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HomePolitikChristoph Schwennicke: Einspruch!

FDP in der Krise: Irrweg Ampel-Kritik – Lindners doppelte Problem


Meinung
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Liberale in der Krise
Die Zeit läuft ab

MeinungEine Kolumne von Christoph Schwennicke

Aktualisiert am 25.04.2024Lesedauer: 4 Min.
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Christian Lindner: Der FDP-Chef erinnert oft an seinen Vorgänger Guido Westerwelle. (Quelle: Johannes Simon/getty-images-bilder)

Die FDP sucht ihr Heil in permanenter innerkoalitionärer Opposition und stänkert gegen die eigene Regierung. So wird das nichts. Denn solche Leute konnte man schon in der Schule nicht leiden.

Neulich ist in Bonn eine Brücke nach ihm benannt worden. Von dort ist er gekommen, dort ist er im Grunde immer geblieben. Das klingt nach engem Horizont. Aber Kant kam auch nie aus Königsberg heraus und hat sich doch von dort ganz erfolgreich die Welt erklärt.

Was Guido Westerwelle wohl dazu sagen würde? Vermutlich fände er seinen Namen an der vormaligen Viktoriabrücke über die Bahngleise nahe dem Hauptbahnhof nach außen hin etwas peinlich, aber würde sich doch darüber freuen. Die Ehre wird ihm auch zurecht zuteil. Westerwelle war ein zu Lebzeiten von manchen gerne verlachter Politiker.

Und doch ein Großer und zu früh Gegangener in der deutschen Politik der Nachkriegsgeschichte. Eines der größten politischen Talente des ausgehenden 20. und angehenden 21. Jahrhunderts. Angefeindet oft auch deshalb, weil er mit Dingen recht hatte, die weh taten. Dem Verweis auf die Anzeichen spätrömischer Dekadenz in der deutschen Gesellschaft zum Beispiel. Da war was los! Dabei ist es einfach so: Wer etwas zu früh erkennt, den verlacht gerne die blinde und nicht sehen wollende Mehrheit. Das ist immer so. Und bestätigt nur den Befund.

Christoph Schwennicke
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Christoph Schwennicke ist Politikchef und Mitglied der Chefredaktion von t-online. Seit fast 30 Jahren begleitet, beobachtet und analysiert er das politische Geschehen in Berlin, zuvor in Bonn. Für die "Süddeutsche Zeitung", den "Spiegel" und das Politmagazin "Cicero", dessen Chefredakteur und Verleger er über viele Jahre war. Bei t-online erscheint jeden Donnerstag seine Kolumne "Einspruch!".

Ich muss die Tage oft an Guido Westerwelle denken, und frage mich, was er wohl dazu sagen würde. Nicht zur Brücke, sondern zum Zustand der FDP und des Liberalismus in Deutschland. Letzterer hatte es immer schwer in einem Land, das das Wort Freiheit zwar in der ersten Zeile seiner Nationalhymne prominent nennt, das sich damit aber immer schon schwertat. Der Freisinn wird allzu leichtfertig als Gift für das Gemeinwohl betrachtet, was gar nicht sein muss, wie bei Adam Smith in seinem "Wohlstand der Nationen" nachzulesen ist. Hierzulande hat sich leider die Vulgär-Lesart des Liberalismus durchgesetzt, wie Franz Müntefering, Sachwalter der sozialdemokratischen Idee am Übergang von der Bonner zur Berliner Republik, gerne höhnte: Jeder denkt an sich, dann ist an alle gedacht. ("Ja, stimmt genau", hätte ihm übrigens Smith darauf geantwortet, "da gibt es gar nichts zu lachen".)

Die Misere der real existierenden FDP dieser Tage hat aber nur zum Teil damit zu tun, dass sie hierzulande seit Jahr und Tag eine harte und karge Scholle bestellt. Wahlergebnisse wie jenes der vergangenen Bundestagswahl mit 11,5 Prozent bezeugen ja, dass die Liberalen nicht um die Todesmarke der fünf Prozent herumkrebsen müssen, wie sie es derzeit wieder tun.

