"Starren Sie mich an?" Eklat im Trump-Prozess – Richter lässt Saal räumen
Das Verhalten des Zeugen verärgerte den Richter so sehr, dass er prompt den Gerichtssaal räumen ließ. Er verbitte sich Kommentare zu seinen Entscheidungen.
Im New Yorker Prozess gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump ist es zu einem dramatischen Moment gekommen. Richter Juan Merchan platzte bei der Befragung eines Zeugens der Verteidigung der Kragen. Der Zeuge Robert Costello, selbst ein Jurist, hatte während der Verhandlung offenbar die Entscheidungen des Richters infrage gestellt und sich nicht an dessen Anweisungen gehalten.
Trump wird in dem Prozess vorgeworfen, im Vorfeld der Wahl 2016 Geschäftsunterlagen im Zusammenhang mit der Zahlung an eine ehemalige Pornodarstellerin gefälscht zu haben. Costello, der von der Trump-Verteidigung überraschend als Zeuge aufgerufen worden war, sollte den Kronzeugen des Prozesses, Michael Cohen, unglaubwürdig machen.
Cohen hatte das Schweigegeld gezahlt, um eine Enthüllung über eine mutmaßliche sexuelle Affäre 2006 zu verhindern. Trump hat eingeräumt, Cohen das Geld zurückgezahlt zu haben. Er hat die Vorwürfe in dem Prozess, 34 einzelne Anklagepunkte, aber zurückgewiesen und von einem politisch motivierten Verfahren gesprochen.
Verhalten des Zeugens verärgert den Richter
Mit seinem Verhalten am Montag verärgerte Costello den Richter: So antwortete der Zeuge etwa unbeirrt auf Fragen, zu denen Merchan zuvor den Einspruch der Staatsanwaltschaft zugelassen hatte. Der Richter belehrte den Zeugen daraufhin, dass dieser in solchen Fällen nicht antworten dürfe.
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Zu einem stattgegebenen Einspruch der Staatsanwaltschaft sagte Costello vernehmlich "Jeesh" – übersetzbar etwa mit "Oh, mein Gott". Zudem rollte er die Augen, während der Richter sprach und schaute diesen fortwährend finster an.
Richter Merchan ließ die Geschworenen in der Folge aus dem Saal bringen und sagte zu dem Trump-Verbündeten Costello: "Ich möchte in meinem Gerichtssaal über den richtigen Anstand sprechen". Er verbitte sich Kommentare zu seinen Entscheidungen.
Dann platzt dem Richter der Kragen
Als Costello den Richter dann weiter finster anschaute, platzte es aus Merchan hörbar verärgert heraus: "Starren Sie mich an?", fuhr Merchan den Zeugen an. "Sie rufen nicht 'Herrgott'. Verstehen Sie das?", sagte der Richter. "Und Sie starren mich nicht an und rollen mit den Augen!"
Der Richter ließ daraufhin gegen 16 Uhr kurzzeitig den Saal räumen – mithilfe lauter und schneidender Anweisungen des Personals im Gericht. Journalisten und Beobachter durften Saal 1530 nach einigen Minuten wieder betreten, die Befragung wurde fortgesetzt.
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US-Medien sprachen vom "verrücktesten Moment" des Prozesses. Dabei hielt das Verfahren um eine der polarisierendsten politischen Figuren überhaupt schon vorher einige spektakuläre Momente bereit. Ein Reporter, der quasi täglich über das Verfahren berichtet, bezeichnete den Trump-Prozess als beste Reality-Show aller Zeiten.
Trump lobte Costello vor der Presse nach Ende des Gerichtstages. "Sie haben gesehen, was heute mit einem hoch angesehenen Anwalt, Bob Costello, passiert ist. Wow! So etwas habe ich noch nie gesehen", sagte er. Costello sei ein "hoch angesehener Anwalt", Richter Merchan dagegen ein "Tyrann".
Der Ex-Präsident war am Montagmorgen wie üblich in einem dunkelblauen Anzug vor Gericht erschienen, dazu trug er diesmal eine blaue Krawatte. Nachdem er für die Fotografen, die täglich nur für wenige Minuten vor der Sitzung in den Raum gelassen werden, seinen üblichen grimmigen Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte, folgte er der Sitzung zunächst aktiver als an vielen anderen Tagen, an denen er über längere Strecken mit geschlossenen Augen vor dem Richter saß.
