Nachhaltigkeit Was bringt ein gutes Gewissen bei der Geldanlage?
Ein Begriff macht Karriere: Nachhaltigkeit ist in fast aller Munde. Spielte das Wort noch vor wenigen Jahren allenfalls in der Umweltbewegung eine Rolle, gewinnt es inzwischen für immer breitere Bevölkerungsteile an Bedeutung – egal ob beim Einkaufen, Essen, Reisen, Einkleiden oder bei der Geldanlage.
Kein Wunder, denn beschrieben wird damit ein gutes Prinzip: Die eigenen Bedürfnisse befriedigen, ohne dabei zukünftigen Generationen die Lebensgrundlagen zu entziehen. Glaubt man Umfragen, wird genau das für viele Menschen immer wichtiger. Nicht zuletzt wegen Corona.
Seit Beginn der Pandemie ist Nachhaltigkeit für 18 Prozent der Bundesbürger bedeutender geworden, wie eine Umfrage der Puls Marktforschung im Auftrag der Quirin Privatbank zeigt. Für fast 67 Prozent ist das Thema demnach noch genauso wichtig.
Wachstumsraten sind enorm
"Das ist längst kein Nischenthema mehr", sagt Carlo Funk, beim Vermögensverwalter State Street Global Advisors verantwortlich für nachhaltige Investmentstrategie. "Das Bewusstsein für das Thema ist da. Damit beschäftigen sich viele Kunden."
Und der Markt wächst. Allein 2019 investierten Privatanleger 18,3 Milliarden Euro in entsprechende Produkte, wie der letzteMarktbericht des Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG)zeigt. Das entspricht einer Wachstumsrate von 96 Prozent. 2018 lag diese Summe noch bei rund 9,4 Milliarden Euro. Dass die Zahlen für 2020 schlechter ausgefallen sind, ist kaum zu erwarten.
Im Gegenteil: "Auch im vergangenen Jahr war das Wachstum im Volumen nachhaltiger Anlagen rasant", sagt Reinhard Pfingsten, Chief Investment Officer bei der Bethmann Bank. "Während in den Vorjahren der Markt im Wesentlichen von institutionellen Geldern geprägt war, spielt nun auch der Privatkundenmarkt eine immer größere Rolle."
"Nachhaltige Kapitalanlagen sind der Megatrend auf dem globalen Börsenmarkt", erklärt Lena Lochner, Portfoliomanagerin Bayerische Vermögen Management AG. "Nachhaltige Fonds und ETFs haben 2020 nicht nur ihr Handelsvolumen ausbauen können, sondern auch eine außerordentlich positive Wertentwicklungen gezeigt."
Einheitliche Kriterien fehlen
Trotz dieser guten Entwicklung gibt es ein Problem: Was als nachhaltig gilt, ist nicht einheitlich festgelegt. "Der Begriff verschwimmt zudem immer mit der Definition von ESG - also den Kriterien für eine gute Umwelt (E), für die Berücksichtigung sozialer Aspekte (S) und für eine gute Unternehmensführung (G)", erklärt Frank Wieser, Geschäftsführer von PMP Vermögensmanagement.
Gerade für Privatanleger ist es deshalb oft nicht einfach, passende Produkte zu finden. So nahm dieStiftung Warentestnachhaltige Fonds, die weltweit investieren, unter die Lupe. Die Tester wollten unter anderem wissen, welche Branchen und Geschäftspraktiken die Anbieter ausschließen und ob das auch für Töchter, Beteiligungen und Zulieferer der Firmen gilt. Ein Ergebnis: In ihrer Anlagestrategie unterscheiden sich die Fonds mitunter deutlich.
Analyse erfordert viel Wissen
Oft geben sich Firmen oder Anbieter nur einen nachhaltigen Anstrich, weil sie sich davon bessere Chancen erhoffen. In Wirklichkeit arbeiten sie aber gar nicht so umweltbewusst oder sozial wie dargestellt. "Privatanleger haben kaum die Möglichkeit, dieses sogenannte "greenwashing" zu durchschauen", sagt Carlo Funk.
Denn die Recherche ist sehr aufwendig: "Im Prinzip müssen Sie ihre klassische Wertpapieranalyse verdoppeln für die nachhaltige Analyse", sagt Reinhard Pfingsten. Die allermeisten Kleinanleger sind hier vermutlich überfordert.
Angebot soll für Anleger transparenter werden
Trotzdem wird der Markt nachhaltiger Anlagen weiter wachsen, da sind sich die viele Experten sicher. Dazu beitragen wird neben einem gewachsenen Bewusstsein auch die Regulierung: Durch die neue Offenlegungsregulierung der EU soll das Thema nachhaltige Geldanlage für Anleger und ihre Berater in 2021 ein fester Bestandteil werden.
"Hintergrund ist die Umsetzung des EU-Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums", erklärt Mathias Lebtig, Geschäftsführer der FP Asset Management GmbH. "Wer künftig einen Kunden zur Geldanlage berät, muss seine Nachhaltigkeitspräferenzen abfragen." Für Carlo Funk steht fest: "Das wird die Landschaft verändern." Denn Nachhaltigkeit werde jetzt in jedem Beratungsgespräch ein Thema.