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Wie Sie mit Stress und Angst in der Coronakrise umgehen sollten


Gegen den Stress
Warum Resilienz in Krisenzeiten so wichtig ist

Ann-Kathrin Landzettel

Aktualisiert am 09.04.2021Lesedauer: 6 Min.
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Menschen mit einer starken psychischen Widerstandskraft kommen besser durch die Krise. Doch Resilienz lässt sich auch trainieren.Vergrößern des Bildes
Menschen mit einer starken psychischen Widerstandskraft kommen besser durch die Krise. Doch Resilienz lässt sich auch trainieren. (Quelle: andreswd/getty-images-bilder)

Angst vor Ansteckung, finanzielle Sorgen, Homeoffice: Die Corona-Pandemie ist eine seelische Dauerbelastung und verursacht Stress und Unsicherheit. Doch es gibt Wege, schwierige Situationen unbeschadet zu überstehen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die seelische Widerstandskraft.

Die Corona-Pandemie ist eine seelische Dauerbelastung. Angst vor einer Ansteckung, Unsicherheiten in der beruflichen Situation sowie familiäre Herausforderungen bringen viele Menschen an ihre Grenzen. Wie lässt sich die Resilienz, die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigungen zu überstehen, stärken?

Corona-Pandemie: Belastung für die Seele

Die Lebenssituation in der Corona-Pandemie ist von vielen Ängsten und Unsicherheiten begleitet. Die weiter steigenden Infektionszahlen, die zunehmenden Sterbefälle und die oft schwierige private Situation stellen für viele Menschen eine enorme Belastung dar.

"Insbesondere das Gefühl, nichts tun zu können, dem hilflos ausgeliefert zu sein, ist für viele Menschen schier unaushaltbar", erklärt Dr. Andreas Hagemann, Ärztlicher Direktor der auf Psychosomatik spezialisierten Röher Parkklinik in Eschweiler bei Aachen. "Die Dauerbelastung fördert Verunsicherungen, Verstimmungen und Ängste, die zu psychischen Erkrankungen führen beziehungsweise diese verstärken können."

Ein Leben ohne soziale Kontakte macht einsam

Zusätzlich erschwert wird die Situation durch die Reduzierung sozialer Kontakte. Beisammensein, Geselligkeit, Anteilnahme, Austausch: All das ist durch die Kontaktbeschränkungen stark minimiert. Und wenn man sich mit anderen trifft, mit Abstand, schwingt die Sorge mit: "Stecke ich jemanden an? Steckt mich jemand an?" Die Bilder von Covid-19-Betroffenen auf den Intensivstationen haben sich eingeprägt.

"Die Reduktion der wichtigen sozialen Kontakte auf ein Minimum fördert depressive Verstimmungen. Denn der Mensch ist und bleibt ein soziales Wesen", sagt der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.

"Dieses Dilemma, sich zwischen gefühlter Ansteckung und antizipiertem Existenzverlust entscheiden zu müssen, ist für viele Menschen kaum auszuhalten. Hierdurch steigt der Stresspegel. Es ist daher zu befürchten, dass diese Beeinträchtigungen zu einer Zunahme psychischer Beschwerden wie etwa Angst- und Zwangsstörungen oder Depressionen führen wird."

Resilienz stärken und Krisen erfolgreich überwinden: Energien nutzen

Resiliente Menschen fühlen sich in Krisensituationen weniger hilflos und reagieren mit einem größeren Selbstwirksamkeitsempfinden. Das bedeutet, dass sie eine gewisse persönliche Überzeugung in sich tragen, eine schwierige Situation gut überstehen zu können. Doch wie schafft man es, in einer solchen Ausnahmesituation wie der Corona-Pandemie stark zu bleiben und die eigene Widerstandskraft (Resilienz) zu stärken?

Die sieben Säulen der Resilienz:

  1. Optimismus: Nehmen Sie eine positive Haltung ein.
  2. Akzeptanz: Nehmen Sie die Dinge an, wie sie sind.
  3. Lösungsorientiertheit: Fokussieren Sie sich auf Lösungen und weniger auf die Probleme.
  4. Aufgeben der Opferrolle: Werden Sie aktiv. Nehmen Sie die Gestaltung selbst in die Hand.
  5. Selbstverantwortung übernehmen: Übernehmen Sie die Regie in Ihrem Leben.
  6. Beziehung gestalten: Pflegen Sie Beziehung zu Menschen, die Ihnen etwas bedeuten und die Ihnen Kraft geben – auch wenn es digital ist.
  7. Zukunftsplanung: Schauen Sie öfter nach vorne als zurück.

Das eine verlässliche Patentrezept, um die eigene Resilienz zu stärken, gibt es laut Hagemann nicht. Hier müsse jeder auf sich und die eigenen Bedürfnisse hören.

"Hilfreich ist auf jeden Fall zu versuchen, sich rational klar zu machen, worin die akute Gefahr besteht, statt sich von Ängsten und Emotionen leiten zu lassen. Konkret können Sie sich fragen: Was bringt es mir, etwas Unveränderliches verändern zu wollen? Ist es nicht viel besser, diese Energie in etwas Sinnvolleres zu investieren?", rät der Psychiater.

Aktiv sein, statt passiv ausharren

Wichtig für die Stärkung der eigenen Resilienz ist es, sich aktiv und wirksam zu fühlen. Das Gefühl zu haben, selbst etwas zu gestalten und in der Hand zu haben, seinen Alltag positiv beeinflussen zu können und aktiv Dinge zu tun, die Kraft spenden.

Passivität hingegen schwächt die eigene Resilienz. Je passiver man ist, desto stärker nimmt das Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins zu. Überlegen Sie sich, was Ihnen wichtig ist – und welche kreativen Möglichkeiten es gibt, dies auch in der Corona-Pandemie weitestgehend umzusetzen.

Psychische Widerstandskraft: Kopf hoch und kreativ bleiben

"Statt den Kopf in den Sand zu stecken und die momentane Isolation als unerwünschte Zwangsmaßnahme zu sehen, bringt es viel mehr, sich sinnvolle Aufgaben zu suchen und kreativ zu sein“, rät Hagemann. Die digitale Welt bietet viele Möglichkeiten des Austauschs.

So kann man Freunde zu einem digitalen Abendessen zusammentrommeln oder digitale Sportkurse besuchen, um die Gesundheit zu stärken und sich fit zu halten. Auch kann man sich darauf konzentrieren, was man selbst dazu beitragen kann, um sich sicherer zu fühlen.

"Alles, was der Seele guttut, kann unser Wohlbefinden in diesen schwierigen Zeiten steigern und dabei helfen, Ängste nicht dominieren zu lassen", weiß der Psychiater. "Oft bringen bereits kleine Schritte einiges: Ob Entspannungsbad oder Waldspaziergang – wichtig sind regelmäßige kleine Auszeiten zwischendurch."

Körper und Geist trotz Corona-Pandemie entspannen: Autogenes Training

Gegen die innere Unruhe und die seelischen und körperlichen Anspannungen können zudem Entspannungs- und Meditationskurse wohltuend sein. Diese kann man sowohl alleine zu Hause durchführen als auch in geführten Onlinekursen. "Besonders bewährt haben sich hierbei die Progressive Muskelrelaxation sowie Autogenes Training. Auch Yoga gilt als erstklassige Methode, um körperliche Spannungen auf sanfte Weise zu lösen", sagt Hagemann.

"Kontinuierliche Zeiten im Entspannungsmodus fördern die körperliche und geistige Regeneration. Außerdem ermöglichen sie es dem Patienten, besser mit belastenden Situationen und Stress umzugehen und fördern so die eigene Resilienz."

Körperlich aktiv bleiben: Stärkt Körper und Selbstbewusstsein

Körperliche Bewegung ist für die eigene Resilienz ebenfalls von Bedeutung. Dabei wirkt Sport auf unterschiedliche Weise: Er hilft, die hormonelle Balance wiederherzustellen. Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol werden abgebaut und Endorphine wie Serotonin und Dopamin vermehrt ausgeschüttet. Außerdem macht Sport wacher und aktiver. Man fühlt sich leistungsstärker – was auch das Selbstbewusstsein und die Selbstsicherheit unterstützt.

Wird Sport im Freien durchgeführt, bekommen Körper und Gehirn zudem ein Plus an Sauerstoff. Sonnenlicht wirkt stimmungsaufhellend und regt die Bildung von Vitamin D an. Wer in der Gruppe sportlich aktiv ist – egal ob im Freien oder digital, profitiert zudem von dem sozialen Austausch und schöpft seelische Kraft.

