Trauma Fehlgeburt Was betroffene Frauen wissen sollten
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Endlich schwanger! Für die meisten werdenden Eltern bedeutet diese Nachricht riesige Freude und pures Glück. Umso größer ist dann der Schock, wenn der Zustand "der guten Hoffnung" sich plötzlich ins Gegenteil verkehrt und in einer Fehlgeburt endet. Für betroffene Frauen ist das fast immer eine traumatische Erfahrung.
Die ersten zwölf Schwangerschaftswochen sind die riskantesten
Fehlgeburten sind leider alles andere als selten. Die Hälfte aller Schwangerschaften – das ergab eine Bertelsmann-Studie – endet bereits so früh wieder, dass sie gar nicht erst bemerkt oder als Menstruation wahrgenommen werden. Von den erkannten Schwangerschaften enden etwa zehn bis fünfzehn Prozent mit einem Abort – so der medizinische Fachausdruck.
Das Fehlgeburtsrisiko ist in den ersten zwölf Wochen am höchsten. Dann geschehen rund 80 Prozent dieser Fälle. Erst nach der 16. Schwangerschaftswoche (SSW) sinkt die Wahrscheinlichkeit für eine Fehlgeburt, die ab diesem Zeitpunkt als Spätabort bezeichnet wird, auf etwa drei Prozent.
Auch Kathrin aus Frankfurt hat vor einigen Jahren eine Fehlgeburt erleben müssen. In der zehnten Schwangerschaftswoche verlor die 33-Jährige ihr Baby, das zu diesem Zeitpunkt circa drei Zentimeter groß war. "Plötzlich begannen ziemlich starke Blutungen vermischt mit Gewebeklümpchen und ich spürte ein wahnsinnig schmerzhaftes Ziehen im Unterleib und im Rücken", erzählt Kathrin.
"Alarmiert bin ich dann zu meinem Gynäkologen. Bei der Ultraschall-Untersuchung stellte sich dann leider heraus, dass unser Würmchen, auch wenn es zu dem Zeitpunkt nicht mehr als ein kleiner Zellhaufen war, nicht mehr sichtbar war."
Folgende Symptome können auf eine Fehlgeburt hinweisen:
- starke Schmerzen im Unterleib
- starkes Ziehen im Unterbauch
- Schmerzen im Rücken
- Blutungen
- Fieber und eitriger Ausfluss
- ist die Schwangerschaft bereits fortgeschritten, kann auch Fruchtwasser austreten
Risikofaktoren, die einen Abort begünstigen
Die Ursachen für eine Fehlgeburt lassen sich oft nur selten konkret benennen beziehungsweise nachträglich rekonstruieren. Doch es gibt bestimmte Risikofaktoren, die einen Abort begünstigen. Neben Fehlbildungen der Erbanlagen, die Schätzungen zufolge etwa 50 bis 60 Prozent der "frühen Abgänge" ausmachen, können beispielsweise
- Gebärmutterveränderungen
- hormonelle Störungen wie etwa eine Gelbkörperschwäche
- bakterielle Infektionen (Chlamydien, Toxoplasmose)
- Masern, Röteln und Herpesviren
- eine starke psychische Belastung
- ein Sturz der Schwangeren
Initiator für das vorzeitige Ende einer Schwangerschaft sein.
Eine Rolle spielt auch das Alter der Frau: Je später nämlich die Familienplanung gelingt, desto häufiger können schwerwiegende Chromosomenfehlbildungen beim Embryo auftreten, sodass das Ungeborene früh abstirbt. So erleiden vor allem Spätgebärende ab dem 35. Lebensjahr deutlich öfter einen Abort als jüngere Frauen.
Fehlgeburt: Eine Ausschabung ist oft unumgänglich
Welche medizinischen Konsequenzen eine Fehlgeburt hat und welche Maßnahmen nach dem Verlust eines Kindes nötig werden, hängt immer vom Zeitpunkt ab: Bei einem Abort, der in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten passiert, wird häufig schnellstmöglich in einer Klinik eine Ausschabung der Gebärmutter, eine Curettage, durchgeführt, um verbliebene Plazentareste vollständig zu entfernen und Folgeinfektionen zu verhindern.
Genauso war es auch bei Kathrin. Auf Rat der Ärzte unterzog sie sich diesem Eingriff. "Mit der Ausschabung wollten die Gynäkologen sicher gehen, dass kein abgestorbenes Gewebe mehr zurückbleibt. Die Vorstellung, dass mein Baby wie eine Krankheit entfernt und weggekratzt wurde, ist für mich heute aber immer noch unerträglich."
