Trumps Showdown mit dem Pornostar Das Gegenteil einer Entzauberung
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Mit der Zeugenaussage der Pornodarstellerin Stormy Daniels werden im Trump-Prozess schmutzige Details bekannt. Doch wer denkt, dies würde den Ex-Präsidenten demütigen, verkennt die Tragweite dieses Prozesses.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Bevor es zum Sex ohne Kondom gekommen sein soll, habe Donald Trump einen Pyjama aus Satin getragen. So wie einst der amerikanische Playboy Hugh Hefner. Trump soll sich von der Pornodarstellerin Stormy Daniels haben verhauen lassen. Mit einer zusammengerollten Zeitschrift. Danach sei er nicht mehr so arrogant gewesen. Sondern viel freundlicher.
Der damals 60 Jahre alte Trump soll zu der blonden, Ende 20-Jährigen Daniels gesagt haben, sie erinnere ihn an seine eigene Tochter Ivanka. Mit seiner dritten Ehefrau, Melania Trump, die gerade den gemeinsamen Sohn Barron geboren hatte, soll er nicht einmal mehr im selben Bett geschlafen haben.
All diese Aussagen über eine folgenreiche Nacht im Jahr 2006 mit Donald Trump stammen von der Pornodarstellerin Stormy Daniels, die mit bürgerlichem Namen Stephanie Clifford heißt. Ihre Schilderungen trug sie im Zeugenstand beim historischen Prozess gegen den ehemaligen US-Präsidenten vor, und sie waren ungeheuer detailreich.
Die Öffentlichkeit hätte womöglich noch viel mehr erfahren. Aber immer wieder stoppte der Richter Juan Merchan die Zeugin sowie die New Yorker Staatsanwaltschaft und gab den vielen Einsprüchen von Trumps Verteidigern statt.
Anderen würde das schaden
Wäre Donald Trump nicht Donald Trump, wären all diese privaten Einzelheiten vermutlich ein politisches Todesurteil. Die Affäre des ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton mit seiner Praktikantin Monica Lewinsky kostete ihn damals fast das Amt. In den Augen vieler Wählerinnern und Wähler sind auch die mutmaßlichen Taten Donald Trumps nicht nur glaubhaft und geschmacklos. Sie sind auch unwürdig für einen Mann, der bald wieder das mächtigste Land der Erde vertreten will.
Doch so sehr viele amerikanische Medien diese Details als extrem demütigend bewerten, so wenig dürften sie dem inzwischen 77 Jahre alten Kandidaten der Republikaner am Ende anhaben. Von einer Entzauberung kann jedenfalls keine Rede sein. Im Gegenteil: Der Prozess ist eine Bestätigung dessen, was Trump schon immer war.
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Es ist zwar offensichtlich: Donald Trump gefällt gar nicht, was in diesem Prozess aktenkundig und damit offiziell über ihn ans Licht kommt. Bis heute streitet er ab, Stephanie Clifford – die Frau, der Schweigegeld gezahlt wurde – überhaupt zu kennen. Seiner Version nach wollte sie ihn damals im Wahlkampf 2016 mit einer Lügengeschichte erpressen, um Geld zu machen. Trump nennt sie abfällig "Pferdegesicht". In seinen Augen ist das schon ein Beleg dafür, dass er Stormy Daniels ohnehin nicht als ausreichend attraktiv empfindet.
Natürlich streitet Trump alles ab. Er leugnet auch seine Verantwortung für den Sturm auf das Kapitol. Er legitimiert zudem die Mitnahme offizieller und sogar geheimer Regierungsdokumente. Und er erkennt bis heute das Wahlergebnis aus dem Jahr 2020 nicht an.
Selbst wenn er am Ende in New York, Miami, Washington oder in Georgia schuldig gesprochen werden sollte, wird sich daran vermutlich nichts ändern. Dann bleiben die Prozesse für ihn und seine Anhänger trotzdem eine politische "Hexenjagd". Die Richter und Staatsanwälte gelten für ihn ohnehin als befangen. Sollten sich auch die Jurymitglieder gegen ihn stellen, wird er wohl auch sie als parteiisch, gekauft oder sonst wie beeinflusst darstellen.
