"Aufgeschobener" Kinderwunsch Warum Deutschlands Mütter immer älter werden
Immer mehr Frauen lassen sich Zeit mit dem Nachwuchs. Im Vergleich zu 1990 hat sich die Zahl der Ü40-Mütter fast vervierfacht. Ein Demografie-Forscher erklärt, warum das so ist.
Sie sagen "Ja" zum Kind, haben es mit dem Nachwuchs aber nicht mehr so eilig wie die Generation ihrer Mütter. Experten sprechen da von einem "aufgeschobenen" Kinderwunsch. Auch wenn längst nicht alle Frauen bis zum 40. Lebensjahr warten wollen, bis sie Mutter werden, ist die Zunahme älterer Mütter auffällig.
Im vergangenen Jahr war das bei 42.800 Geburten der Fall, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. In der Gesamtgruppe aller Mütter sei die Geburtenhäufigkeit der Frauen ab 40 mit 88 Kindern je tausend Frauen zwar relativ gering. Im Vergleich zu 1990 habe sich die Zahl aber fast vervierfacht.
Mehr Neugeborene als im Vorjahr
Insgesamt kamen im vergangenen Jahr 787.500 Kinder auf die Welt. Das waren rund 2.600 Neugeborene mehr als im Jahr 2017. Die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau blieb bei 1,57 Kindern. Das Durchschnittsalter der Frauen bei der Geburt des ersten Kindes lag bei 30 Jahren. Noch in den 1970er Jahren waren die westdeutschen Frauen bei der Geburt des ersten Kindes im Durchschnitt noch keine 25 Jahre alt, in der DDR sogar noch nicht einmal 22 Jahre.
Mathias Lerch vom Max-Planck-Institut für Demografische Forschung in Rostock ist nicht überrascht über die Statistikergebnisse. Zum einen habe sich die Bevölkerungsstruktur verändert: "Die Baby-Boomer, die in den 50er Jahren geboren wurden, hatten damals alle im Schnitt noch zwei Kinder – und diese Kinder sind heute im höheren gebärfähigen Alter", erklärt der stellvertretende Leiter des Arbeitsbereichs Fertilität und Wohlbefinden am Institut.
Hinzu komme eben der aufgeschobene Kinderwunsch: Frauen wollten nicht in ihren Zwanzigern gleich ein Kind, sondern konzentrierten sich auf Ausbildung oder Studium. Sie wollten beruflich Fuß fassen, aber auch reisen und das Leben genießen. "Und wenn die erste Geburt erst nach dem 30. Lebensjahr stattfindet, dann ist das Risiko hoch, dass die zweite nach dem 40. stattfinden wird", sagt Lerch über die späten Mütter.
Das späte Kinderglück sei da wörtlich zu nehmen: Studien zufolge fühlten sich ältere Eltern nach der Geburt ihres Kindes glücklicher als jüngere. "Ältere Eltern haben sich diese Geburt wahrscheinlich schon länger gewünscht", vermutet Lerch. Für jüngere Eltern hingegen könne es bei aller Freude über den Nachwuchs auch Konflikte mit den individuellen Plänen geben: "Die Jüngeren haben ihre individuellen Pläne vielleicht noch nicht umgesetzt, sind vielleicht noch in Ausbildung und arbeiten an ihrer Karriere. Da ist es natürlich eine Herausforderung, jetzt auch noch an der Familie zu arbeiten. Aber auf der anderen Seite sind die auch jünger und haben mehr Power und Energie, um das alles zu bewältigen."
Dass jüngere Familien mehr Probleme haben, von spontanen Partys und Reisen plötzlich auf schlafarme Nächte und die Versorgung eines Babys umzusteigen als ältere Paare, glaubt der Wissenschaftler aber nicht: "Wenn man 20 Jahre lang die große Freiheit gelebt hat und plötzlich ist alles ganz anders, ist das vielleicht noch eine größere Umstellung, als wenn man das vielleicht nur fünf Jahre nach dem Studium erlebt hat und dann Eltern wird."
Hamburg, Berlin und Bremen besonders kinderreich
Auffällig ist aber nicht nur, in welchem Lebensalter der Nachwuchs kommt, sondern auch der Ort: Bezogen auf die Einwohnerzahl waren die Stadtstaaten im vergangenen Jahr besonders geburtenreich. An erster Stelle standen hier 2018 die Hamburger mit zwölf Kindern sowie Berlin und Bremen mit jeweils elf Kindern je 1.000 Einwohner. In den Bundesländern mit einer verhältnismäßig alten Bevölkerung und weniger potenziellen Eltern wurden dagegen im Verhältnis zur Einwohnerzahl weniger Kinder geboren.
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"Es gibt eine geografische Verschiebung der Fruchtbarkeit rund um die Ballungszentren", sagt auch Demografie-Forscher Lerch. Das könne man nicht nur in Deutschland, auch in anderen Ländern beobachten, wo die "Speckgürtel" der Städte durch die hohe Anzahl von Familien geprägt seien. Dort sei die Fruchtbarkeit größer als in den innerstädtischen Zentren oder an der Peripherie.
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- Nachrichtenagentur dpa