Späte Mutterschaft Schwangerschaft Ü50: Egoismus, Leichtsinn oder neue Normalität?
Als "spätgebärend" werden Schwangere schon ab dem 35. Lebensjahr bezeichnet. Dann steigen die Schwangerschaftsrisiken deutlich an. Umso mehr gilt das im reiferen Alter über 45. Der medizinische Fortschritt hebt jedoch die natürlichen Grenzen der Fruchtbarkeit auf. Die Folgen sind bedenklich.
Die Fälle sind selten, aber es werden mehr: Frauen können heutzutage ihre Familienplanung noch in einer Lebensphase umsetzen, in der sich der weibliche Körper schon auf die Wechseljahre umstellt.
Risiko von Komplikationen und Fehlgeburten
Fakt ist: Frauen, die rund um die Fünfzig ein Kind bekommen, müssen sich auf eine Hochrisikoschwangerschaft einstellen. Mit zunehmenden Alter wächst die Gefahr erheblicher Komplikationen:
- Schwangerschaftsvergiftung (Gestose)
- Bluthochdruck
- Ödeme
- Thrombose
- Schwangerschaftsdiabetes
- Schlechte Leberwerte
- Unterversorgung des Embryos im Mutterleib
Zudem steigt mit den Jahren das Risiko für Fehlgeburten: Einer dänischen Studie zufolge verlieren nur rund neun Prozent aller 20- bis 24-jährigen Schwangeren ihr Baby durch eine Fehlgeburt, aber 75 Prozent der über 45-Jährigen. Außerdem besteht bei Schwangeren über 50 eine dreimal höhere Wahrscheinlichkeit, dass das Kind zu klein oder viel zu früh auf die Welt kommt. Das fanden britische Forscher heraus.
Bemerkenswert ist allerdings, dass kindliche Fehlbildungen, die nicht auf einer Chromosomenstörung beruhen, bei Müttern zwischen 40 und 50 seltener vorkommen als bei jüngeren. Die Journalistin Petra Ritzunger und der Mediziner Ernst Weissenbacher erklären dies in ihrem Buch "Später Kinderwunsch – Chancen und Risiken" mit der engmaschigen medizinischen Betreuung von älteren Schwangeren. Allerdings ließen diese ein Kind auch eher abtreiben, wenn es nicht ganz "perfekt" sei.
Trend zu später Schwangerschaft bei Promis
Ungeachtet solcher Risiken streben immer mehr Stars nach spätem Mutterglück. Kürzlich machte Schauspielerin Caroline Beil Schlagzeilen, weil sie mit 50 noch einmal Mutter wurde. Kein Einzelfall: Auch Janet Jackson, Gianna Nannini, Ute Lemper, Susan Sarandon, Geena Davis , Holly Hunter, Halle Berry oder Sarah Connors Mutter Soraya bekamen noch Babys in einem Alter, in dem so manche Frau schon Oma ist.
Prominent wird auch jede andere Frau, die jenseits der 50 oder sogar 60 schwanger wird. Beispiele sind die Berlinerin Annegret Raunigk, die mit 65 Jahren Vierlingsmutter wurde, Zwillinge bei einer 60-jährigen Österreicherin und einer 58-jährigen Italienerin sowie eine Niederländerin, die mit 63 eine Tochter bekam.
Die meisten Ü50-Schwangeren sind "Erstmütter"
Auch wenn sich solche Fälle in der öffentlichen Wahrnehmung häufen, sind derart späte Schwangerschaften sehr selten: Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes kamen 2015 in Deutschland insgesamt 737.630 Kinder zur Welt. Nur 118 davon hatten Mütter, die bereits 50 Jahre oder älter waren. Für die Hälfte dieser Frauen war es das erste Baby.
Immerhin hat sich die Zahl der Ü50-Geburten seit 1999 vervierfacht. Das entspricht der Tendenz in Deutschland, dass das Durchschnittsalter von Schwangeren kontinuierlich ansteigt. Heute sind schon mehr als 25 Prozent älter als 35.