Eine Feuerpause – selbst gebrochen

Jetzt gehen sie auf ihren Parteitag am kommenden Wochenende zu, und damit sie sich da in Ruhe feiern können, wurde sogar eine Art Feuerpause in der Ampel vereinbart: Die eigentlich anstehenden Meldungen von Sparvorschlägen aus den Ministerien für den Haushalt 2025 wurden vorläufig ausgesetzt, erst sollen die Liberalen über ihren Parteitag kommen, dann geht das tatsächlich ins Existenzielle spielende Gezänk dieser drei Zwangspartner in einer Bundesregierung wieder weiter. Und geklappt hat das dann auch nicht so richtig mit der Feuerpause. Weil die FDP zum Dank der Pause ihr Anti-Rot-Grün-Papier just zum Parteitag vorgelegt hat.

Die Lage der FDP eines Christian Lindner lässt sich so zusammenfassen: Erst hatten sie es nicht leicht, und dann machten sie es sich noch selbst schwer. Es ist faszinierend zu verfolgen, wie diese Partei wirklich alles tut, um es sich maximal bei Freund und Feind zu verscherzen. Sie tut alles dafür, dass das F in ihrem Namen weniger für Freiheit, sondern eher für fies (und unsympathisch) steht.

Da ist eine Verteidigungsexpertin und Europawahl-Spitzenkandidatin, die ihre Rohre am liebsten aufs Kanzleramt richtet und dann auf Dauerfeuer stellt. Da ist ein Verkehrsminister, der einerseits verbissen am Nein zum Tempolimit festhält, aber den Grünen die Schuld an einem Fahrverbot für Autofahrer am Wochenende zuschanzen will, obwohl er selbst seine Vorgaben bei den Klimazielen reißt. Und da ist ein Parteichef, der dem grünen Rigorismus (den er völlig zu Recht beklagt) einen eigenen bei der Schuldenbremse entgegensetzt.

Die fehlende Empathie

Christian Lindner war Westerwelles Generalsekretär. Er ist bei ihm in die politische Lehre gegangen. Bis in die Art zu reden hinein. Spricht Lindner im Radio, meint man bis heute Westerwelle dort zu hören. Lindner ist die maschinenhaftere Version seines Vorgängers, der bei aller Stromlinienform immer auch noch eine verletzliche, empathische Seite, Ecken und Kanten hatte. Der seine Rolle mal für einen kurzen Moment oder ein paar Stunden sogar ablegen konnte. Der dann tatsächlich nahbar war. Der Gefühle zeigte. Regungen.

Christian Lindner ist wie Guido Westerwelle – "nur krasser", würden die jungen Leute formulieren.

Diese Kühle, diese metallisch-mechanische Härte, die ihr Vorsitzender verströmt, diese fehlende Empathie, die von der ganzen Partei ausgeht und die sie deshalb auch nicht zurückbekommt. Das ist das Problem der FDP im Jahre 2024. Das nimmt nicht ein. Und noch weniger, wenn die Protagonisten bei ausbleibendem Erfolg innerhalb der Ampel immer mehr in einen Mecker-, Maul- und Moser-Modus schalten. Das ist doppelt unsympathisch. Das mochte man schon auf dem Schulhof nicht.

Das doppelte Problem

Insofern haben die Liberalen derzeit ein doppeltes Problem. Ein Produktproblem wegen weitgehender Produktenttäuschung bei ihrer Kernklientel. Und ein Imageproblem bei jener Wählerschaft, die sich jedenfalls grundsätzlich vorstellen könnte, ihnen ihre Stimme zu geben wie seinerzeit bei der Bundestagswahl.

Bis zur nächsten ist, gemessen an diesem Problemberg, nicht mehr viel Zeit. Die Parteispitze muss sich sehr genau überlegen, ob sie Produkt wie Image in so kurzer Zeit in dieser Koalition oder doch besser befreit von ihr wieder attraktiver macht.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen
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