Nicht alle Frauen reagieren aber gleich auf eine Ausschabung. Für manche ist das schnelle Beenden der "misslungenen" Schwangerschaft sogar ein akzeptabler Weg, um mit dem Geschehenen besser fertig zu werden. Denn für sie ist das Gefühl extrem beängstigend, Teile ihres toten Kindes in sich zu tragen.
Abwarten ist manchmal eine Option
Es gäbe aber auch immer wieder Schwangere, die sich trotz der Diagnose Abort nicht schnell von ihren "anderen Umständen" verabschieden könnten. Das berichtet die Berliner Hebamme Jana Friedrich in ihrem "Hebammenblog". Dieses "Festhalten" am Kind beträfe vor allem Frauen mit einem sogenannten "missed abortion", wo der tote Embryo nicht gleich abgestoßen wurde und erst bei der nächsten Vorsorgeuntersuchung die traurige Gewissheit über das Ableben des Kindes offenkundig wird.
"Man kann, sofern die mütterlichen Blutwerte in Ordnung sind", so Jana Friedrich, "auch noch mit der Ausschabung warten. Bis man selber soweit ist, sich von der Schwangerschaft zu trennen." Manchmal reicht es auch, ein bis zwei Tage zu warten, bis der Körper das Gewebe auf natürlichem Wege abstößt.
Immer müsste ein solches Vorgehen aber mit engmaschiger fachlicher Beratung einhergehen, so die dringliche Empfehlung der Berliner Hebamme Friedrich. Denn nicht selten seien die Umstände so, dass eine Curettage einfach unumgänglich sei.
Wenn die Fehlgeburt erst spät passiert
Anders verläuft die medizinische Behandlung, wenn der Embryo nach der 12. SSW im Mutterleib stirbt. In diesem Fall wird die Schwangerschaft üblicherweise durch eine künstlich eingeleitete Entbindung beendet. Man spricht dann von einer stillen Geburt.
Geschieht der Abort erst nach der 24. SSW bekommt das traurige Ereignis auch eine andere juristische Relevanz. Es handelt sich dann um eine sogenannte Totgeburt, bei der auch Mutterschutz gewährt wird. Wiegt das Kind dann mindestens 500 Gramm – so die rechtliche Regelung – müssen diese Kinder standesamtlich registriert werden. Auf Wunsch der Verfügungsberechtigten kann dann der Vor- und Familienname des totgeborenen Babys im Geburtenbuch eingetragen werden.
Seit März 2013 können auch Kinder unter 500 Gramm Geburtsgewicht beim Standesamt angezeigt werden, um ihnen damit offiziell eine Existenz zu geben.
Wie die Seele wieder ins Lot kommt
Körperlich sind die meisten Frauen nach einer Fehlgeburt ziemlich schnell wieder fit. Doch ihre Seele leidet meist noch lange. Viele fühlen sich im Alltag wie gelähmt, sind chronisch erschöpft oder werden von Schuldgefühlen geplagt. Schwierig ist es häufig auch, sich seinem sozialen Umfeld mitzuteilen. Denn Abort ist immer noch ein Tabuthema. Oder die psychischen Aspekte einer Fehlgeburt werden nicht ernst genug genommen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass sich Betroffene Hilfe holen, um bewusst Trauerarbeit zu leisten und die traumatischen Erfahrungen zu verarbeiten.
So hat beispielsweise jede Frau – auch nach einem frühen Abort – das Recht auf eine Nachbetreuung durch ihre Hebamme. Zudem besteht die Option, sich mit anderen Paaren auszutauschen, die Ähnliches erlebt haben. So finden sich in fast allen größeren Städten Selbsthilfegruppen für "verwaiste Eltern" oder entsprechende Portale im Internet. Ebenso kann professionelle psychologische Begleitung wieder zu mehr seelischer Stabilität führen.
Erholung im "kleinen Wochenbett"
Viele Hebammen empfehlen ihren "Patientinnen" nach einer Fehlgeburt ein "kleines Wochenbett". Arbeitsrechtlich gibt es nach einem Abort vor der 24. SSW zwar keinen Mutterschutz, doch eine Krankschreibung zur physischen und psychischen Regeneration ist dann sehr wohl möglich.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Berufsverband der Frauenärzte e.V.
- Eigene Recherche