Menschenrechtler entsetzt Saudi-Arabien erhält Vorsitz der Uno-Frauenrechtskommission
In Saudi-Arabien herrschen zutiefst patriarchale Strukturen. Jetzt drängt sich das Königreich an die Spitze des wichtigsten Uno-Gremiums zum Thema Gleichberechtigung.
Für Menschenrechtsorganisationen scheint es denkbar ironisch: Saudi-Arabien wird künftig den Vorsitz der Uno-Frauenrechtskommission (CSW) übernehmen. Das berichtet der britische "Guardian". Das Gremium soll sich für die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle der Frau in der ganzen Welt einsetzen. Ausgerechnet ein Land, in dem die Kluft zwischen den Rechten von Männern und Frauen, selbst auf dem Papier, so groß ist, soll die Kommission nun anführen, kritisieren Menschenrechtsgruppen.
Der saudische Uno-Botschafter, Abdulaziz Alwasil, wurde am Mittwoch zum Vorsitzenden der Kommission für den Status der Frauen (CSW) gewählt, da es auf der Jahrestagung der CSW in New York keine Gegenkandidaten und keinen Widerspruch der Abgesandten aus 45 Länder gab. "Ich höre keine Einwände. Es ist so beschlossen", sagte der scheidende Vorsitzende, der philippinische Gesandte bei der UNO, Antonio Manuel Lagdameo.
Eigentlich hatten die Phillippinen das Amt inne, für das eine Laufzeit von zwei Jahren vorgesehen ist. Andere Mitglieder asiatischer Länder drängten das Land aber dazu, den Vorsitz nach einem Jahr an ein anderes Land zu übergeben. Zunächst hieß es, dass Bangladesch den Vorsitz übernehmen würde, dann bemühte sich jedoch Saudi-Arabien um den Posten. Es wird vermutet, dass das Königreich dadurch sein globales Ansehen aufpolieren will.
Menschenrechtler sind schockiert
Schon die angekündigte CSV-Mitgliedschaft Saudi-Arabiens ab April vergangenen Jahres löste 2022 bei Menschenrechtsorganisationen Entsetzen aus. So meldete sich in den vergangenen Tagen schon vor der Entscheidung "Amnesty International" zu Wort. "Saudi-Arabien hat jetzt das Ruder in der Hand, aber Saudi-Arabiens eigene Bilanz in Sachen Frauenrechte ist miserabel und weit entfernt vom Mandat der Kommission", erklärte Sherine Tadros, die Leiterin des New Yorker Büros von Amnesty.
Louis Charbonneau, der Direktor von "Human Rights Watch" tat seine Meinung auf X kund: "Die Wahl Saudi-Arabiens zum Vorsitzenden der UN-Kommission für die Rechtsstellung der Frau zeigt eine schockierende Missachtung der Rechte der Frauen überall". Er forderte die saudischen Behörden dazu auf, sofort alle inhaftierten Frauenrechtsverteidigerinnen freizulassen, die männliche Vormundschaft zu beenden und die vollen Rechte der Frauen auf Gleichberechtigung mit den Männern sicherzustellen.
"Dann würde es nicht passieren"
In den vergangenen Jahren hatte das Land immer wieder Reformen beschlossen, um sein Image aufzupolieren. Auf Nachfrage des "Guardian" verwies die saudische Uno-Vertretung wohl nur auf ein Gesetz aus dem Jahr 2022 als Beweis für Fortschritte bei den Frauenrechten. Das Gesetz sieht jedoch weiterhin vor, dass Frauen die Erlaubnis eines männlichen Vormunds einholen muss, um zu heiraten. Zudem muss eine Frau demnach ihrem Ehemann in "angemessener Weise" gehorchen, während die finanzielle Unterstützung des Ehemanns von der "Gehorsamkeit" der Frau abhängig ist.
Charbonneau kritieiserte die anderen Länder für ihre Passivität bei der Entscheidung. "Wenn sie alle einen ausreichend großen Stunk machen würden, dann würde es nicht passieren", sagte er. "Human Rights Watch" habe vorab versucht, die Länder zu beeinflussen.
- theguardian.com: "UN picks Saudi Arabia to lead women’s rights forum despite ‘abysmal’ record" (englisch)