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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Harninkontinenz Leichte Blasenschwäche: Diese Tipps erleichtern den Alltag
Blasenschwäche ist ein Thema, über das keiner gern spricht. Um peinlichen Situationen aus dem Weg zu gehen, vermeiden viele sportliche Aktivitäten oder Treffen mit Freunden.
Inhaltsverzeichnis
- Beckenbodentraining nutzt Frauen und Männern
- Auf eine gute Verdauung achten
- Übergewicht vermeiden – Blasenfunktion schützen
- Blasenreizende Lebensmittel meiden
- Passende Hygieneprodukte nutzen
- Keine Monatsbinden verwenden
- Die richtige Kleidung wählen
- Sanfte Sportarten wählen
- Mit anderen Betroffenen austauschen
Harninkontinenz, umgangssprachlich Blasenschwäche, trifft oftmals Frauen. Neben einer anatomischen Veranlagung können auch ein zu schwaches Bindegewebe oder hormonelle Veränderungen die Ursache sein. Ein Experte gibt Tipps, was bei leichter Blasenschwäche hilft.
Was ist Harninkontinenz?
Bei Harninkontinenz kommt es zum plötzlichen Verlust von Harn. Mediziner unterscheiden verschiedene Harninkontinenz-Formen. Die drei häufigsten sind:
Belastungsinkontinenz: Ist die häufigste Form der Harninkontinenz. Der Harnverlust ist die Folge von Druck auf den Bauchraum, wie er beim Lachen, Husten, Niesen oder schweren Heben entsteht. Der Urinverlust kann sehr gering sein. Dann gehen wenige Tropfen ab. Doch der Urin kann auch in größeren Mengen austreten. Die Betroffenen spüren meist keinen Harndrang, bevor Urin abgeht. Ursache ist oftmals ein geschwächter Beckenboden.
Dranginkontinenz: Die Betroffenen verspüren einen plötzlich einsetzenden, sehr starken Harndrang – auch wenn die Blase nicht gefüllt ist. Der Drang kann so intensiv sein, dass sie es nicht mehr rechtzeitig zur Toilette schaffen. Der Urin geht schwallartig ab. Ursache ist eine überreizte sowie überaktive Blase und ein geschwächter Schließmuskel.
Mischinkontinenz: Bei der Mischinkontinenz handelt es sich um eine Mischform aus Belastungs- und Dranginkontinenz.
Nicht scheuen, den Arzt aufzusuchen
Frauen und Männer mit einer leichten Blasenschwäche sollten sich nicht scheuen, einen Arzt aufzusuchen. Inkontinenz ist kein Grund, sich zu schämen. Urologen betreuen viele Patienten: Schätzungen zufolge sind in Deutschland über alle Altersstufen hinweg acht bis zehn Millionen Menschen von einer Harninkontinenz betroffen. "Der Weg zum Urologen ist der erste wichtige Schritt in Richtung Heilung.
Niemand sollte wegen einer Blasenschwäche still vor sich hin leiden und sich aus dem sozialen Leben zurückziehen müssen", sagt Matthias Zeisberger, erster Vorsitzender der Inkontinenz Selbsthilfe e. V. "Ist die Ursache der Inkontinenz erst einmal bekannt, kann den meisten Betroffenen geholfen werden. In vielen Fällen lässt sich die Inkontinenz vollständig beheben."
Häufige Ursachen einer Harninkontinenz sind beispielsweise:
- geschwächter Beckenboden durch Schwangerschaften und Geburten
- Bindegewebsschwäche
- Gebärmuttersenkung
- Operationen im Beckenbereich
- Operationen an der Prostata
- chronischer Husten
- chronische Verstopfung
- Übergewicht
- Nervenschäden
- neurologische Erkrankungen
- Harnwegsinfekte
- Harnröhrenverengung
- Blasensteine
Beckenbodentraining nutzt Frauen und Männern
Hinter einer leichten Blasenschwäche steckt in den meisten Fällen eine Belastungsinkontinenz. Bei Frauen ist häufig eine schwache Beckenbodenmuskulatur die Ursache. Bei Männern tritt die Harninkontinenz oft nach Operationen der Prostata auf. Vielen Betroffenen – Frauen wie Männern – hilft Beckenbodentraining. "Beckenbodentraining unter professioneller Anleitung eines entsprechend geschulten Physiotherapeuten oder einer Physiotherapeutin ist das A und O bei der Behandlung einer leichten Belastungsinkontinenz", erklärt Zeisberger. "Die Beckenbodenübungen trainieren die Stützfunktion des Halteapparates und stärken die Funktion des Blasenschließmuskels."
