Reise ins einstige Schlesien Hier können Sie echte Märchenschlösser bewundern
Dutzende Schlösser, Burgen und Herrenhäuser im Oppelner Land. Sie überlebten die wechselvolle Geschichte Schlesiens. Was ist vom feudalen Glanz geblieben?
Die polnische Woiwodschaft Oppeln (Opole) zwischen Breslau und Kattowitz ist geprägt von den Resten herrschaftlicher Anwesen. Die Paläste aus dem Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert erzählen als Zeitzeugen von ihrer dramatischen Vergangenheit, die für das einstige Schlesien charakteristisch ist.
In Polens Gegenwart ist ihnen neues Leben eingehaucht worden, und die Landschaft voller beeindruckender Kulturdenkmäler lädt nicht nur Romantiker und Nostalgiker ein.
Historischer Park wiederbelebt
Eine leere Rasenfläche in der Mitte einer Verkehrsinsel: Wo sich heute die Straßen sternförmig treffen, thronte einst das riesige Schloss von Carlsruhe (Pokój). Herzöge von Württemberg und deren Nachfahren lebten in dem schlesischen Kurort bis kurz vor dem Kriegsende 1945. Dann kam die Rote Armee.
"Auch wenn das Schloss verloren ist, seinem Garten pflanzen wir wieder neues Leben ein", sagt Hubert Kolodziej. Der Leiter des Vereins Carlsruhe lotst auf sanierten Wegen durch den weitläufigen Landschaftspark.
Unter alten Bäumen geht es hin zu Tempeln, Findlingen und Wasserbecken. Tausende frisch gesetzte Stauden lassen den einstigen Schlossgarten im modernen Pflanzengewand neu erblühen. 2022 sind auf wundersame Weise Stücke des Schlossinventars aufgetaucht: 60 Holzkisten mit Gold, Silber, Porzellan. Dieser Schatz wird künftig ausgestellt. Pokój, der Name des Dorfes, heißt übersetzt übrigens: "Frieden".
Oppeln
Die Woiwodschaft Oppeln (Opole) befindet sich zwischen Ober- und Niederschlesien im Südwesten Polens, an der Grenze zu Tschechien. Einige Orte sind zweisprachig, neben Polnisch wird auch Deutsch gesprochen.
Von polnischen Fürsten
Seit der Renaissance steht im Städtchen Brieg (Brzeg) das Piastenschloss. Noch immer schauen die Fürstenfiguren der polnischen Dynastie der Piasten von der kunstvollen Fassade auf die eintretenden Besucher herab.
Drinnen im Schloss lässt einen das Museum mit seiner schlesischen Kunst in die von Hoffnung und Enttäuschung geprägte Geschichte Polens eintauchen. Die Ausstellung zeigt etwa historische Sarkophage polnischer Herrscher und monumentale Gemälde. Die Objekte vermitteln eine Ahnung davon, was polnische Identität ausmacht.
Im Rathaus der einstigen Residenzstadt schwebt von der Decke der barocken Amtsstube dennoch der schwarze preußische Adler. "Dieses aufwendig geschnitzte Kabinett sollte die Herrschaft Preußens in Schlesien ab 1742 glorifizieren", erklärt Tadeusz Jurek, der Besucher fachkundig durch Brieg führt.
Märchenschloss in Schlesien
In der preußischen Herrschaftsära entstanden in Schlesien viele Paläste. Kohle und Erz verhalfen den Bauherren zu Reichtum, den sie zur Schau stellen wollten. So ließ etwa die Industriellenfamilie Tiele-Winkler 1896 in Klein Strehlitz (Strzeleczki) das pompöse Schloss Moschen (Moszna) errichten.
Mit seinen Türmchen und Erkern wirkt es wie ein Märchenschloss à la Disneyland. Der Stilmix der Fassade setzt sich im Inneren fort. Dem deutschen Kaiser Wilhelm II. soll es gefallen haben. Er kam mehrmals hierher.
Im Schlosspark rund um das Wasserbassin mit den rhythmischen Fontänen tummeln sich die Ausflügler. Leiser wird es auf der langen Lindenallee, die ein Reich aus üppigen Rhododendren und Azaleen durchzieht.
Ritterburg mit Patina
Die Dichte an Schlössern in der Region Oppeln ist noch immer groß, selbst wenn Hunderte von Kulturdenkmälern im Laufe der Zeit zerstört wurden. An vielen, die noch stehen, bröckelt allerdings der Putz.
