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Binge-Eating-Störung stoppen: Was Therapie und Selbsttherapie bringen


Therapie und Selbsttherapie
Wie sich eine Binge-Eating-Störung stoppen lässt


Aktualisiert am 22.10.2022Lesedauer: 5 Min.
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Eine Frau sitzt auf dem Boden und blickt auf ihr Smartphone.Vergrößern des Bildes
Manche Betroffene versuchen ihre Binge-Eating-Störung durch eine "Selbsttherapie" per App unter Kontrolle zu bringen – derartige Onlineprogramme helfen aber nur bedingt. (Quelle: Maria Korneeva/getty-images-bilder)

Eine Binge-Eating-Störung lässt sich durch eine Psychotherapie überwinden. Was eine "Selbsttherapie" etwa per App bewirken kann, erfahren Sie hier.

"Binge-Eating" heißt auf Deutsch so viel wie "Essanfall". Die Binge-Eating-Störung zeichnet sich dadurch aus, dass die Betroffenen immer wieder anfallsartig große Mengen an Nahrung zu sich nehmen. Nicht aus bloßem Hunger, sondern weil das Essen ihnen kurzfristig hilft, mit leidvollen seelischen Zuständen fertigzuwerden.

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Die Binge-Eating-Störung hat also psychische Ursachen. Zudem geht sie für gewöhnlich mit einer Reihe von seelischen Problemen einher. Die Betroffenen haben häufig ein schwaches Selbstwertgefühl und ein konfliktreiches Verhältnis zu ihrem eigenen Körper. Viele erleben ihre Beziehungen zu nahestehenden Menschen als belastet. Bei vielen tritt die Störung gemeinsam mit anderen psychischen Erkrankungen auf, etwa Angststörungen, Depressionen oder einer Alkoholsucht.

Hinzu kommen die bedrückenden Gemütszustände, die im Zuge der Anfälle aufkommen: Meist verspüren die Betroffenen währenddessen und anschließend Scham, Ekel und ein Gefühl des Kontrollverlustes.

All das macht deutlich, dass es sich bei der Binge-Eating-Störung um eine ernst zu nehmende psychische Erkrankung handelt, die einer professionellen Behandlung bedarf. Erhalten die Erkrankten rechtzeitig seelische Unterstützung, besteht für sie eine gute Chance, die Anfälle zu überwinden und die zugrunde liegenden seelischen Probleme zu bewältigen.

Diese Psychotherapie gilt bei einer Binge-Eating-Störung als wirksam

Wer sich auf die Suche nach einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten begibt, wird rasch feststellen, dass in den Praxen unterschiedliche Therapieformen angeboten werden. Gängig sind insbesondere jene vier Verfahren, die von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden: die Verhaltenstherapie, die tiefenpsychologisch fundierte Therapie, die analytische Psychotherapie und die systemische Therapie.

Jedes dieser Verfahren hat sich in Studien als wirksam erwiesen – allerdings jeweils nicht im Hinblick auf jede psychische Krankheit. So lässt sich auch für die Binge-Eating-Störung noch nicht mit Gewissheit sagen, welche Art von Behandlung am besten geeignet ist: Zur Wirksamkeit der analytischen und systemischen Psychotherapie reichen die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht aus, um daraus eine sichere Empfehlung ableiten zu können.

Am besten belegt ist bislang der Nutzen der kognitiven Verhaltenstherapie. Bei dieser Behandlungsform sprechen Betroffene in der Regel einmal in der Woche mit einer Therapeutin oder einem Therapeuten über ihre Essstörung. Die einzelnen Sitzungen dauern üblicherweise fünfzig Minuten. In den Gesprächen geht es zunächst um die Frage, wie genau es zu den Essanfällen kommt: Welche Gedanken und Gefühle treiben sie dazu? In welchen Situationen kommen diese belastenden Gedanken und Gefühle auf?