Cohen räumt ein, Trump bestohlen zu haben
Bei seiner Vernehmung hatte Costello Trumps Ex-Vertrauten Cohen mit schweren Vorwürfen belastet. So beschuldigte er diesen indirekt der Lüge, indem er aussagte, dass Cohen ihm 2018 mitgeteilt habe, keine belastenden Beweise gegen den Ex-Präsidenten zu besitzen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Costello selbst als Anwalt für Trump gearbeitet und das FBI Cohens Büro durchsucht.
Cohen selbst gestand am Montag ein, Trump, zu diesem Zeitpunkt noch republikanischer Präsidentschaftskandidat, bestohlen zu haben. Der 57-Jährige räumte ein, dass er für eine Firma Trumps 50.000 Dollar an ein Technologieunternehmen hätte zahlen sollen. Er habe aber nur 20.000 Dollar gezahlt und den Rest behalten. Insgesamt habe ihm die Trump Organisation 100.000 Dollar für die Transaktionen mit dem Energieunternehmen erstattet.
Cohen rechtfertigte sein Vorgehen als eine Art Selbsthilfe. Er sei verärgert gewesen, weil sein Jahresbonus gekürzt worden sei, nachdem er 130.000 Dollar seines eigenen Geldes vorgestreckt hatte, um das Schweigen des Ex-Pornostars Stormy Daniels zu erkaufen. Sein Geständnis, seinen damaligen Chef bestohlen zu haben, könnte seine Glaubwürdigkeit bei den Geschworenen beschädigen.
Am Montag brachte Trump seine bislang größte Entourage an politischen Unterstützerinnen und Unterstützern mit. Eine der streitbarsten Figuren mag der verurteilte Rocker Chuck Zito sein: Medienberichten zufolge war der 71-Jährige in den 80er Jahren ein Mitbegründer der New Yorker Hells Angels, die vom US-Justizministerium als kriminelle Vereinigung eingestuft wurden. Wegen Drogendelikten verbrachte Zito über fünf Jahre im Gefängnis.
So geht es in dem Prozess weiter
Als Nächstes stehen in dem Prozess die Schlussplädoyers an – Richter Merchan nannte als möglichen Termin den Dienstag kommender Woche – und die Beratung der zwölf Geschworenen für ein Urteil folgen darauf. Offiziell gibt es für die Beratungen kein Zeitlimit, für gewöhnlich beraten Jurys aber einige Stunden bis mehrere Tage. Bei einem Schuldspruch würde der Richter das Strafmaß festlegen. Trump droht eine mehrjährige Freiheitsstrafe, die auch zur Bewährung ausgesetzt werden könnte oder eine Geldstrafe.
Die Staatsanwaltschaft beschuldigt Trump in dem Verfahren, seine Aussichten auf einen Erfolg bei der Präsidentschaftswahl 2016 durch die Zahlung von 130.000 Dollar an die Pornodarstellerin Daniels verbessert haben zu wollen. Obwohl die – von keiner Seite bestrittene – Zahlung selbst nicht illegal war, soll der heute 77-Jährige bei der Erstattung des Betrages an seinen damaligen persönlichen Anwalt Cohen Unterlagen manipuliert haben, um den wahren Grund der Transaktion zu verbergen. Dies habe die Zahlungen zu illegaler Wahlkampf-Finanzierung gemacht.
Es handelt sich um den ersten Strafprozess gegen einen ehemaligen Präsidenten in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Das Verfahren dürfte sich auf den gegenwärtigen Wahlkampf auswirken – die Frage ist bloß: wie stark und zu wessen Vorteil? Trump versucht die Anschuldigungen in einen persönlichen Vorteil umzumünzen und seine Anhängerschaft zu mobilisieren, indem er sich als Opfer einer politisch motivierten Justiz inszeniert. Amtsinhaber Joe Biden scheint von der Prozessarie gegen seinen Herausforderer bislang nicht erkennbar zu profitieren.
- edition.cnn.com: Dramatic day in court as defense begins to present case in Trump trial (englisch)
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa