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Steuernachzahlung: Diese Arbeitnehmer bekommen jetzt Post vom Finanzamt


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Post vom Finanzamt
"Jetzt kommt der Rumms"

  • Christine Holthoff
InterviewVon Christine Holthoff

27.04.2024Lesedauer: 4 Min.
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Büroangestellte in Sorge: Die Finanzämter schreiben derzeit Arbeitnehmer an und fordern sie auf, eine Steuererklärung abzugeben.Vergrößern des Bildes
Büroangestellte in Sorge: Die Finanzämter schreiben derzeit Arbeitnehmer an und fordern sie auf, eine Steuererklärung abzugeben. (Quelle: songsak chalardpongpun/getty-images-bilder)

Aktuell fordern die Finanzämter viele Arbeitnehmer zur Abgabe der Einkommensteuererklärung auf. Wen das betrifft und wie Sie reagieren sollten.

Für Millionen Deutsche war das Kurzarbeitergeld in der Corona-Pandemie eine große Hilfe, jetzt führt es jedoch zu unangenehmer Post vom Finanzamt. Denn nicht jeder, der 2020, 2021 oder 2022 in Kurzarbeit war, hat auch eine Steuererklärung abgegeben – und wird deshalb nun nachträglich dazu aufgefordert.

Doch warum sind Kurzarbeiter überhaupt verpflichtet, ihre Steuern zu erklären? Wieso drohen jetzt Nachzahlungen? Und wie sollte ich mich verhalten, wenn mir das Finanzamt schreibt? Darüber hat t-online mit Peter Schmitz gesprochen, Geschäftsführer der Steuersoftware WISO Steuer.

t-online: Herr Schmitz, Kurzarbeitergeld ist steuerfrei. Warum will das Finanzamt trotzdem eine Steuererklärung von den Empfängern?

Peter Schmitz: Das liegt am sogenannten Progressionsvorbehalt. Damit ist gemeint, dass bestimmte Einkünfte, die eigentlich steuerfrei sind, trotzdem dazu führen, dass Sie mehr Steuern zahlen müssen. So ist es auch beim Kurzarbeitergeld. Es erhöht den Steuersatz für Ihr übriges steuerpflichtiges Einkommen. Den höheren Steuersatz wendet der Arbeitgeber beim monatlichen Lohnsteuerabzug aber nicht an. Sie haben also im Laufe des Jahres mitunter zu wenig Steuern gezahlt.

Und das Finanzamt holt sich das fehlende Geld über die Steuererklärung zurück?

Schmitz: Genau. Sobald Sie in einem Jahr mehr als 410 Euro Kurzarbeitergeld erhalten haben, müssen Sie eine Steuererklärung abgeben. Wer das insbesondere für die Pandemie-Jahre nicht getan hat, wird nun per Post zur Abgabe aufgefordert. Damit beginnen die Finanzämter gerade.

Warum geschieht das erst jetzt?

Schmitz: Das fragen wir uns auch. Eigentlich wissen die Finanzämter schon lange, wer Kurzarbeitergeld bekommen hat. Das übermitteln ihnen die Arbeitgeber. Möglicherweise war die Finanzverwaltung mit der Grundsteuerreform so ausgelastet, dass sie erst jetzt dazu kommt, die Daten auszuwerten.

Wie viele Menschen müssen denn mit Post vom Finanzamt rechnen?

Schmitz: Das lässt sich nicht genau sagen. Ein Teil der Beschäftigten in Kurzarbeit hat sicher schon eine Steuererklärung abgegeben. Wer das nicht getan hat, auf den kommen mit der Abgabe nun möglicherweise Nachzahlungen zu. Es sei denn, er kann ausreichend Kosten absetzen. Dann müssen auch Kurzarbeiter gar nichts nachzahlen oder bekommen sogar eine Erstattung. Wenn nicht, fällt zusätzlich zur Nachzahlung noch ein Verspätungszuschlag an.

Müsste der nicht sogar recht hoch ausfallen, wenn die Steuererklärung erst Jahre nach der eigentlichen Frist erfolgt?

Schmitz: Das ist das Fatale. Das Problem hat lange geschlummert, Monat für Monat sind aber mindestens 25 Euro Verspätungszuschlag aufgelaufen und jetzt kommt der Rumms. Wer zum Beispiel seine Steuererklärung für 2020 am 2. November 2021 hätte abgeben müssen, das aber erst im April 2024 tut, zahlt allein für den Verspätungszuschlag für 29 Monate jeweils 25 Euro, also insgesamt 725 Euro. Das gilt selbst dann, wenn die Nachzahlung nur 100 Euro beträgt.