Beckenbodentraining ist nach Schwangerschaften in Form von Rückbildungsgymnastik wichtig, um die Blasenfunktion zu schützen, aber auch in den Wechseljahren sowie bei Männern nach einer OP der Prostata hilfreich. Doch Beckenbodentraining sollte nicht nur eingesetzt werden, wenn Harnverlust vorliegt.
"Vor allem Frauen sollten die täglichen Übungen als Prävention nutzen – spätestens nach der ersten Geburt", empfiehlt der Experte. "Krankenkassen, Volkshochschulen, Hebammenpraxen und viele andere Institutionen bieten Beckenbodenkurse an. Dort lernen Betroffene neben gezieltem An- und Entspannen der Muskulatur auch Wichtiges zur generellen Entlastung der Blase im Alltag."
Auf eine gute Verdauung achten
Bei einer leichten Blasenschwäche ist es ratsam, den Druck auf den Beckenboden möglichst gering zu halten. Ein wichtiger Tipp ist daher, auf eine gute Verdauung zu achten. Gerade Frauen leiden häufig unter Verstopfung. Der Druck, der beim Pressen auf dem Beckenboden lastet, schwächt die Beckenbodenmuskulatur und begünstigt eine Blasenschwäche.
Eine ausgewogene Ernährung mit vielen Pflanzenfasern (Ballaststoffen) unterstützt einen weichen und voluminösen Stuhl und regt die Darmbewegung an. Wer größere Mengen an Ballaststoffen nicht so gut verträgt, kann es mit gemahlenen Flohsamenschalen versuchen. In Wasser eingerührt bilden sie eine Art Gel, welches die Gleitfähigkeit des Stuhls verbessert und die Ausscheidung erleichtert.
Übergewicht vermeiden – Blasenfunktion schützen
Eine gesunde Ernährung ist doppelt wichtig: Sie hilft, Übergewicht zu vermeiden beziehungsweise abzubauen. Je weniger Gewicht auf dem Bauchraum lastet, desto besser ist das für die Blasenfunktion. "Übergewicht gehört bei Frauen zu den hohen Risikofaktoren für die Entstehung einer Harninkontinenz", sagt Zeisberger. "Es ist daher in jedem Fall ratsam, ein normales Gewicht anzustreben. Das gilt sowohl für die Behandlung einer bestehenden Harninkontinenz als auch für die Prävention."
Blasenreizende Lebensmittel meiden
Ebenfalls empfehlenswert ist, auf harntreibende und blasenreizende Getränke und Speisen möglichst zu verzichten. Dazu gehören Alkohol, Getränke mit Koffein, unter anderem Kaffee, grüner und schwarzer Tee sowie Cola, aber auch scharfe Gewürze wie Ingwer, Paprika und Chili sowie bestimmte Gemüse, beispielsweise Spargel oder Sauerkraut.
Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist auch mit einer Inkontinenz wichtig. "Viele Betroffene trinken weniger, weil sie hoffen, so den Harnverlust zu minimieren. Doch das ist falsch", weiß Zeisberger. "Wer wenig trinkt, hat nicht nur einen konzentrierten Harn, der blasenreizend wirkt und geruchsintensiv ist. Auch das Risiko für Harnwegsinfekte und Nierenerkrankungen ist erhöht – und damit das Risiko für ein verstärktes Beschwerdebild der Harninkontinenz."
Passende Hygieneprodukte nutzen
Ein Plus an Sicherheit bei einer leichten Blasenschwäche bieten entsprechende Hygieneprodukte für Inkontinenz. In Supermärkten und Drogerien gibt es eine große Auswahl in verschiedenen Größen, Formen und unterschiedlichen Graden der Saugfähigkeit. "Wer unsicher ist, kann sich in einem Sanitätshaus oder einer Apotheke beraten lassen. Auch viele Hersteller bieten Beratungen an oder senden Probeeinlagen zu", so Zeisberger.
