Bohlens DSDS-Comeback RTL hat einen Fehler gemacht
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Dieter Bohlen ist zurück als Juror bei "Deutschland sucht den Superstar". Der Auftakt der Jubiläumsstaffel offenbart bei ihm ein völlig neues Gesicht.
Das Experiment ging schief. Vergangenes Jahr wollte sich RTL von Dieter Bohlen emanzipieren, engagierte Florian Silbereisen als neuen Chefjuror – doch kaum einer schaltete DSDS ein. Den Quoten-Albtraum wollte man sich nicht noch einmal antun, also holte man Bohlen zurück. Die diesjährige Jubiläumsstaffel – DSDS läuft bereits zum 20. Mal im deutschen Fernsehen – soll nun die letzte sein. RTL will das Format danach begraben.
Das ist ein Fehler, muss man nach dem DSDS-Auftakt sagen. Denn wer hätte das gedacht, aber: Dieter Bohlen ist gar nicht mehr der gehässige, dauerspottende Macho-Juror. Beim 68-Jährigen scheint sich Altersmilde eingestellt zu haben – oder nach einem Jahr Pause die Erkenntnis, dass es keine üblen Verunglimpfungen und fiesen Sprüche braucht, um ein guter Juror zu sein.
"Du hast alles, was wir hier nicht brauchen"
RTL hat für die vermeintlich finale Staffel "Deutschland sucht den Superstar" bis auf die Bohlen-Nummer wenig geändert. Alles fühlt sich ganz normal an: Großstadt-Panoramen aus Köln oder Hamburg im Hintergrund, mal talentierte, mal peinliche Kandidaten – und vier Juroren hinter einem geschwungenen Tisch mit dem Sendungslogo darauf. Zugegeben: Der Jury-Tresen ist etwas goldener als sonst und Laura Wontorra erstmals als Moderatorin im Einsatz. Aber sonst? Althergebrachtes statt Innovationsgeist.
Die Strategie der Showmacher scheint klar: Lassen wir die Zuschauer noch ein letztes Mal in Nostalgie schwelgen. Bloß keine Veränderungen und das treue Castingshow-Publikum verschrecken. Da hätte ein Dieter Bohlen in alter Dampfwalzen-Manier doch eigentlich gut ins Schema gepasst. Schön draufhauen auf die armen Seelen, sie mit gepfefferten Verbalattacken nach Hause jagen.
Doch auch an Dieter Bohlen scheint die massive Kritik der vergangenen Jahre nicht vorbeigegangen zu sein. Er ist sanfter geworden, ohne dabei seinen Markenkern verloren zu haben: Musikalisch solide Einschätzungen liefern – und bei den ersten schiefen Tönen direkt die Reißleine ziehen. Ganz ohne Biss geht das bei Bohlen nicht. Einige flotte Sprüche kommen ihm trotz neuer Harmoniebedürftigkeit über die Lippen.
So dürfte DSDS noch ein paar Jahre weitergehen
"Ich fand zwei Teile ganz gut. Einmal, als du diesen Kuss nachgemacht hast, und einmal, als du aufgehört hast", sagt er einem völlig talentlosen Kandidaten ins Gesicht und urteilt: "Du kannst einfach nicht singen." An einer anderen Stelle wirft er einen Mann im bohlenhaften Camp-David-Gedächtnislook aus der Show mit den Worten: "Du hast alles, was wir hier nicht brauchen."
Doch wer will ihm das verübeln? Zu einer Castingshow gehören Entscheidungen – und diese dürfen im Unterhaltungsbereich mit Humor gewürzt werden. Man fragt sich halt nur: Warum erst jetzt, Dieter? Bohlen scheint 20 Jahre gebraucht zu haben, um seine Mitte zu finden. Endlich teilt er aus, ohne dabei unfair zu werden oder unter die Gürtellinie zu zielen. Das tut ihm gut, aber vor allem auch der Show. Man möchte fast sagen: So dürfte DSDS noch ein paar Jahre weitergehen.
- RTL: "Deutschland sucht den Superstar" vom 14. Januar 2023