Im nächsten Schritt lernen die Erkrankten, die problematischen Situationen aus einem neuen Blickwinkel heraus zu betrachten. Gelingt es ihnen, anders über das Geschehen nachzudenken, erleben sie es im besten Fall nicht mehr als so leidvoll und sind somit weniger anfällig für Essanfälle.

Zugleich entwickeln die Betroffenen unter Anleitung der Therapeutin oder des Therapeuten Strategien, um negative Emotionen auf gesündere Weise zu bewältigen. Da psychische Belastungen sich nicht ganz vermeiden oder durch eine veränderte Einstellung problemlos ertragen lassen, ist ein gesunder Umgang damit ein wichtiger Bestandteil der Therapie.

Um nicht wieder in alte Muster zu verfallen, sollen die neuen Bewältigungsstrategien und Verhaltensweisen schließlich eingeübt werden.

Wie Studien zeigen, funktioniert das: Die Therapie konnte einem Großteil der Probandinnen und Probanden dabei helfen, ihre Essanfälle in den Griff zu bekommen. Auch die psychischen Begleitsymptome besserten sich teilweise. Auf das Gewicht der Betroffenen, welches bei dieser Essstörung häufig in einem ungesund hohen Bereich liegt, hatte die Therapie jedoch keinen großen Einfluss

Auch andere Therapieverfahren können bei Binge-Eating helfen

Die kognitive Verhaltenstherapie kann den Symptomen der Binge-Eating-Störung nachweislich entgegenwirken. Dennoch ist sie nicht unbedingt für alle Menschen mit dieser Störung die beste Wahl. Gerade wenn ihr tiefgreifende seelische Konflikte zugrunde liegen, ist die eher pragmatisch ausgerichtete Verhaltenstherapie womöglich nicht optimal geeignet.

In diesem Fall regt sich bei den Betroffenen nämlich unter Umständen nicht nur der Wunsch, ihre Symptome unter Kontrolle zu bringen, sondern mitunter auch das Bedürfnis, den seelischen Ursachen genauer auf den Grund zu gehen.

Für sie kommt anstelle der Verhaltenstherapie eine tiefenpsychologisch fundierte Therapie infrage. Zu deren Wirksamkeit bei der Binge-Eating-Störung wurden bislang zwar vergleichsweise wenige Studien durchgeführt. Die verfügbaren Untersuchungen zeigen aber, dass diese Therapieform wirkt.

Den Ergebnissen zufolge lassen sich die Essanfälle dadurch nicht so schnell und effektiv reduzieren wie durch eine Verhaltenstherapie. Dafür erhalten die Patientinnen und Patienten die Chance, sich auf tiefgründigere Weise mit ihrer Psyche auseinanderzusetzen.

Darin besteht nämlich der Grundgedanke der tiefenpsychologisch fundierten Therapie: Es geht darum, die unbewussten seelischen Vorgänge zu erforschen, die das Denken und Fühlen beeinflussen und für die krank machenden Empfindungen und Verhaltensmuster verantwortlich sind. Da diese meist durch die ersten Bezugspersonen geprägt wurden, ist es bei dieser Therapieform üblich, den Blick in die Vergangenheit zu richten und sich mit der Beziehung zu den Eltern zu befassen.

Was bringt eine "Selbsttherapie" bei der Binge-Eating-Störung?

Einer fremden Person von den Essanfällen zu erzählen, kostet Überwindung und ist für die Betroffenen oftmals mit Scham verbunden. Außerdem müssen sie, wenn sie sich in Therapie begeben möchten, häufig mit einer langen Wartezeit rechnen. Nicht selten beträgt diese Wochen bis Monate.

