Tesla-Chef besucht Werk in Grünheide Ein Milliardär versteckt sich
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Elon Musk kommt nach Grünheide, um seinen Arbeitern zu zeigen: Ich bin für Euch da. Die Öffentlichkeit soll davon allerdings nichts mitbekommen.
Gegen elf Uhr trifft der Mann ein, auf den alle gewartet haben: Elon Musk kommt mit einer Kolonne von Teslawagen auf dem Gelände seiner Gigafactory in Grünheide an, rund 30 Kilometer südöstlich von Berlin. Hier will er vor der Belegschaft sprechen, die schon zu Tausenden in und um ein großes weißes Zelt auf ihn wartet. Musk bringt seinen dreijährigen Sohn mit. Manche Reporter erhaschen einen Blick auf den 52-Jährigen, als er aus dem Auto steigt und in das Zelt tritt. Die Arbeiter des Elektroautobauers jubeln ihm zu.
Vor rund einer Woche hatten Unbekannte einen Brandanschlag auf einen Mast in der Nähe des Werks verübt und dadurch die Stromversorgung gekappt. Seit Montag ist die Fabrik wieder am Netz, die Produktion lief am Mittwoch wieder. Zum Anschlag bekannte sich die linksextreme "Vulkangruppe" und erklärte, damit gezielt Musk schaden zu wollen. Der Tesla-Chef nannte sie "die dümmsten Ökoterroristen der Welt".
- Mutmaßliche Tesla-Angreifer: Das ist die "Vulkangruppe"
Dass Musk Grünheide ausgerechnet jetzt besucht, dürfte nicht nur am beschädigten Strommast liegen. Tesla will neben seiner 300 Hektar großen Gigafactory nochmals 100 Hektar Wald roden: Unter anderem sollen so ein Güterbahnhof, Lagerhallen und ein Betriebskindergarten entstehen. Im Februar stimmten die Einwohner von Grünheide in einer rechtlich nicht bindenden Bürgerbefragung über die Pläne ab – mit eindeutigem Votum: 62,1 Prozent sprachen sich dagegen aus. Mit seiner Visite will Musk den Angestellten wohl auch das Zeichen senden: Ich bin für Euch da.
Was er sagt, soll wohl nicht öffentlich werden
Was er seinen Arbeiterinnen und Arbeitern sagt, soll aber offenbar nicht öffentlich werden. Kurz nach Musks Ankunft stellt sich ein blauer Tesla vor den Zaun an der Werksgrenze und lässt bei heruntergelassenen Scheiben Musik erschallen. So laut, dass die Journalisten, die dort, rund hundert Meter vom Zelt entfernt, mit ihren Kameras und Mikrofonen warten, kaum etwas von dem verstehen können, was im Zelt gesagt wird.
Musk spricht rund 20 Minuten lang, berichten zwei Mitarbeiterinnen hinterher. Er habe den Zusammenhalt betont und angemahnt, dass der Anschlag nicht nur das Werk, sondern die Gemeinde getroffen habe. Außerdem habe Musk angekündigt, sich in der Sache auch mit Politikern treffen zu wollen.
Verwirrung um mögliches Treffen mit Woidke und Wegner
Im Vorfeld von Musks Besuch hatte es Verwirrung um ein mögliches Treffen Musks mit deutschen Politikern gegeben. Der "Tagesspiegel" hatte am Dienstag ursprünglich berichtet, Musk wolle am Mittwoch öffentlich mit dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) und Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU) auftreten. Dafür seien seit Tagen im Hintergrund Gespräche geführt worden. Ein Sprecher der brandenburgischen Landesregierung sagte t-online hingegen, ihm sei solch ein Treffen "nicht bekannt". Tesla ließ eine Anfrage unbeantwortet.
Am Mittwochnachmittag teilt Woidke dann aber ein gemeinsames Foto mit Wegner, Musk und ihm selbst auf der Plattform Instagram. Dazu schreibt er: "Der Wirtschaftsstandort Brandenburg steht stark zusammen." Es habe ein Gespräch zwischen den Dreien stattgefunden, bei dem über Standort, Arbeitsplätze und den Brandanschlag gesprochen worden sei.
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Musk, mit einem geschätzten Vermögen von rund 177 Milliarden Euro der drittreichste Mensch der Erde, macht keinen Hehl daraus, dass er die Presse verachtet. US-Medien hat er wiederholt vorgeworfen, Falschnachrichten zu verbreiten und gegen ihn Stimmung zu machen. Die E-Mail-Adresse für Presseanfragen auf seiner Plattform X antwortete Journalisten im vergangenen Jahr automatisiert mit einem Kothaufen-Emoji. Wer heute eine E-Mail schickt, bekommt zurück: "Gerade beschäftigt, melden Sie sich bitte später nochmal." Tesla selbst ist dafür bekannt, nahezu notorisch nicht auf Presseanfragen zu antworten.
Bei seinen Angestellten aber, so scheint es, ist der Tesla-Chef sehr beliebt. Im Zelt brechen immer wieder Jubel und Applaus aus. Mehrere Mitarbeiter sagen t-online, dass Musk in der Belegschaft ein hohes Ansehen genieße. Insgesamt wollen sich am Mittwoch aber nur wenige Tesla-Angestellte vor dem Werk öffentlich zu Musks Besuch äußern.
Angestellter: "Die letzte Woche war grauenhaft"
Ein paar wenige sind aber doch bereit, mit der Presse zu reden. "Die letzte Woche war grauenhaft", sagt ein Mann. Er habe keinen Urlaub gehabt, aber trotzdem zu Hause sitzen müssen, weil im Werk nichts ging. Die Stimmung unter den Angestellten sei aber gut, der Zusammenhalt "großartig". Eine Frau sagt: "Wir sind motivierter als je zuvor."
Nach Musk sprechen auch noch andere Tesla-Verantwortliche zu den Angestellten. Aus dem Zelt drängen nur einzelne Wortfetzen. "Ihr leistet Großes", sagt ein Mann. Wieder Jubel. "Wir nehmen das, was da passiert ist, nicht auf die leichte Schulter." Applaus.
Musks Versteckspiel ging sogar so weit, dass niemand vor dem Werk genau sagen konnte, wann er die Fabrik wieder verlassen hatte. Zwar hatte ihn niemand wegfahren sehen. Doch nach etwa einer Stunde war die Versammlung beendet und viele Angestellte strömten aus den Ausgängen.
Die Umweltaktivisten der Initiative "Tesla stoppen", die den Werksausbau verhindern möchten und seit Ende Februar ein Stück Wald unweit des Tesla-Geländes besetzen, bekamen von alldem nichts mit. Sie blieben am Mittwoch in ihrem Camp.
- Eigene Recherche vor Ort