Neulinge für den DFB-Kader? Das wäre eine echte Sensation
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Am Donnerstag verkündet Julian Nagelsmann den deutschen EM-Kader. Einige Namen sind bereits bekannt. Doch noch mehr Spieler hätten sich ein Ticket verdient.
Am Sonntagabend begann der DFB mit der neuen Taktik zur Verkündung des EM-Kaders. Den Anfang machte die "Tagesschau" mit Nico Schlotterbeck. Am Montag, Dienstag und Mittwoch folgten weitere Akteure, die beispielsweise von einer Dachdeckerin (Manuel Neuer) oder von RTL-Moderatorin Frauke Ludowig (Aleksandar Pavlović) bekannt gegeben wurden.
Am Ende wird der DFB-Kader 26 Spieler umfassen, die mit zur Heim-EM dürfen. Meist sind in den Aufgeboten ein bis zwei Überraschungen dabei. Youssoufa Moukoko war beispielsweise bei der WM 2022 Teil des Kaders, ohne vorher ein Länderspiel bestritten zu haben.
Doch welche Spieler wären sinnvolle Neulinge für den deutschen Kader? Vier t-online-Redakteure präsentieren ihre Vorschläge:
Stefan Ortega (von Sebastian Kunze)
Bei der EM 2021 hat er den Sprung in den Kader knapp verpasst, aber jetzt führt kein Weg an Stefan Ortega Moreno vorbei. Der 32-Jährige ist die ideale Nummer drei hinter Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen.
Ortegas Vorteil gegenüber Konkurrenten wie Frankfurts Kevin Trapp oder Hoffenheims Oliver Baumann? Keiner kennt die Rolle des Ersatztorwarts besser als er. Bei Manchester City sitzt Ortega meist auf der Bank, während Brasiliens Nummer eins Ederson das Tor hütet. Bekommt Ortega jedoch die Möglichkeit zu spielen, zahlt er das Vertrauen mit herausragenden Leistungen zurück.
Pep Guardiola schwärmte zuletzt in höchsten Tönen von Ortega. Der Deutsche sei in allen Bereichen überragend – ein "wirklich, wirklich guter Torhüter". Und nicht nur der City-Trainer ist begeistert, sondern auch Ex-Teamkollege İlkay Gündoğan hält große Stücke auf den Keeper. Für den Nationalmannschaftskapitän ist Ortega der "am meisten unterschätzte Torwart der Welt". Also: Wer für Manchester City gut genug ist, sollte es auch für Deutschland sein.
Vitaly Janelt (von Benjamin Zurmühl)
Bundestrainer Julian Nagelsmann hat mit seiner Kadernominierung für die Länderspiele gegen Frankreich und die Niederlande im März viel richtig gemacht. Für nahezu jedes Szenario war der Kader gewappnet. Was jedoch fehlte, war ein richtiger Ersatzmann für Robert Andrich.
Neben dem Leverkusener hatte der DFB keinen defensiven Mittelfeldspieler im Kader, der vor allem die Aufgaben in der Arbeit gegen den Ball übernimmt. Einer, der der Mannschaft Zweikampfhärte, Physis und Aggressivität gibt. Toni Kroos, Pascal Groß und Aleksandar Pavlović, die ebenfalls nominiert waren, sind eher kreative "Sechser".
Für den EM-Kader sollte Nagelsmann daher einen "zweiten Andrich" mitnehmen, falls dieser mal ausfällt. Ein solcher Typ wäre Vitaly Janelt. Vitaly wer? Der 26-Jährige spielt seit fast vier Jahren beim FC Brentford in England, hat mehr als 100 Premier-League-Spiele auf dem Buckel und wäre genau der richtige Mann für die Rolle. Janelt erobert viele Bälle, wirft sich in jeden Zweikampf, kann aber auch mit dem Ball am Fuß etwas bewirken – genau wie Andrich. Zudem würde er wenig Ansprüche auf Spielzeit stellen, aber in jedem Training Gas geben und Andrich unter Druck setzen, sodass dieser noch bessere Leistungen zeigt.
Marcel Hartel (von William Laing)
Wenn Jackson Irvine nicht Australier wäre, hätte wahrscheinlich er hier gestanden. Der Kapitän des FC St. Pauli war der überragende Mann in einer außergewöhnlichen Zweitligasaison der "Kiezkicker", die letztlich in den Aufstieg mündete. Gut für Deutschland, dass Irvine an seiner Seite aber noch einen weiteren Ausnahmekönner weiß, der sich in den vergangenen Monaten als der wohl gefährlichste Spieler im deutschen Unterhaus entpuppte: Marcel Hartel.
Der 28-Jährige hat in 33 Spielen sagenhafte 30 Scorerpunkte gesammelt (17 Tore, 13 Assists). Mit rechts, mit links, mit dem Kopf: Von allem war etwas dabei. Hartel ist in der Offensive der kompletteste Spieler der 2. Bundesliga – und würde auch die Nationalmannschaft bereichern.
Natürlich hat die DFB-Elf im Angriff überragende Einzelkönner wie Florian Wirtz und Jamal Musiala. Beide müssten im Normalfall auch gesetzt sein. Zuletzt waren Deutschlands Hoffnungsträger aber durch die Strapazen einer langen Saison deutlich angeschlagen. Was ist, wenn einer von ihnen oder gar beide ausfallen? Dann blieben Julian Nagelsmann allenfalls Spieler wie Chris Führich oder der ebenfalls verletzungsanfällige Leroy Sané. Die Option, Hartel als Kreativspieler für diesen Fall in der Hinterhand zu haben, ergibt durchaus Sinn.
Angelo Stiller (von Noah Platschko)
Der VfB Stuttgart ist die Überraschungsmannschaft der aktuellen Bundesligasaison. Nach der Relegation im Vorjahr werden die Schwaben in dieser Spielzeit mindestens Dritter, können sogar den Bayern noch die Vizemeisterschaft streitig machen.
Dass es bei den Schwaben so gut läuft, liegt auch an einem Mann: Angelo Stiller. Der gebürtige Münchner kam zu Saisonbeginn für 5,5 Millionen Euro aus Hoffenheim zu den Schwaben und mutierte prompt zum absoluten Stammspieler. Dabei besticht der 23-Jährige insbesondere durch seine enorme Ballsicherheit sowie herausragende Passfähigkeiten.
Diese waren VfB-Trainer Hoeneß bereits zuvor bekannt, hatte er mit Stiller doch schon bei Bayern ll sowie der TSG zusammengearbeitet. Und auch Bundestrainer Nagelsmann sind die Qualitäten des defensiven Mittelfeldspielers, der aktuell bei einem Tor und fünf Vorlagen steht, nicht verborgen geblieben.
Vor den Länderspielen im März gegen Frankreich und die Niederlande gab Nagelsmann auf t-online-Nachfrage preis, bereits mit Stiller in Kontakt gestanden zu haben. Für eine Nominierung hatte es damals aber noch nicht gereicht. Sollte Stiller wider Erwarten auf den EM-Zug aufspringen, dürfte er die zuvor ausgefallene Nominierung verschmerzen können.
- Eigene Überlegungen