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Effenberg warnt nach dem Fall Eberl: Vorsicht, Leute


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Warnung nach dem Fall Eberl
Vorsicht, Leute

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

28.01.2022Lesedauer: 4 Min.
Max Eberl (l.) macht nach 23 Jahren in Diensten von Borussia Mönchengladbach Schluss. Der frühere Gladbach-Kapitän Stefan Effenberg (Kreis) hat großen Respekt vor der Entscheidung.Vergrößern des Bildes
Max Eberl (l.) macht nach 23 Jahren in Diensten von Borussia Mönchengladbach Schluss. Der frühere Gladbach-Kapitän Stefan Effenberg (Kreis) hat großen Respekt vor der Entscheidung. (Quelle: imago-images-bilder)

Er war mehr als ein Jahrzehnt Sportchef bei einem der größten Bundesliga-Vereine. Nun ist Max Eberl einen radikalen Schritt gegangen, an dem sich andere ein Beispiel nehmen sollten.

Max Eberl macht Schluss. Nach 23 Jahren als Spieler, Nachwuchschef und Sportdirektor bei Borussia Mönchengladbach.

"Ich bin erschöpft, müde, habe keine Kraft mehr."

"Ich bin an dem Punkt angelangt, an dem ich sagen muss: Ich muss raus."

"Ich beende etwas, was mein Leben war."

Hier geht es um das Leben

Eberl hat einige Tränen verdrückt und eindrucksvolle Worte gefunden, um seine Entscheidung darzustellen. Die ist ihm ganz sicher nicht leichtgefallen, aber in den vergangenen Wochen gereift. Und sie nötigt mir riesigen Respekt ab. Nur wenige haben den Mut, mit so einer Überzeugung diesen Schlussstrich zu ziehen.

Lässt Eberl damit seine Borussia im Stich, die in der größten sportlichen Krise seit Jahren steckt? Auf keinen Fall. Und jeder, der das behauptet oder anderweitig ein böses Wort findet, ist auf dem absoluten Holzweg.

Hier geht es nicht mehr um Fußball. Hier geht es um das Leben. Um Gesundheit. Um Familie. Um etwas Wichtigeres und Größeres als den Sport.

Jede Niederlage war persönlich

Ich kann zu hundert Prozent nachvollziehen, dass Eberl an diesen Punkt gelangt ist, dass er nach dieser langen Zeit ausgebrannt ist. Dass er genug hat vom Druck, von den Medien und den Nebengeräuschen. Dass er die Freude verloren und keine Kraft mehr hat.

Eberl sagt, dass er jede Niederlage der Mannschaft als seine persönliche empfunden – und sie ihn entsprechend beschäftigt hat. Das kann natürlich wahnsinnig kräftezehrend sein.

Schon als Spieler ist es so, dass dich verloren gegangene Spiele sehr beschäftigen. Nach dem Last-Minute-K.o. mit dem FC Bayern im Champions-League-Finale 1999 gegen Manchester United bin ich auch nicht flötend nach Hause gegangen. Im Gegenteil.

Keine Chance zu reflektieren

Man nimmt eine harte Niederlage mit in den Schlaf – und steht morgens wieder mit ihr auf. Ich habe das alles erst nach meiner aktiven Karriere wirklich reflektieren können.

Als Verantwortlicher in einem Verein ist das noch mal etwas ganz anderes. Du hast permanent Druck. Von außerhalb des Vereins. Von innerhalb. Von dir selbst.

Und Eberl hatte im Vergleich zu mir nie die Gelegenheit, in aller Ruhe zu reflektieren. Er spazierte nach dem Karriereende gleich in das Büro des Nachwuchskoordinators. Und von dort aus weiter in das des Sportdirektors. Erst jetzt bricht er aus dem Hamsterrad aus.

Früher hätte man gelacht

Eberl ist ein Vorbild, weil er offen darüber spricht, wie ihn die Belastung und der Fußball krank gemacht haben. Das ist ein Zeichen von Stärke und nicht von Schwäche. Darüber wird in der Branche viel zu wenig gesprochen – auch wenn es sicherlich schon viel besser geworden ist in den letzten Jahrzehnten.

