Nächste BVB-Krise Diese Hummels-Aussage würde es bei Bayern nicht geben
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Dortmund erlebt eine katastrophale Saison und sollte beim Kaderumbau vor großen Namen nicht haltmachen. Auch nicht vor Reus und Hummels, der eine fragwürdige Aussage getätigt hat.
- Kapitän Marco Reus im Juli: "Wir haben den Kader, um Deutscher Meister zu werden, den Pokal zu gewinnen und in der Champions League weiterzukommen."
- Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke im Dezember: "Die Europa League ist der einzige Titel, der Borussia Dortmund noch fehlt. Das müssen wir jetzt annehmen und daran arbeiten, uns 13 Mio. Euro [Verlust durch Aus in der Champions League, Anm.d.Red.] zurückzuholen durch den Gewinn der Europa League."
- Abwehrchef Mats Hummels im Januar: "Ich bin endlich wieder fit. Es gibt für mich keinen Grund mehr, nicht zu liefern. Körperlich gibt es keine Ausreden mehr, jetzt liegt es an mir."
- Marco Reus vor zwei Tagen: "Wir haben etwas Großes vor."
Vier Aussagen von Spielern und Verantwortlichen von Borussia Dortmund. Allesamt haben sie bei den Fans zu unterschiedlichen Zeitpunkten große Hoffnungen geweckt. Und allesamt wurden sie brutal enttäuscht.
Ausgerechnet Hummels
Erst hat der BVB den Anschluss an Bundesliga-Tabellenführer Bayern München verloren. Dann flog er gegen einen Zweitligisten aus dem DFB-Pokal. Er scheiterte bereits in der Vorrunde einer machbaren Champions-League-Gruppe – und nun am gestrigen Donnerstag in der Europa League.
Nicht etwa im Halbfinale oder Finale. Nicht einmal im Viertel- oder Achtelfinale. Sondern in der Playoff-Runde für die K.o.-Phase. Und das gegen die international eher zweitklassigen Glasgow Rangers (2:4, 2:2).
Ausgerechnet ein böser Fehler von Mats Hummels begrub die Hoffnung aufs Weiterkommen. Der Hummels, der ja eigentlich liefern wollte.
Und der hinterher auch noch sagte: "In der ersten Halbzeit haben wir sie im Sack gehabt."
Das kann man nicht mehr schönreden
So eine Äußerung würde beim FC Bayern wohl niemand tätigen. Eine Halbzeit war gut, die anderen drei waren katastrophal, wenn man Hin- und Rückspiel zusammenfassen möchte. Das kann man nicht mehr schönreden.
Dortmund ist in der Realität angekommen. Und die besagt: Es handelt sich um eine absolut enttäuschende Saison, in der die Mannschaft in keinster Weise geliefert hat. Der Kader ist ganz offensichtlich nicht so aufgestellt, dass er den Ansprüchen genügt. Und das muss Konsequenzen haben.
Haaland hat 15 Spiele verpasst
Die erste Konsequenz: Es ist natürlich nun undenkbar, dass Topstürmer Erling Haaland in Dortmund bleibt. Nicht mal seine Verletzungsanfälligkeit in dieser Saison wird verhindern, dass einer der europäischen Topklubs zuschlägt – auch wenn ich die Muskelverletzungen durchaus besorgniserregend finde.
Haaland hat in dieser Saison zwar 20 Spiele absolviert und dabei 23 Tore geschossen – er hat aber auch 15 Spiele verletzungsbedingt verpasst.
Ich weiß nicht, wie stark seine Muskulatur ist, aber im Alter von 21 Jahren sind diese Beschwerden in der Häufigkeit unüblich. Weder Kylian Mbappé ist so oft verletzt – noch waren es in dem Alter Robert Lewandowski oder Cristiano Ronaldo. Und das muss ja die Kategorie Spieler sein, mit der man Haaland vergleicht.
Was wird noch passieren?
Dortmund braucht Leverkusen-Stürmer Schick
Haaland geht, mit Abwehrspieler Niklas Süle und wahrscheinlich auch Stürmer Karim Adeyemi sind schon mal zwei Zugänge zu erwarten. Sie sind sicher beide gute Spieler, aber das reicht nicht.
Dortmund braucht einen adäquaten Haaland-Nachfolger im Sturmzentrum. Patrik Schick von Leverkusen wäre dafür die beste Lösung. Er hat in dieser Saison noch mal einen großen Sprung gemacht, in bisher 20 Bundesligaspielen 20 Treffer erzielt und gehört zu den besten Stürmern Europas.
Auch Freiburgs Verteidiger Nico Schlotterbeck würde ich für eine gute Verpflichtung halten, um in der Abwehr endlich mal für einen echten Konkurrenzkampf und natürlich Stabilität zu sorgen.
Keine Selbstverständlichkeit, dass Reus und Hummels bleiben
Ganz entscheidend ist natürlich die Frage, welcher Spieler den Ansprüchen genügt und welcher nicht – zumal immer noch diverse Verträge in den nächsten ein, zwei Jahren auslaufen, darunter die von Reus und Hummels 2023. Dortmund darf natürlich auch vor großen Namen grundsätzlich keinen Halt machen.
