Unabhängigkeit infrage gestellt Flaggen-Eklat: Wirbel um US-Verfassungsrichter
Eine umgedreht gehisste US-Flagge sorgt für Wirbel in den USA. Sie wehte vor dem Haus eines US-Richters.
Als Donald Trump die Wahl verlor, sahen seine Unterstützer bereits den Untergang der Vereinigten Staaten und brachten dies mit einem Symbol zum Ausdruck: Sie hissten die Flagge der USA auf dem Kopf stehend. In den Vereinigten Staaten wird dies auch als Signal für unmittelbar drohende Gefahr um Leib und Leben benutzt.
Eine solche Version der Flagge soll auch vor dem Haus von einem der obersten Richter der USA gehisst worden sein. Nach einem Bericht der "New York Times" belegten dies Fotos und Aussagen von Anwohnern. Bei dem Richter handelt es sich um Samuel Alito Jr., Mitglied des Supreme Court, des Obersten Gerichts der USA. Der Vorfall soll sich am 17. Januar 2021 zugetragen haben, wenige Tage nach dem Sturm des Kapitols durch Trump-Unterstützer.
Besonders brisant: Zur gleichen Zeit tagte das Gericht zur Frage, ob es eine Anhörung zur Wahl geben würde, wie damals aus dem Trump-Lager gefordert. Die Mehrheit der Kammer lehnte ab – doch laut "New York Times" war Alito einer der Befürworter gewesen. Er wird auch an den kommenden Entscheidungen darüber beteiligt sein, ob Donald Trump Immunität gewährt werden kann, was eine mögliche Verwicklung in den Sturm aufs Kapitol angeht und was Versuche betrifft, die Wahl zu beeinflussen.
Der Richter weist Vorwürfe, er habe die Flagge vor seinem Haus angebracht, zurück. "Ich war in keiner Weise am Hissen der Flagge beteiligt", sagte Richter Alito in einer per E-Mail an die "New York Times" geschickten Erklärung. "Sie wurde kurzzeitig von [meiner Ehefrau] Ms. Alito als Reaktion auf die Verwendung anstößiger und persönlich beleidigender Sprache auf Gartenschildern durch einen Nachbarn angebracht." Zu der Zeit sei die politische Stimmung sehr angeheizt gewesen, auch in seiner Nachbarschaft, sagte der Richter später zu Shannon Bream von Fox News.
Verletzung der Ethikregeln?
Doch laut "NYT" sehen Experten darin eine unzulässige Verletzung der Ethikregeln des Gerichts. Die Direktorin des amerikanischen Brennan Center for Justice, Alicia Bannon, sprach von einer klaren Verletzung der ethischen Standards, aber auch von einem "Großfeuer". Richter müssten sich von politischen Äußerungen fernhalten. Das habe Alito nicht gemacht, da er sich der gehissten Flagge bewusst gewesen sei.
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"Es könnte sein Ehepartner sein oder jemand anderes, der in seinem Haus wohnt, aber er sollte es nicht in seinem Garten haben, als seine Botschaft an die Welt", sagte Amanda Frost, Rechtsprofessorin an der Universität von Virginia. Der demokratische Gouverneur von Minnesota, Tim Walz, bezeichnete das Hissen der Flagge als "nicht normal", und der demokratische Senator Richard Blumenthal sagte, die Glaubwürdigkeit des Gerichts sei "im Sinkflug", berichtete der britische "Guardian".
Aus dem Weißen Haus gab es keine direkte Stellungnahme. Biden-Sprecherin Karine Jean-Pierre sagte, dass der US-Präsident der Meinung sei, dass "der US-Flagge der gebührende Respekt geschuldet werden soll".
Expertin warnt vor einem "Großfeuer"
Der demokratische US-Senator für Hawaii, Brian Schalz, übte ebenfalls Kritik. "Nach dem Flaggenkodex der USA darf die amerikanische Flagge nur dann auf dem Kopf stehend gehisst werden, 'wenn eine extreme Gefahr für Leben oder Eigentum besteht'", schrieb er auf X. Für eine Person mit großer Macht, wie der Richter sie habe, sei dies eine eher extreme Reaktion, "selbst wenn diese Person wütend auf ihre Nachbarn ist".
"Anschein der Voreingenommenheit"
Der demokratische Vorsitzende des Justizausschusses des Senats, Dick Durbin, forderte Richter Samuel Alito auf, sich von Fällen zurückzuziehen, die Donald Trump und die Wahl 2020 betreffen. "Das Hissen einer umgedrehten amerikanischen Flagge – ein Symbol der sogenannten 'Stop the steal'-Bewegung – erweckt eindeutig den Anschein der Voreingenommenheit", sagte er laut "Guardian". "Stop the steal" (deutsch: Stopp den Diebstahl) war ein Slogan der Trump-Unterstützer, die wahrheitswidrig von einem Diebstahl der Wahl gesprochen hatten.
Gegen Mitglieder des Obersten Gerichts gibt es immer wieder Vorwürfe, dass sie beeinflussbar seien und gegen Regeln verstießen. So machte Clarence Thomas Schlagzeilen, weil er sich zu Luxusreisen von einem Großspender der Republikanischen Partei hatte einladen lassen. Das Gremium hat zwar ein Regelwerk im vergangenen Jahr beschlossen, es gibt aber keine Vorschriften, wie Verstöße gegen diese verfolgt und geahndet werden. Zwischen Demokraten und Republikanern gibt es einen Streit, ob und wie das Oberstes Gericht und seine Mitglieder kontrolliert werden können.
- theguardian.com: "White House refuses to comment on Alito reports but says Biden believes ‘American flag is sacred’ – live"
- nytimes.com: "At Justice Alito’s House, a ‘Stop the Steal’ Symbol on Display" (englisch)
- x.com: Beiträge von @ShannonBream und @alicia_bannon