Herr Matthias Zeisberger ist erster Vorsitzender der Inkontinenz Selbsthilfe e. V. Er ist seit über 16 Jahren ehrenamtlich für die Selbsthilfe tätig und steht in engem Kontakt mit Harninkontinenz-Betroffenen.
Keine Monatsbinden verwenden
Immer wieder greifen Betroffene aus Kostengründen zu herkömmlichen Monatsbinden für die Menstruation. Der Experte rät davon ab: "Spezielle Hygieneeinlagen für Inkontinenz können rasch größere Mengen Urin auffangen. Zudem sind sie mit Geruchsbindern versehen.
Sie wandeln den flüssigen Urin in Gel um, was einen zusätzlichen Auslaufschutz bietet. Normale Monatsbinden können diesen Geruchs- und Auslaufschutz nicht gewährleisten."
Die richtige Kleidung wählen
Ein zusätzlicher Nierenschutz lässt sich mithilfe der richtigen Kleidung erreichen. Warmhalten ist hier das Zauberwort. Nieren und Blase mögen es warm. Kühlen die ableitenden Harnwege aus, drohen Infekte. Pilze, Bakterien und andere Erreger können sich leichter vermehren, da Kälte die natürliche Abwehrfunktion schwächt.
"Vor allem bei kälteren Temperaturen sollte man sich warm anziehen. Ein Unterhemd sorgt für zusätzliche Wärme. Baumwollunterwäsche wärmt ebenfalls und ist zudem atmungsaktiv – was der Vermehrung von Keimen entgegenwirkt. Ist die Blase krank, verschlimmert das auch die Blasenschwäche", erklärt der Inkontinenz-Experte.
Sanfte Sportarten wählen
Wer sportlich aktiv ist, kann mit sanften Sportarten den Beckenboden und die ableitenden Harnwege schonen. Gut geeignet sind beispielsweise Walken, Wandern, leichte Radtouren in ebenem Gelände und Gymnastik. Bei Joggen und Sportarten mit Sprints und Sprüngen hingegen werden die Harnwege durch Stöße belastet. Das kann eine Harninkontinenz verstärken oder sogar auslösen, wenn man eine gewisse Anfälligkeit dafür mitbringt.
Mit anderen Betroffenen austauschen
Ebenfalls hilfreich ist für viele der Austausch mit anderen Betroffenen. "Durch den Austausch merken Betroffene, dass sie nicht allein sind. Sie fühlen sich verstanden und können durch den Austausch auch Unterstützung für den eigenen Umgang mit der Inkontinenz bekommen", weiß Zeisberger. "Beispielsweise bietet das Forum der Inkontinenz Selbsthilfe e. V. Betroffenen einen kostenfreien und anonymen Austausch."
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Interview
- Was ist Inkontinenz? Onlineinformation der Inkontinenz Selbsthilfe e. V. (Stand: 1. April 2021)
- Inkontinenz Frau – Weibliche Harninkontinenz. Onlineinformation der Inkontinenz Selbsthilfe e. V. (Stand: 6. Juli 2021)
- Inkontinenz-Forum. Angebot der Inkontinenz Selbsthilfe e. V. (Stand: Aufgerufen am 18. Januar 2022)
- Wie funktioniert Beckenbodentraining? Onlineinformation des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). (Stand: Aufgerufen am 12. Januar 2022)
- Harninkontinenz. Onlineinformation der Deutschen Kontinenz Gesellschaft e. V. (Stand: Aufgerufen am 12. Januar 2022)
- Harn- und Stuhlinkontinenz (Blasen- und Darmschwäche. Patientenratgeber der Deutschen Kontinenz Gesellschaft e. V. (Stand: Juli 2019)
- Was ist Harninkontinenz? Onlineinformation der Stiftung Gesundheitswissen. (Stand: 17. März 2021)
- S2e-Leitlinie "Harninkontinenz bei geriatrischen Patienten. Diagnostik und Therapie". AWMF-Registernummer 084-001. Kurzfassung. Federführende Gesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Geriatrie. (Stand: 2. Januar 2019)