrhythmus, mehr Entspannungszeiten ohne Handy, ausreichendes Trinken und regelmäßiges Schlafen. "Auch regelmäßiger Sport und weniger Termindruck reduzieren Kopfschmerzen erheblich."
Spezielles Behandlungskonzept bei chronischen Kopfschmerzen
Schwieriger wird es, wenn die Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen bereits chronisch sind und zu Einschränkungen des Alltags geführt haben. Für diesen Fall wurde das Dresdner Kinderkopfschmerzprogramm (DreKiP) entwickelt. Es handelt sich um ein Gruppentherapieprogramm, das acht unterschiedliche Module umfasst.
"In Deutschland besteht nach wie vor ein Versorgungsbedarf, der mit den vorhanden Therapiestrukturen nicht abgedeckt wird", so Goßrau. Um diese Versorgungslücke zu schließen, seien gesellschaftliche Anstrengungen erforderlich. Diese beginnen bei der Sensibilisierung von Eltern und Lehrenden, Berücksichtigung von Kopfschmerzen als Krankheitssymptom sowie entsprechender Ausbildung der Akteure im Gesundheitssystem. Darüber hinaus müssten dringend spezifische wie auch interdisziplinäre Therapiemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche mit Kopfschmerzen geschaffen werden.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Deutsche Schmerzgesellschaft e.V.
- Nieswand V., Richter M., Gossrau G. Epidemiology of Headache in Children and Adolescents—Another Type of Pandemic Crossref DOI link: doi.org/10.1007/S11916-020-00892-6 (2020-10)
- Nieswand V, Richter M, Berner R et al. The prevalence of headache in German pupils of different ages and school types. Cephalalgia. 2019 Jul;39(8):1030-1040
- Gerstl L, Tadych N, Heinen F et al. Migraine and the development of additional psychiatric and pain disorders in the transition from adolescence to adulthood. Cephalalgia. 2021 Jun 23:3331024211021792. doi:10.1177/03331024211021792.