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AfD-Skandalpolitiker Krah: Die Bullshit-Strategie


AfD-Skandalpolitiker Krah
Die Bullshit-Strategie


Aktualisiert am 12.05.2024Lesedauer: 6 Min.
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Krah in Holzkirchen: Er bezirzt die Medien.Vergrößern des Bildes
Krah in Holzkirchen: Hauptsache, die Kameras laufen. (Quelle: Stefan M. Prager)

AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah feiert sein Comeback – mit Jaguar und Models. Er will mit viel Show seine Skandale überspielen. Doch in der Partei bleiben sie besorgt.

Es ist ein Rahmen, ganz wie er Maximilian Krah gefällt: Der Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl ist in einem röhrenden Jaguar vorgefahren. Nun steht er in einem bayerischen Gasthaus, eine Hostess in Dirndl mit Deutschlandfahne rechts von sich, eine Hostess mit AfD-Fahne links von sich – und vor ihm ein halbes Dutzend Kameras. "Ich bin wieder da", sagt Krah in Anlehnung an eine Hitler-Komödie und lacht.

Krah war ein paar Tage abgetaucht. Er hat zwar Interviews gegeben, ist Parteiveranstaltungen aber ferngeblieben. Die Auszeit wollte er nicht, er musste sie nehmen: Der AfD-Vorstand hatte ihn kurzzeitig aus dem Verkehr gezogen. Einige AfD-Verbände verbannten ihn danach von ihren Wahlkampfveranstaltungen.

Der Grund sind gleich zwei Skandale, in die Krah verwickelt ist. Skandal 1: ein Spionageskandal. Krahs früherer Mitarbeiter Jian G. soll in Brüssel für China spioniert haben, der Generalbundesanwalt ermittelt in dem Fall, G. sitzt in Untersuchungshaft. Gegen Krah ermittelt die Behörde bisher nicht – doch Krah hat enge China-Kontakte, traf auf China-Reisen Mitarbeiter des chinesischen Geheimdienstes und stimmte im Parlament oft im Sinne Chinas ab.

Und dann wäre da noch Skandal 2: ein Beeinflussungs- und Bestechungsskandal rund um ein pro-russisches Netzwerk. Krahs Freund und Nummer zwei auf der AfD-EU-Liste, Petr Bystron, steht hier im Fokus und im Verdacht, Geld angenommen zu haben. Auch Krah aber pflegte zu den Strippenziehern des Netzwerks beste Kontakte, gab mehrere Interviews auf einer ihrer Plattformen.

Ablenkung im Krah-Stil

Es ist eigentlich mehr als genug für einen Spitzenkandidaten wenige Wochen vorm Wahltag. Doch die Sorge in der AfD ist groß, dass das noch nicht alles gewesen sein könnte. In den Chatgruppen der Partei kursieren Memes, die Krah mit spitzem China-Hut zeigen oder chinesische Offizielle, wie sie Krah "Volle Solidalität" wünschen.

Ganz ohne Spitzenkandidat aber geht es nicht, das weiß die AfD. Die Parteispitze ließ Krah deswegen bereits am 1. Mai einmal in Dresden auftreten – eingehegt von Bundeschef Tino Chrupalla und Sachsen-Chef Jörg Urban.

An diesem Samstag entfällt diese Kontrolle, im bayerischen Holzkirchen will Krah sein eigentliches Comeback feiern, von den Vorwürfen ganz im Krah-Stil ablenken. Alleiniger Stargast an diesem Tag: Krah. Die Strategie: Flute die Welt mit Bullshit. Weitere Auftritte in der kommenden Woche hat sein Team bereits fest geplant.

Es ist ein Testballon vor nur 50 Zuschauern, von denen einige nicht einmal AfD-Mitglieder, sondern "Sympathisanten" sind, wie sie sich selbst beschreiben. Um die Zuschauer aber geht es Krah auch nicht, sondern um die Medien, die nur für ihn ins kleine Holzkirchen gereist sind: das ZDF, der Bayerische Rundfunk, sogar ProSieben haben Kamerateams geschickt, dazu kommen eine gute Handvoll Print- und Onlinereporter.

Sie alle quetschen sich in die schmalen Gänge zwischen den Tischen, das Publikum sieht kaum noch etwas. Für die AfD-Wähler und -Sympathisanten ist das ein ungewohnter, ein absurder Anblick. "Hier sind ja mehr Reporter als wie Menschen", sagt ein Mann mit blauer AfD-Mütze und bunter Hose. Von einer "Premiere" spricht der Chef des Kreisverbands, Thomas Wittmann.

Köder für die Medien

Der Andrang verwundert nicht, Krahs Team hat für die Medien vorab Köder ausgelegt. Die "reaktionärste Wahlkampfparty" hatte das bayerische AfD-Mitglied und der Kopf hinter diesem Nachmittag, Jurij Kofner, in seinem Beschreibungstext in den sozialen Medien versprochen. Dazu zwei Models und einen Mustang für ein Fotoshooting. Eine Party solle es geben, ganz im "Mad Max"-Stil, versprach Kofner – also im Stil des dystopischen 70er-Jahre-Films, in dem Mel Gibson sich einsam durch eine moralisch verkommene Wüstenwelt ballert.

Der skandalträchtige und in Ungnade gefallene Krah als großer Held, auch noch angepriesen von Kofner, der wegen enger Kontakte in den Kreml selbst hochumstritten ist? Das ist guter Lockstoff für die Medien – und für andere Provokation pur.

Ursprünglich hätte Krahs Auftritt nicht in Holzkirchen, sondern im nahegelegenen Miesbach stattfinden sollen. Die Antifa aber hatte dort zu Protesten aufgerufen und der Wirt kurz vor der Veranstaltung abgesagt: Sein Auto sei zerkratzt, sein minderjähriger Sohn bedroht worden.

