Angriffe auf Luftwaffenbasis Explosionen erschüttern die Krim
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Für die Ukraine ist die Rückeroberung der Halbinsel Krim eines der obersten Kriegsziele. Mit Luftangriffen setzt sie die russischen Besatzer immer wieder unter Druck – so auch am Mittwoch.
Explosionen haben in der Nacht zu Mittwoch die von Russland besetzte Halbinsel Krim erschüttert. Dabei handelte es sich offenbar um einen ukrainischen Luftangriff auf den russischen Luftwaffenstützpunkt Belbek nördlich von Sewastopol. Laut Militärbeobachtern soll die Ukraine dabei US-Raketen vom Typ ATACMS mit großer Reichweite eingesetzt haben.
Der von Russland eingesetzte Gouverneur von Sewastopol, Michail Raswoschajew, meldete einen "massiven" ukrainischen Luftangriff auf die größte Stadt der Krim. Dieser wurde laut seinen Angaben abgewehrt. Trümmer einer abgefangenen Rakete sollen ein Geschäft in Sewastopol getroffen haben. Es habe keine Verletzten gegeben. Auch das russische Verteidigungsministerium erklärte, dass ukrainische Raketen über der Krim abgeschossen worden seien. Dabei handelte es sich laut den Angaben aus Moskau um ATACMS-Raketen aus den USA.
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Brände auf russischem Luftwaffenstützpunkt
Doch an den russischen Angaben gibt es erhebliche Zweifel. In sozialen Netzwerken kursieren Videos, die Einschläge von Geschossen und darauf folgend Explosionen auf der Luftwaffenbasis von Belbek zeigen sollen. Zudem zeigt das Fire Information for Resource Management System (FIRMS), ein nahezu in Echtzeit arbeitendes System der US-Raumfahrtbehörde Nasa zur weltweiten Erkennung von Bränden, dass auf dem Flughafen Belbek Feuer ausgebrochen sind, die sich im Laufe des Mittwochmorgens ausgebreitet haben. Die FIRMS-Daten, die auf der Beobachtung mit Satelliten basieren, sind stets mit rund drei Stunden Verzögerung einsehbar.
Der russischsprachige Telegramkanal "Astra" berichtet unter Berufung auf Anwohner, dass während des Angriffs rund 20 Explosionen zu hören gewesen seien. Demzufolge seien noch immer Brände auf dem Flugplatz Belbek aktiv. Das ukrainische Portal "Kyiv Independent" meldet, dass die russischen Behörden den Verkehr auf der Krimbrücke, die die Halbinsel mit dem russischen Festland verbindet, zumindest zeitweise eingestellt hätten.
Auf dem Stützpunkt ist ein Regiment der russischen Luftwaffe stationiert. Ein Regiment hat eine Truppenstärke zwischen 1.000 und 3.500 Soldaten. Undatierte Satellitenbilder der Basis zeigen bis zu 15 russische Kampfflugzeuge, die auf dem Flugfeld von Belbek geparkt sind. Wie viele Maschinen sich zum Zeitpunkt des Angriffs möglicherweise auf dem Flugplatz befanden, lässt sich aktuell nicht verifizieren.
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Ukraine griff wohl bereits am Montag russische Radarstation an
Die Ukraine nimmt seit Monaten verstärkt Ziele der russischen Armee auf der völkerrechtswidrig besetzten Krim ins Visier. Erst am Montag hatte es einen Angriff auf eine Radarstation der Russen im Bereich Aj-Petri auf einer Anhöhe nahe der Stadt Jalta im Süden der Halbinsel gegeben. Die Aufklärungsstation soll laut Berichten ukrainischer Medien beschädigt und der Kommandeur der dort stationierten Einheit #85683 getötet worden sein. Dabei soll die Ukraine britische Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow eingesetzt haben. Russland bestätigte lediglich, vier Marschflugkörper und sieben Drohnen über der Krim abgefangen zu haben. Von ukrainischer Seite gab es keine offiziellen Verlautbarungen.
Bereits zur Zeit der Sowjetunion wurde auf dem Gipfel des Berges Ai-Petri das Funktechnische Zentrum für Fernaufklärung und Führung der Luftverteidigungskräfte eingerichtet. Die auffälligen Kuppeln der Radaranlagen in Form von Kugeln zogen oft die Aufmerksamkeit von Touristen auf sich.
Für die Ukraine ist die Krim eines der wichtigsten militärstrategischen Ziele. Sie ist seit März 2014 von Russland besetzt. Eines der Kriegsziele der Ukraine ist die Rückeroberung der Krim. Russland hat mehrere Einheiten seiner Armee auf der Halbinsel stationiert, darunter das Kommando der Schwarzmeerflotte. Radarstationen auf der Krim sind für die russische Aufklärung der Front in der Ukraine unabdingbar und werden daher immer wieder zum Ziel für russische Luftangriffe.
Krim ist wichtiger Nachschubweg für Russlands Armee
Nicht zuletzt nutzt Russland die Halbinsel zur Versorgung seiner Truppen an der Front mit Nachschub. Dazu stützte sich die russische Armee zunächst vor allem auf die Krimbrücke. Durch ukrainische Angriffe auf das Bauwerk musste die russische Kriegslogistik jedoch umdisponieren und nutzt seit dem vergangenen Sommer verstärkt Eisenbahnlinien, auch neu gebaute Strecken im Süden der Ukraine. Mehr dazu lesen Sie hier.
Im April hatte der US-Kongress nach Monaten der Blockade ein 61 Milliarden US-Dollar schweres Militärpaket für die Ukraine bewilligt. Die USA hatten angekündigt, in dem neuen Waffenpaket auch ATACMS-Raketen mit größerer Reichweite an Kiew zu liefern. Diese soll bei bis zu 300 Kilometern liegen. In vorherigen Lieferungen war die Reichweite von Raketen dieses Typs auf 165 Kilometer begrenzt. Die Ukraine hat so mehr Möglichkeiten, russische Stellungen und Nachschubwege weit hinter der Front anzugreifen.
- kyivindependent.com: "Russian proxy reports strike on Sevastopol, media claim fire near military airfield" (englisch)
- twitter.com: Profil von @Osinttechnical
- Telegramkanal von Astra (russisch)
- firms.modaps.eosdis.nasa.gov: Fire Information for Resource Management System
- mil.in.ua: "Russia claims damage to radar system in occupied Crimea" (englisch)
- pravda.com.ua: "Ракети атакували базу ППО окупантів на Ай-Петрі, загинув командир військової частини" (ukrainisch)
- mit Material der Nachrichtenagenturen Reuters und dpa