In den 70er- und 80er-Jahren hat man sich kaputtgelacht, wenn jemand über Erschöpfung, fehlende Kraft und Leere gesprochen hat. Auch in den Neunzigern war das kein Thema. Heute arbeiten die Vereine mit Psychologen und sind viel sensibler im Umgang geworden. Zumal man nie weiß, was noch drohen könnte, wenn man nicht auf seine körperliche und mentale Gesundheit achtet.

Vorsicht, Leute!

Reden ist dabei das eine, Machen das andere. Und deshalb warne ich und sage: Vorsicht, Leute! Passt auf Eure Gesundheit auf und nehmt lieber mal eine Auszeit.

Eberl ist nicht der Einzige, der über Jahre hundert Prozent gegeben hat für einen Verein. Der an die Erschöpfungsgrenze und darüber hinaus gegangen ist, um Erfolg zu haben.

Ich bin oft erschrocken, wenn ich sehe, was diese Belastung mit Trainern macht. Wenn einer ein paar Jahre im Ausland gearbeitet hat und zurückkommt, ist er oftmals um einige Jahre mehr gealtert, als er weg war. Weil er sich aufgeopfert hat für einen Verein.

Die Kehrseite des Sports

Steffen Baumgart beim 1. FC Köln ist für mich auch ein Beispiel für einen Trainer, dem man ansieht, wie viel Kraft er investiert. Auch er muss sicher auf seine Gesundheit achten.

"Die verdienen ja auch genug", heißt es oft. Bei dem Argument kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Die Belastung, der Druck: Das ist die Kehrseite des Sports – allerdings nicht nur des Sports.

Es gibt einfach Branchen, in denen die Verantwortung und Belastung extrem sind. Der Vergleich mag überraschend kommen, aber in der Spitzenpolitik ist es letztlich doch ähnlich.

Hochachtung!

Angela Merkel war 16 Jahre Kanzlerin und hat unter einem unfassbaren Druck gestanden. Seit wenigen Monaten ist sie raus. Das muss eine unglaubliche Erlösung gewesen sein. Die schönste Zeit ihres Lebens hat jetzt begonnen. Entspannt, stressfrei, losgelöst vom Druck.

Natürlich ging es bei Merkel um das Wohl der gesamten Bundesbevölkerung, Europas und der Welt – bei Eberl "nur" um einen Fußballverein. Und doch wird auch er nun seinen Kaffee in aller Ruhe trinken können und nicht nebenbei einen Vertrag verhandeln oder einen Spieler transferieren müssen. Auch er hat womöglich die beste Zeit seines Lebens vor sich.

Ob in der Spitzenpolitik oder im Fußball: In beiden Berufszweigen wird dauernd an der Arbeit herumgemäkelt von Leuten, die ich gern mal über einen so langen Zeitraum in so einer Verantwortung und im Fokus sehen würde. Ich habe Hochachtung – sowohl vor Merkel als auch vor Eberl, die so lange eine so hochintensive Aufgabe bewältigt haben.

Wie geht es nun mit Borussia Mönchengladbach weiter? Ich mache mir trotz der sportlich prekären Situation und des Eberl-Abgangs noch keine großen Sorgen. Die Qualität der Mannschaft ist groß genug, um diese Saison zumindest nicht in Abstiegsnot zu geraten. Und die Strukturen sind gefestigt genug, um die richtigen Entscheidungen für die Zukunft zu fällen.

Es geht um eine unbestimmte Zeit

Noch wichtiger ist, wie es mit Max Eberl weitergeht. Ich würde mich natürlich freuen, ihn irgendwann im Fußball wiederzusehen. Vielleicht bei Gladbach, vielleicht bei einem anderen Klub – und womöglich schließt er auch mit dem Fußball ab.

Das alles spielt aber jetzt überhaupt keine Rolle. Es geht um seine Gesundheit – und um eine unbestimmte Zeit. Die muss er sich nehmen und ich wünsche ihm dafür alles Gute!

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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