Cholesterinsenker Inclisiran "Herzinfarktspritze" – wem sie hilft, wer sie bekommt
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hohe Cholesterinwerte gefährden das Herz und die Gefäße. Der neuere Wirkstoff Inclisiran soll vorbeugen. Wie funktioniert die "Spritze gegen Herzinfarkt"?
Zu viel Cholesterin im Blut bedeutet nachweislich ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das trifft vor allem auf LDL-Cholesterin zu, welches daher auch als "schlechtes Cholesterin" gilt: Lagert es sich in den Gefäßwänden ab, entsteht eher Arteriosklerose – umgangssprachlich Arterienverkalkung genannt. Zusammen mit anderen Risikofaktoren (wie etwa Bluthochdruck, Diabetes, Rauchen und starkem Übergewicht) begünstigen diese Gefäßveränderungen Herzinfarkte und Schlaganfälle.
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LDL steht für Low Density Lipoprotein (zu Deutsch: Lipoprotein niedriger Dichte). Seine Aufgabe besteht darin, Cholesterin über das Blut von der Leber zu anderen Organen und Geweben zu transportieren. Den Rücktransport von Cholesterin zurück zur Leber übernimmt LDL (High-Density-Lipoprotein beziehungsweise Lipoprotein hoher Dichte), das man wegen seines wohl geringeren Herz-Kreislauf-Risikos auch als "gutes Cholesterin" bezeichnet.
Die gute Nachricht: Der LDL-Cholesterinspiegel lässt sich beeinflussen. Wo eine gesündere Lebensweise dazu nicht ausreicht, können cholesterinsenkende Medikamente weiterhelfen. Am häufigsten kommen Statine zum Einsatz. Diese sind in der Regel als Tabletten täglich einzunehmen, um erhöhte Cholesterinwerte dauerhaft zu senken und so Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen. Doch mitunter geht es auch einfacher.
Neuerer Cholesterinsenker per Spritze unter die Haut
Eine erleichterte Dauertherapie können sich zumindest einige Betroffene von einem anderen Wirkstoff namens Inclisiran erhoffen, der erst seit wenigen Jahren als Cholesterinsenker zugelassen ist. Das auch als "Spritze gegen Herzinfarkt" bekannt gewordene Mittel wird (vorzugsweise am Bauch, alternativ am Oberarm oder Oberschenkel) unter die Haut gespritzt – und zwar
- einmal zu Behandlungsbeginn,
- erneut drei Monate danach und
- anschließend nur noch alle sechs Monate.
Denn anders als Statine und andere Cholesterinsenker hat Inclisiran eine lang anhaltende Wirkung, sodass auf Dauer eine Spritze pro Halbjahr genügt. Dieser Vorteil könnte dazu führen, dass es den Betroffenen insgesamt leichter fällt, ihren Therapieplan einzuhalten – wohingegen die Einnahme von Tabletten schnell einmal vergessen wird.
Wie wirkt die "Spritze gegen Herzinfarkt"?
Die Cholesterinsenkung durch Inclisiran beruht auf dessen Wirkung auf das körpereigene Enzym PCSK9, das am Abbau von Bindungsstellen (Rezeptoren) für LDL auf den Leberzellen beteiligt ist. Die "Spritze gegen Herzinfarkt" unterbindet direkt und gezielt die Herstellung des Enzyms, sodass weniger davon in der Leber vorhanden ist. Dieser Enzymmangel hat zur Folge,
- dass die Leberzellen mehr LDL-Rezeptoren besitzen als sonst,
- sodass die Leber mehr LDL-Cholesterin aus dem Blut aufnimmt und abbaut,
- wodurch der LDL-Cholesterinspiegel im Blut sinkt und
- im besten Fall die Entstehung von Arteriosklerose verhindert,
- damit das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko sinkt.
Die Therapie mit Inclisiran kann den LDL-Cholesterinwert nachweislich um rund 50 Prozent senken. Das ist aber noch kein Beweis für den gesundheitlichen Nutzen: Dass die halbjährlich verabreichte Spritze auch gegen Herzinfarkt, Schlaganfall und sonstige Herz-Kreislauf-Komplikationen wirkt und so die Lebenserwartung verlängert, ist noch nicht wissenschaftlich zweifelsfrei belegt – die Studien dazu laufen noch.