Auch in Holzkirchen taucht die Antifa rasch auf, positioniert sich von der Polizei beobachtet auf der anderen Straßenseite und ruft Slogans wie "Nazis raus" oder "Alerta, Alerta". Doch Krah und Kofner amüsieren sich darüber eher. "War es das schon?", ruft Kofner in ihre Richtung.

"Es muss sexy sein, es muss knallen", sagt Kofner t-online später draußen neben dem Jaguar, während er eine dicke Zigarre raucht. Die "sozialistische Revolution" sei schließlich bereits vollendet, in der Politik, den Medien, allen Institutionen herrsche eine "sozialistische Gedankenmehrheit". Kofner sagt: "Wir müssen laut sein, sonst werden wir mit unseren Inhalten nicht mehr gehört."

Inhalte? Reine Nebensache

Kofners und Krahs Strategie bewirkt aber natürlich das Gegenteil: Was Krah zu sagen hat, verkommt angesichts des Mottos, des Autos, der Frauen zur reinen Nebensache. Gut eine halbe Stunde wird er im Gastraum sprechen, die Frauen neben ihm durchgehend die Fahnen halten.

Das Motiv Mad Max passe, sagt Krah da. "Weil wir uns gegen eine Dystopie wehren." Man kämpfe gegen den Gender-, den Klimawahn. Nur in einem Punkt stimme das Motiv nicht: "Mad Max war ein Einzelgänger. Ich bin hier mit Freunden. Wir sind alle Mad Maxe."

Dann kritisiert er: Ursula von der Leyen habe ein Korruptionsverfahren an der Backe, die europäische Staatsanwaltschaft ermittle. "Das muss man erst mal hinkriegen", sagt Krah, gegen den die Dresdner Staatsanwaltschaft gerade ein Vorermittlungsverfahren wegen des China- wie des Russlands-Skandals gestartet hat.

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Alles nur Ablenkung, behauptet Krah. Denn die in Brüssel herrschenden Politiker, die wollten nicht, dass die hier versammelten Mad Maxe über Öko- und Genderwahn oder den Krieg sprechen. "Ihr sollt Spione suchen", sagt Krah. Das Publikum lacht und klatscht zum ersten Mal laut.

"Opfer einer Ausspionage"

Er selbst sei Opfer gewesen, behauptet Krah dann, das "Opfer einer Ausspionage" durch seinen chinesischen Ex-Mitarbeiter. Und der Verfassungsschutz habe ihn nicht davor gewarnt. Aber: "Daran, dass dieses Land den Bach runtergeht, daran sind nicht Spione schuld – sondern die Politiker, die uns zum Spionesuchen schicken."

Was Krah hier formuliert, ist inzwischen das Leitmotiv der gesamten AfD-Spitze in Krahs Spionageskandal. Die große Ausflucht, die große Chance der AfD. Jian G. nämlich hat laut Medienberichten jahrelang Informationen an den in der AfD so verhassten Verfassungsschutz geliefert, aus eigener Initiative, ohne Aufträge erhalten zu haben – bis der Inlandsgeheimdienst das sogenannte "Abschöpfen" wegen Spionageverdachts stoppte.

Der Verfassungsschutz hätte Krah warnen können, sei also allein schuld, Krah lediglich das Opfer – so verbreitet es die AfD offiziell nun unisono. Und das Motiv verfängt: Von t-online gefragt nach Krahs Skandalen, antworten die unterschiedlichsten Zuschauer in Holzkirchen ähnlich: Der Verfassungsschutz sei schuld, die Medien betrieben Kampagne. Krah sei unschuldig, mehr noch: unverdächtig.

"Der Verfassungsschutz hätte Krah warnen müssen", sagt ein 32 Jahre alter Projektmanager, der sich selbst als AfD-"Sympathisant" bezeichnet. Sie habe gar nicht mitbekommen, was das Problem sei, sagt eine 50-Jährige mit grauen Haaren und karierter Bluse. Regelmäßig aber frage sie sich bei all dem Irrglauben in der Welt: "Wo informieren sich die Leute heutzutage bloß?" Andere hier wollen gar nicht mit den Medien sprechen, lehnen jedes Gespräch ab.

Krah weiß, dass er auf die Medien- und Behördenskepsis der AfD-Wähler sicher setzen kann. Ein wenig Futter aber brauchte er, um sie zu nähren. Am Rande der Veranstaltung wird er t-online später sagen: Er habe "erleichtert ausgeatmet", als die Nachricht vom Verhältnis zwischen Jian G. und dem Verfassungsschutz erstmals in den Medien kursierte.

Die Presse hat Vorrang

Nach seiner Rede setzt Krah sich kurz ins Jaguar-Cabrio. Ein paar Fans steigen nacheinander auf den Beifahrersitz, lassen von einem Bekannten ein Foto von sich schießen. Währenddessen klicken die Kameras der professionellen Fotografen.

Danach pendelt Krah von Kamera zu Kamera, von Öffentlich-Rechtlichem Rundfunk zu Privatsender zu Onlinejournalist. "Hinterher!", raunt ein Freund von Krah den beiden Models zu, wenn die mit den Fahnen hinter Krah zurückfallen und miteinander russisch sprechen.

Parteimitglieder und Sympathisanten, die mit Krah reden wollen, landen in der zweiten Reihe und müssen lange warten. Krahs Priorität an diesem Nachmittag ist klar: Die Presse hat erst mal Vorrang.

In diesem Punkt stimmt das Mad-Max-Motiv dann doch, allerdings anders als von Krah behauptet: Mad Max bleibt Einzelgänger – und kämpft vor allem für sich selbst.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen und Gespräche in Holzkirchen
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