Reus hat angekündigt: "Ich habe meinen Vertrag bereits zweimal verlängert, gerade auch in Zeiten, in denen es sportlich nicht besonders rund lief. Warum sollte ich es also jetzt nicht tun?" Und weiter: "Der BVB ist mein Verein, Dortmund ist meine Heimatstadt und ich würde meine Karriere hier gern beenden."
Zum Glück hat der Verein da auch noch ein Wort mitzureden, zumal Reus angeblich rund zwölf Millionen Euro pro Jahr bekommt. Sowohl Reus als auch Hummels haben gegen Glasgow enttäuscht. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass sie noch zwei Jahre länger bleiben.
BVB sollte ein Zeichen setzen
Und es wäre falsch, ihre Verträge voreilig zu verlängern. Die Leistung muss zum Gehalt passen.
Beide müssen erst mal beweisen, dass das der Fall ist. Dortmund sollte bis zum Herbst und somit auch den Beginn der kommenden Saison abwarten. Reus ist 32 Jahre alt, Hummels 33 – es ist nicht so, dass bei ihnen jeweils fünf Topklubs Schlange stehen wie bei Haaland.
Der BVB kann und sollte damit gleich ein Zeichen verbinden: Erst kommt die Leistung, dann der Vertrag. Denn nach dieser Saison gibt es etwas gutzumachen.
Und zwar vor allem von den Spielern.
Kehl hat nur einen Vorteil
Dass es einen Neustart mit Marco Rose als Trainer geben muss, davon bin ich zu 100 Prozent überzeugt. Genauso ist Sebastian Kehl als Nachfolger von Michael Zorc als Sportdirektor der richtige Mann. Er weiß, dass er im Notfall auf die Expertise von Zorc zurückgreifen kann – genauso wie Oliver Kahn oder Hasan Salihamidzic beim FC Bayern, der mit Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge die beiden langjährigen Klubbosse jederzeit um Rat fragen kann.
Kehls einziger Vorteil nach dem Aus in Europa: Er hat Planungssicherheit und kann den Umbau vorantreiben – zumindest die Qualifikation für die Champions League werden sie nicht mehr verspielen.
Um diese Planungssicherheit werden den BVB insbesondere der nächste Gegner Augsburg (Sonntag, ab 17.30 Uhr) sowie die anderen Abstiegskandidaten beneiden: Fürth, Stuttgart, Bielefeld, Gladbach und vor allem Hertha BSC.
Hertha-Spieler sind froh, wenn sie weg sind
Hertha ist ausgerechnet der Verein, der mit dem 3:2-Erfolg Mitte Dezember den BVB in eine der zahlreichen Krisen schickte. Das Problem ist, dass der Hauptstadtklub seitdem nur noch zwei Punkte geholt hat, in fünf Ligapartien ohne Sieg geblieben und obendrein noch gegen Stadtrivale Union Berlin im eigenen Stadion aus dem DFB-Pokal geflogen ist.
Was in Berlin passiert, ist tragisch. Investor Lars Windhorst hat festgestellt, dass sich sein Investment von 374 Millionen Euro bislang überhaupt nicht ausgezahlt hat.
Einige der Spieler, die für viele Millionen gekommen sind, sind schon nicht mehr da. Ich denke auch, dass sie sehr froh darüber sind, wieder weg zu sein. Schließlich haben sich ihre Hoffnungen hier nicht erfüllt.
Hertha hat nichts gelernt
Unter dem aktuellen Trainer Tayfun Korkut hat sich die Lage sogar noch verschlechtert. Die Mannschaft wird dieser Bezeichnung nicht gerecht. Und Hertha hat nichts aus den vergangenen Jahren und insbesondere der vergangenen Saison gelernt.
Da hat Pál Dárdai am 19. Spieltag als Trainer übernommen, den Fokus auf die Defensive gelegt und den Klub damit vor dem Abstieg gerettet. In dieser Saison hat Manager Fredi Bobic Dárdai nach 13 Spieltagen auf Platz 14 entlassen. Unter Korkut ist die Hertha nun auf Platz 15.
Die Verantwortlichen haben in den vergangenen Jahren immer wieder gedacht: Da muss doch mehr drin und attraktiverer Fußball möglich sein. Der Kader hat das allerdings nie hergegeben – und die Mannschaft ist immer wieder ganz hinten reingerutscht in der Tabelle.
Was nun?
Abstieg wäre logisch, aber der Super-GAU
Aktuell leidet Hertha unter einem massiven Corona-Ausbruch, der auch Torwart Alexander Schwolow an einem Einsatz bei seinem Ex-Klub SC Freiburg am Samstag hindert. Dazu kommt das vielleicht schwerste Restprogramm. Hertha spielt unter anderem noch gegen Hoffenheim, Union sowie in Leverkusen und Dortmund. Eigentlich ein Fall für Dárdai. Nachdem ihm in dieser Saison allerdings das Vertrauen entzogen worden ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass er für eine dritte Amtszeit bereit ist. Er hat sicherlich auch seinen Stolz.
Fakt ist: Ein Abstieg wäre womöglich die logische Konsequenz aus den Entwicklungen der vergangenen Jahre. Er wäre aber vor allem der absolute Super-GAU. Dagegen wäre dann sogar die Saison von Borussia Dortmund glimpflich gelaufen.
- Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
- Jahreshauptversammlung des BVB
- Bild: "'Wir haben den Kader, um Deutscher Meister zu werden'"
- Sport Bild vom 21.01.2022