Ist das nicht etwas unverhältnismäßig?

Schmitz: So könnte man zumindest argumentieren. Letztlich liegt es am Sachbearbeiter, ob dieser Milde walten lässt und darauf eingeht, dass Sie bei einer geringen Nachzahlung auch nur einen geringeren Verspätungszuschlag zahlen. Zudem gibt es unbillige Härten. Wer bedürftig ist und das Geld nicht hat, muss mit dem Finanzamt sprechen, um eventuell weniger oder keinen Zuschlag zahlen zu müssen.

Bringt es etwas, mich darauf zu berufen, dass ich von der Abgabepflicht nichts wusste?

Schmitz: Unter Umständen kann das funktionieren. Gängig ist das bei Rentnern mit Nichtveranlagungsbescheinigung, die mit ihren steuerpflichtigen Einkünften jahrelang unter dem Grundfreibetrag lagen und dann zum Beispiel nach einer Rentenerhöhung plötzlich steuerpflichtig werden. Denen vorzuwerfen, sie hätten die Steuererklärung versäumt, wäre völlig überzogen. Wer bisher noch nie eine Steuererklärung eingereicht hat, ist aber ohnehin nicht steuerlich erfasst. Die Frist für den Verspätungszuschlag beginnt dann erst ab dem Termin, bis zu dem sie aufgefordert werden, die Steuererklärung nachzureichen.

Das heißt: Wenn ich trotz Pflicht bis jetzt noch keine Erklärung abgegeben habe, sollte ich das erst tun, wenn ich dazu aufgefordert werde?

Schmitz: Genau. Wenn Sie von sich aus abgeben, ohne dass das Finanzamt Sie explizit aufgefordert und Ihnen eine Frist gesetzt hat, gilt das Versäumnis ab dem ursprünglichen Abgabetermin – für das Steuerjahr 2020 also ab dem 2. November 2021.

Teilen Sie Ihre Erfahrung mit

Waren Sie Kurzarbeiter und haben eine Nachzahlungsforderung vom Finanzamt erhalten? Dann bitten wir um Ihren Erfahrungsbericht. Schreiben Sie dafür eine E-Mail an Lesermeinung@stroeer.de und schildern Sie uns Ihre Erfahrung.

Fallen eigentlich auch Nachzahlungszinsen an?

Schmitz: Ja, die kommen eventuell noch obendrauf. Der Zeitraum für die Berechnung von Zinsen beginnt grundsätzlich erst 15 Monate nach Ablauf des Jahres, das der jeweiligen Steuererklärung zugrunde liegt – das ist die sogenannte Karenzzeit. Der Zeitraum endet dann mit der Bekanntgabe des Steuerbescheids. Durch Corona wurde die Karenzzeit vorübergehend verlängert: Für die Steuerjahre 2019 bis 2021 beträgt sie 21 Monate, für die Erklärung 2022 waren es noch 20 Monate. Das Finanzamt verlangt dann für jeden Monat des Zinszeitraums 0,15 Prozent Zinsen auf die Nachzahlung, also 1,8 Prozent pro Jahr.

Und was geschieht, wenn ich trotz Aufforderung immer noch nicht abgebe?

Schmitz: Dann wird Sie das Finanzamt noch mal mahnen – und kommt danach immer noch nichts von Ihnen, erhält man vom Finanzamt einen Schätzungsbescheid. Und zwar nur anhand der Informationen, die dort vorliegen. Das heißt, Kosten, die Sie steuerlich geltend machen könnten, werden nicht berücksichtigt. Das macht eine Nachzahlung wahrscheinlich. Und so ein Bescheid entbindet nicht von der Pflicht, eine Steuererklärung abzugeben. Macht man das weiterhin nicht, kann das Finanzamt weitere Strafmaßnahmen ergreifen.

Wie macht man es besser?

Schmitz: Ich kann jedem nur raten: Gehen Sie in die Offensive! Prüfen Sie, ob Sie tatsächlich abgabepflichtig waren. Wenn ja, lassen Sie sich von einer Steuersoftware kostenlos ausrechnen, ob auch nach Abzug Ihrer Kosten noch eine Nachzahlung fällig wird. Ist das der Fall, sollten Sie die Steuererklärung so schnell wie möglich abgeben, um den Verspätungszuschlag zu minimieren.

Herr Schmitz, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Peter Schmitz, Geschäftsführer von WISO Steuer
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