Es bleibt seine Bühne
Dieser vehemente Abwehrkampf ist Teil einer Show, die Donald Trump wie wohl kein Zweiter beherrscht. Viel wurde darüber geschrieben, dass der Ex-Präsident im Gerichtssaal seiner Bühne beraubt sei, weil dort nun mal die Regeln der Justiz gelten. Trump muss dort tatsächlich fast täglich stundenlang stumm dasitzen und darf lediglich beobachten.
Die Bühne aber gehört trotzdem ihm. Darüber können auch die vielen teils hämischen Beobachtungen nicht hinwegtäuschen, die Trump als müde, alt und mürrisch abstempeln. Was darin zum Ausdruck kommt, wirkt eher wie Wunschdenken und nicht wie Wirklichkeit.
Denn sobald es im Verfahren eine Pause gibt, spricht Trump im Gang in jene Fernsehkameras, die im Gerichtssaal verboten sind. Er gibt Statements ab, vorher und nachher. Über seine Social-Media-Kanäle verbreitet er ungehindert seine Botschaften.
Selbst Tausende Dollar an Bußgeldern und angedrohte Haftstrafen halten ihn nicht davon ab, sich abfällig über den Prozess in New York zu äußern. Während die Öffentlichkeit von dem Verfahren nur in Ausschnitten über die Medien erfährt, sendet Trump nahezu ungefiltert weiter. Wäre es in New York wie an vielen anderen Orten der USA erlaubt, live aus dem Gerichtssaal zu übertragen, wäre das womöglich anders.
Details, die nicht überraschen
Die Details, die in diesem ersten Prozess gegen Trump bekannt werden, sind zwar bemerkenswert. Doch in Wahrheit überraschen sie nicht. Genau so, wie die Zeugen Trumps Verhalten beschreiben, denken die meisten wohl ohnehin von ihm.
Seit Jahrzehnten hat Trump den Ruf als Schwerenöter, Playboy, skrupelloser Geschäftsmann und Gauner. In den Augen vieler Amerikaner gilt sein Lebensstil trotzdem als erstrebenswert. Trump ist für sie ein Lebemann, der es geschafft hat. Ein Mann, der gerade wegen seiner Sünden vielen Leuten offenbar als näher erscheint als die glatt gebügelten Karrieristen in Washington.
Zumindest für die Wahlen im Herbst wird es voraussichtlich unerheblich sein, ob Donald Trump eine Affäre mit der Pornodarstellerin Stormy Daniels hatte oder nicht. Viele Demokraten mögen sich zwar etwas anderes erhoffen. Aber die übergroße Mehrheit seiner Wählerinnen und Wähler sieht über solche Eskapaden großzügig und offensichtlich ganz bewusst hinweg. Selbst wenn Trump am Ende dafür schuldig gesprochen werden sollte, dass er die Schweigegeld-Zahlungen als Wahlkampfmittel einsetzte und verschleierte, dürfte das kaum etwas ändern.
Ein Erfolg für Trump
Schon in seinem ersten Wahlkampf gegen Hillary Clinton ließen sich die Amerikaner nicht davon abhalten, diesem Mann ihre Stimme zu geben. Dabei musste damals auch dem Letzten klar gewesen sein, dass Trump Frauen als Sexobjekte sieht. Auf einer durchgestochenen Aufnahme war das für jeden hörbar geworden, als Trump sagte, man könne Frauen einfach zwischen die Beine greifen. Millionen Menschen wählen ihn bis heute trotzdem. Und viele wahrscheinlich gerade deswegen.
Ausgerechnet dieser Porno-Prozess von New York ist für Donald Trump ein Erfolg. Denn er bietet jenes Entertainment, für das er berühmt ist. Es ist geschmacklos. Es ist glamourös. Und es wirkt glaubwürdig.
Ob es auch gesetzeswidrig ist, das werden am Ende die zwölf Geschworenen bestimmen. Ob es dann auch noch gegen seine Wiederwahl spricht, ist eine Frage, welche die Amerikanerinnen und Amerikaner im November beantworten werden.
- Eigene Beobachtungen vor Ort
- Liveblog der "New York Times"