Zumindest das Dach von Schloss Falkenberg (Niemodlin) wurde erneuert. Überall in der burgähnlichen Festung hat aber die Geschichte auch ihre nagenden Spuren hinterlassen. Bekannt ist das Schloss für ein Replikat des berühmten Bernsteinzimmers.
Im Burgpark spielen Kinder mit Plastikschwertern Ritterspiele. Vermutlich hat sie das Sammelsurium von alten Waffen, Rüstungen und Folterwerkzeugen in den mächtigen Kellergewölben der Bastion dazu animiert. Unterirdische Tunnel, geheime Gänge und uralte Sarkophage verursachen einen Schauer.
Schloss als Hotel
Auch in der Eingangshalle von Schloss Zülzhof (Pałac Sulisław) in Grottkau (Grodków) empfangen eiserne Rittergestalten den Gast. Dabei stammt das renovierte Gebäude im neogotischen Stil aus dem 19. Jahrhundert. Der einstige Adelssitz wurde in ein weitläufiges Hotelresort verwandelt.
In dem Speisesaal mit Stuck, Holzvertäfelung und einem deckenhohen Kachelofen wird Rinderroulade mit Klößen und Blaukraut serviert, davor die Sauermehlsuppe Żur. Überall im Oppelner Land sind diese schlesischen Spezialitäten zu probieren.
Schlesischer Wein
Vegetarische Piroggen und typischen Streuselkuchen mit Mohn bereitet die Küche des kleinen Schlosshotels Pałac Pawłowice frisch zu. Dazu bietet das familiengeführte Herrenhaus eine Besonderheit: Wein vom eigenen Weinberg.
"Mein Mann war eigens in Deutschland zum Weinbaustudium", sagt Karolina Godyla. 2015 bepflanzte Familie Godyla ihren ersten Hektar mit Weinreben und knüpfte an eine Tradition aus dem 19. Jahrhundert an. Während in kommunistischer Zeit polnischer Wein im Land unpopulär war, ist die Nachfrage heute groß.
Jagdhaus im Grünen
Tief im Wald liegt das Jagdschloss Bozejow. Ausgestopfte Bären, Dachse und Vielfraße bestücken das Treppenhaus, neben Geweihen und 50 Wanduhren. Mirosław Garack hat das großzügige Landhaus gekauft und saniert. "Dabei wollte ich seinen Charakter erhalten", sagt der Hausherr, der selbst unter dem Dach wohnt. Da knarrt so manche Holzdiele in den authentisch hergerichteten Gästezimmern.
Draußen grasen die Pferde. Wie früher wird angespannt: Die Jagdkutsche gleitet durch die ausgedehnten Wälder. In den Dörfern tauchen auf den Friedhöfen alte deutsche Grabsteine auf.
Venedig in Oppeln
Wie viele Baudenkmäler in der Woiwodschaft verschwand auch die Burg in der gleichnamigen Stadt Oppeln (Opole), einst Hauptstadt Oberschlesiens. Dies geschah jedoch nicht 1945, zu Ende des Zweiten Weltkrieges, sondern bereits 1928. Übrig blieb der zylinderförmige Ziegelsteinturm aus dem Mittelalter.
"Mit seinen fast 50 Metern Höhe gilt der Piastenturm als Wahrzeichen von Opole", sagt der Stadtführer Eryk Latala und löscht das Licht im Inneren. Im dunklen Verlies ist jetzt das Fiepen und Rascheln von Ratten zu hören – Mittelalter-Feeling mit Gänsehaut. Die Geräusche sind aber nicht echt, sondern kommen aus Lautsprechern. Dann geht es 163 Stufen hinauf zur Aussichtsplattform. Ein weiter Blick eröffnet sich über das flache Oppelner Land und auf die Altstadt, zu Füßen des Turms.
Auf dem Marktplatz von Oppeln rund um das italienisch anmutende Rathaus lauschen Studenten in den Cafés unter freiem Himmel den Klängen eines Klaviers. Andere spazieren an den pastellfarbenen Bürgerhäusern vorbei bis zum "Oppelner Venedig" an der Oder. Farbig beleuchtete Gebäude spiegeln sich im Wasser des Mühlengrabens und zaubern besonders nachts eine malerische Stimmung.
- Nachrichtenagentur dpa