Wichtig in Krisenzeiten: Raum für Rückzug und Ich-Zeit

So wichtig wie Nähe und Austausch sind aber auch Rückzugsmöglichkeiten. Jeder braucht Raum für sich und seine Gedanken und Gefühle – Erwachsene in der Corona-Krise ebenso wie Kinder. Denn manchmal wird alles zu eng und zu viel, wenn die ganze Familie dauerhaft zusammen ist, Schule digital stattfindet und die Eltern versuchen, über Homeoffice ihren Arbeitsalltag zu stemmen. Für das Familienleben eine echte Herausforderung.

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Rückzugsmöglichkeiten und Sperrzonen sind wichtige Maßnahmen, um trotz aller Corona-Beschränkungen, Lockdown und Homeoffice allen Familienmitgliedern Freiräume zu schaffen – auch, um Konfliktsituationen und Aggressionen vorzubeugen, sagt Hagemann. "Tipps für Familien bietet unter anderem das Institut für Wohn- und Architekturpsychologie an."

Der Umgang mit der Angst vor SARS-CoV-2

Der beste Umgang mit der Angst ist laut dem Psychologen im ersten Schritt, sich klar zu machen, dass es einen guten Grund gibt, sich zu ängstigen. Angst sei kein Grund, sich zu schämen. Im Gegenteil: Sie sei äußerst sinnvoll, um sich vor einer realen Gefahr zu schützen beziehungsweise sich gar nicht erst in Gefahr zu begeben.

"Im konkreten Corona-Fall ist es wichtig, immer mal wieder über die eigene Situation zu reflektieren. Bin ich wirklich besonders gefährdet? Wie schütze ich mich am besten? Was empfehlen Berufsverbände und andere relevante Institutionen? Was raten Experten aktuell zurzeit?", empfiehlt Hagemann.

"Vor gefährlichen Fehleinschätzungen und Irrtümern schützen fundierte Informationen. Mit dem Wissen wächst in der Regel auch die Sicherheit. Je mehr ich über Corona weiß, desto besser kann ich die Situation beurteilen und mir selbst ein Bild machen, statt in diffuse Panik zu geraten. Dabei sollte zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und persönlichen Meinungen unterschieden werden, wie sie gerade von Corona-Leugnern verbreitet werden."

Ängste realistisch einschätzen

Natürlich können selbst die besten Informationen längst nicht alle Ängste und Bedenken ausräumen. Aber sie können helfen, die ein oder andere Sorge zu relativieren. Ein Beispiel: Viele Menschen scheuen trotz ernster Beschwerden die Notaufnahmen, weil sie eine Corona-Ansteckung fürchten. Einige Krankenkassen melden einen Rückgang bei Patienten mit akutem Herzinfarkt oder Schlaganfall. Nicht, weil diese Erkrankungen weniger geworden wären, sondern weil sie weniger behandelt werden.

Für diese Notfälle zählt aber jede Minute. Eine zu späte Behandlung kann schlimmstenfalls das Leben kosten. "Die Gefahr, sich mit dem Corona-Virus anzustecken und zu sterben, ist deutlich geringer, als sich von einem akuten Herz- oder Hirninfarkt nicht mehr zu erholen. Dies sollte jedem Betroffenen bewusst sein. Die Folgen einer Nichtbehandlung sind gravierender als die Gefahr einer potenziellen Ansteckung", sagt Hagemann.

Wenn alles zu viel wird: Hilfe annehmen

Wer merkt, dass die Belastung zu groß wird und sich statt Lösungen immer mehr Probleme wie eine große Wand auftürmen und tiefe Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung und Erschöpfung den Alltag begleiten, sollte Hilfe suchen. "Die über Monate andauernde Corona-Pandemie mit all ihren negativen Konsequenzen beeinflusst natürlich unsere psychische Gesundheit.

Wichtig ist für Betroffene in erster Linie frühzeitige professionelle Hilfe. Unter anderem bietet der Bundesverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen eine Krisenhotline unter 0800-7772244", so der Experte für Angststörungen und Depression.

Außerdem bieten die Telefonseelsorge (0800-1110111), das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen“ (0800-116016) und das Kinder- und Jugendtelefon (116111) kompetente Ansprechpartner bei Problemen.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Dr. Andreas Hagemann
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