Schwangerschaft statt Menopause – Reproduktionsmedizin macht es möglich
Einen gewichtigen Anteil an dieser Entwicklung hat die moderne Fortpflanzungsmedizin. Sie macht für viele Paare das vermeintlich Unmögliche möglich. Durch neue Befruchtungsverfahren, die jedoch nicht in jedem Land legal sind, lassen sich sogar bei Frauen um die 50 die natürlichen Grenzen der Fruchtbarkeit überschreiten.
Kritiker mahnen jedoch immer wieder, dass nicht alles medizinisch Machbare auch gut ist. So kommentierte die Medizin-Psychologin Beate Schultz-Zehden in einem Gespräch mit "n-tv.de": "Nicht selten gehen Paare Wege, die nicht mit dem deutschen Recht vereinbar sind, und lassen sich im Ausland für viel Geld behandeln. Diese Menschen handeln aus meiner Sicht egoistisch und wenig verantwortungsvoll, weil sie nicht an die Zukunft des Kindes denken."
Späte Mutterschaft verschiebt soziales Gefüge
Die Psychologin skizziert, wie sehr eine späte Elternschaft die familiären Strukturen verändert: Eine Frau, die erst mit 50 ihr erstes Kind bekommt, hat später schlechte Chancen, eine fidele Oma zu sein. Umgekehrt haben ihre Kinder entweder keine Großeltern mehr, oder diese sind so alt, dass sie die Rolle von Ersatzeltern nicht mehr übernehmen können.
Andere Experten mahnen an, dass die Kindern sich viel zu früh um ihre betagten und womöglich gebrechlichen Mütter und Väter kümmern müssen. Das kehrt die sozialen Rollen um. Psychologen nennen dies Parentifizierung.
Spätes Wunschkind krönt den Lebensweg
Viele späte Mütter sind sehr gut ausgebildet und materiell abgesichert. Es handelt sich oft um erfolgreiche Akademikerinnen. Manche wollten nicht zugunsten einer Familie auf ihre Karriere verzichten oder fanden lange nicht den passenden Partner. Das Wunschkind im fortgeschrittenen Alter ist quasi das emotionale Sahnehäubchen ihres Lebensplans.
Die Psychologin Schultz-Zehden unterstellt durchaus egoistische Motive, wenn Frauen in einer Lebensphase Nachwuchs in die Welt setzen, in der andere bereits Enkel haben: "Manche wollen sich damit verjüngen und das Älterwerden ausblenden (…) Andere wiederum möchten durch eine späte Mutterschaft ihre Weiblichkeit noch einmal unter Beweis stellen."
Ungeplant schwanger – und das mit fast 50
Die einen wollen sich im reifen Alter um jeden Preis den Kinderwunsch erfüllen, die anderen werden aus Leichtsinn ungeplant schwanger. Ab Mitte Vierzig verhüten viele Frauen entweder gar nicht mehr oder nur noch sporadisch, weil sie davon ausgehen, dass es dann fast unmöglich ist, auf natürlichem Weg schwanger zu werden.
So erging es Gesa aus Frankfurt, die mit 48 überraschend noch einmal Mutter wurde. Ihre zwei ersten Kinder hatte sie mit 30 beziehungsweise 34 bekommen. Danach war für sie und ihren Mann die Familienplanung abgeschlossen. "Ich hätte ja im Traum nicht daran gedacht, dass wir nochmal Eltern werden. Da meine Regel nur noch unregelmäßig kam, bin ich fest davon ausgegangen, dass ich schon voll in der Menopause bin und eigentlich nichts mehr geht. Das war wohl ein Irrtum."
- Als Faustregel gilt: Frauen sollten auch in den Wechseljahren so lange verhüten, bis sie mindestens zwei Jahre lang keine Blutung mehr hatten.
Die Familie ist dankbar, dass der Nachzügler Julius kerngesund ist. Dennoch empfindet Gesa den Alltag als Mutter nun als wesentlich anstrengender als früher. "Ich stoße nun schneller an meine physischen Grenzen, wenn etwa stundenlanges Lego-Bauen auf dem Fußboden oder Toben im Garten meinen alten Knochen zusetzt."
Gesas Nervenkostüm ist dafür weniger anfällig. Immerhin hat sie schon zwei Kinder großgezogen. So bleibt sie in stressigen Situationen mit ihrem Kleinsten meist entspannt und abgeklärt.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.