Für wen kommt die "Spritze gegen Herzinfarkt" infrage?
Noch ist die Anwendung von Inclisiran auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen stark begrenzt: Die "Spritze gegen Herzinfarkt" ist bislang nur für die Therapie von Erwachsenen gedacht,
- bei denen eine Ernährungsumstellung und andere Cholesterinsenker keine ausreichende Wirkung gezeigt haben und
- deren erhöhte Cholesterinwerte erblich bedingt sind, also nicht durch eine andere Erkrankung oder ungesunde Lebensweise verursacht werden (primäre Hypercholesterinämie) oder
- bei denen neben LDL-Cholesterin weitere Blutfette (Lipide) – die Triglyceride – in erhöhter Konzentration im Blut vorhanden sind (gemischte Dyslipidämie).
Dabei kann Inclisiran allein oder zusammen mit einem anderen Medikament zum Einsatz kommen:
- Wer Statine nicht verträgt oder aus medizinischen Gründen nicht einnehmen darf, kann Inclisiran allein oder in Kombination mit anderen Lipidsenkern verschrieben bekommen.
- Wenn die LDL-Cholesterinwerte trotz Therapie mit einem Statin in maximal verträglicher Dosis nicht wie gewünscht sinken, lässt sich Inclisiran mit einem Statin (und gegebenenfalls mit einem weiteren Lipidsenker) kombinieren.
Unter bestimmten Umständen ist Inclisiran allerdings nur eingeschränkt oder gar nicht geeignet. So ist der Wirkstoff etwa bei Menschen, deren Nieren- oder Leberfunktion schwer gestört ist, mit besonderer Vorsicht anzuwenden. Zudem sollten Frauen im Fall einer geplanten oder bestehenden Schwangerschaft sowie während der Stillzeit aus Sicherheitsgründen auf die "Herzinfarktspritze" verzichten.
Was ist bei der Therapie mit Inclisiran noch zu beachten?
Die cholesterinsenkende Therapie mit Inclisiran ist nach bisherigen Erfahrungen sicher und gut verträglich. Wenn Inclisiran Nebenwirkungen auslöst, handelt es sich hauptsächlich um leichte bis mäßige örtliche Reaktionen (wie Schmerzen oder Rötungen an der Einstichstelle), die nach kurzer Zeit wieder abklingen.
Wichtig ist dabei jedoch, die "Spritze gegen Herzinfarkt" nur an intakten Hautbereichen zu verabreichen – also nicht dort, wo die Haut infolge einer Erkrankung oder Schädigung verändert ist (etwa durch einen allergischen Ausschlag, eine Infektion oder einen Sonnenbrand).
Zudem ist zu beachten, dass ein Cholesterinsenker allein – egal, ob Inclisiran oder ein anderer Wirkstoff – nicht ausreicht, um ein hohes Herz-Kreislauf-Risiko ausreichend zu verringern. Wer Komplikationen wie Herzinfarkt und Schlaganfall verhindern möchte, sollte neben einem erhöhten LDL-Cholesterin unbedingt auch andere bekannte Risikofaktoren für Arteriosklerose ausschalten – also auf einen gesunden Lebensstil achten und Erkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes angemessen behandeln.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- "Arteriosklerose und kardiovaskuläre Prävention". Online-Informationen von AMBOSS: www.amboss.com (Stand: 6.8.2024)
- "Lipidsenker". Online-Informationen von AMBOSS: www.amboss.com (Stand: 3.4.2024)
- Pressemitteilung der Deutschen Herzstiftung e. V.: ""Spritze gegen Herzinfarkt": Wie sieht Kardiologe neuen Cholesterinsenker?" (19.12.2022)
- "Was ist Cholesterin und wie entsteht Arteriosklerose?" Online-Informationen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): www.gesundheitsinformatoin.de (Stand: 20.10.2021)
- "Inclisiran". Online-Informationen von Gelbe Liste Pharmaindex: www.gelbe-liste.de (Stand: 15.2.2021)
- "Inclisiran in der EU zugelassen: Cholesterinsenkung im Halbjahrestakt". Online-Informationen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. und des Bundesverbands Niedergelassener Kardiologen (BNK): www.kardiologie.org (Stand: 14.12.2020)