Aus diesen Gründen suchen manche Erkrankte nach Wegen, um ihre Binge-Eating-Störung eigenständig und ohne fremde Hilfe in den Griff zu bekommen. Sie wünschen sich eine "Selbsttherapie" – und werden bei einer Internetsuche nach entsprechenden Angeboten schnell fündig: Neben Selbsthilfegruppen und Ratgeberbüchern finden sich unter den Treffern auch Online-Behandlungsprogramme, teils in Form von Apps.

Wie hilfreich diese sind, ist für die Betroffenen nicht gleich ersichtlich. Pauschal lässt sich dies auch nicht sagen. Wissenschaftliche Untersuchungen legen nahe, dass spezielle Selbsthilfeprogramme durchaus etwas gegen die Symptome der Binge-Eating-Störung ausrichten können, insbesondere gegen die Essanfälle.

In den Studien wurden vorwiegend Selbsthilfeprogramme erprobt, die auf den Prinzipien der kognitiven Verhaltenstherapie fußen. Inhaltlich und in ihrem Ablauf ähneln diese Programme also der nachweislich wirksamen Verhaltenstherapie.

Anstatt mit einer Therapeutin oder einem Therapeuten zu sprechen, erhielten die Erkrankten die notwendigen Informationen und Anleitungen in Form von Büchern, über Internetplattformen oder per Mail. Das macht offenbar durchaus einen Unterschied: In einigen Untersuchungen zeigte sich, dass die Selbsttherapie möglicherweise nicht so gut wirkt wie die klassische Behandlung mit regelmäßigen persönlichen Therapiegesprächen.

Welches Programm ist zu empfehlen?

Von den verschiedenen hierzulande verfügbaren Onlineprogrammen und Apps wurden bislang nur einzelne gezielt auf die Wirksamkeit bei einer Binge-Eating-Störung hin getestet. Wer solch ein Selbsthilfeprogramm ausprobieren möchte, sollte sich also zunächst danach erkundigen, ob es für dessen Nutzen bereits wissenschaftliche Nachweise gibt oder nicht.

Bei der Einschätzung kann die Hausärztin oder der Hausarzt helfen. Inzwischen ist es Ärztinnen oder Ärzten sogar gesetzlich möglich, bestimmte sogenannte digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) zu verordnen, zu denen auch besagte Apps und Onlineprogramme zählen. Die Krankenkasse übernimmt in diesem Fall die Kosten für die Behandlung.

Was ist mit "klassischer" Selbsthilfe durch Gruppen oder Bücher?

Bei den Ratgeberbüchern gibt es große qualitative Unterschiede, und selbst wissenschaftlich fundierte Werke können eine Behandlung nicht ersetzen.

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Selbsthilfegruppen können eine sinnvolle Ergänzung zur Therapie darstellen. Sie haben jedoch eher eine unterstützende als eine therapeutische Wirkung und bieten somit keine echte Alternative zur professionellen Behandlung.

Wer Hemmungen hat, sich einer Therapeutin oder einem Therapeutin anzuvertrauen, kann zunächst bei einer Online- und Telefonberatungsstelle anrufen, zum Beispiel das Beratungstelefon der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), erreichbar unter 0221 892031.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Online-Informationen von Deximed: deximed.de (Abrufdatum: 21.10.2022)
  • Online-Informationen von AMBOSS: www.amboss.com (Abrufdatum: 21.10.2022)
  • Online-Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): www.bzga-essstoerungen.de (Abrufdatum: 21.10.2022)
  • "E-Health: Onlineangebote zur Beratung und Behandlung von Essstörungen" (PDF). Online-Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): www.bzga-essstoerungen.de (Stand: Februar 2022)
  • Hilbert, A., et al.: "Meta-analysis of the efficacy of psychological and medical treatments for binge-eating disorder". Journal of consulting and clinical psychology, Vol. 87, Iss. 1, pp. 91-105 (Januar 2019)
  • Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM): "S3-Leitlinie Diagnostik und Behandlung der Essstörungen" (PDF). AWMF-Leitlinien-Register Nr. 051/026 (Stand: 31.5.2018)
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