Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Klimawissen Nachhaltigkeit
Von der Urlaubsreise bis zum Frühstücksbrötchen: Plötzlich soll alles nachhaltig sein. Dahinter verbirgt sich kein kurzfristiger Hype – sondern ein Prinzip, das sich seit mehr als 300 Jahren bewährt.
Hans Carl von Carlowitz, Berghauptmann im sächsischen Freiberg, hatte ein Problem. Eigentlich lief es gut im Erzgebirge, das 18. Jahrhundert war gerade angebrochen und dem Bergbau ging es prächtig. Doch genau das machte dem Berghauptmann Sorgen: Die Öfen in den Erzgruben und Schmelzhütten verschlangen immer mehr Holz. Die Lösung, die Carlowitz schließlich fand, war simpel: Man dürfe nur so viele Bäume schlagen, wie nachwachsen könnten, schrieb er im Jahr 1713. Dieser Moment gilt als Geburtsstunde der Nachhaltigkeit: Carlowitz war der erste, der das Prinzip formulierte.
Drei Jahrhunderte später soll plötzlich alles nachhaltig sein: was wir essen, wie wir uns bewegen, was wir anziehen, wie wir wohnen. Wir müssen so leben, dass genug für die kommenden Generationen bleibt: Das ist die grundsätzliche Idee von Nachhaltigkeit. Mit Carlowitz ließe sich sagen: Wir dürfen nicht mehr Ressourcen verbrauchen, als nachwachsen können.
Bei Nachhaltigkeit geht es um Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft
Dabei geht es längst um mehr als um Holz. Nachhaltigkeit umfasst drei Dimensionen, die miteinander in Einklang gebracht werden müssen:
- Ökologie: Die Erdatmosphäre und die Umwelt müssen geschützt werden.
- Ökonomie: Wirtschaftliche Kreisläufe müssen erhalten bleiben.
- Soziales: Alle Gesellschaftsschichten müssen profitieren, eine nachhaltige Umgestaltung darf nicht auf Kosten einzelner Gruppen geschehen.
Umweltschutz ist also nur eine Seite von Nachhaltigkeit, auch Gesellschaft und Wirtschaft spielen bei dem Prinzip eine Rolle. Das macht die Sache so komplex. Denn so einfach die Idee von Carlowitz klang, so schwierig kann es sein, nachhaltig zu handeln. Das machen schon Entscheidungen beim Einkaufen deutlich: Ist die Tomate regional gewachsen oder von fern eingereist, in Plastik verpackt oder lose angeboten, mit Pestiziden behandelt oder biologisch angebaut? Wie viel verdient eigentlich der Bauer, der das Gemüse angebaut hat? Und nicht zuletzt: Kann ich mir Super-Tomate überhaupt leisten?
Und wer muss das jetzt umsetzen?
Eine große Diskussion ist auch die Frage nach der Verantwortung: Bin ich selbst dafür verantwortlich, nachhaltig zu handeln? Oder ist es die Aufgabe der Politik, sich darum zu kümmern? Tatsächlich lassen sich die beiden Bereichen kaum getrennt voneinander betrachten. Denn das Handeln Einzelner beeinflusst auch die Politik: Dass Plastiktüten inzwischen kostenpflichtig sind, liegt auch daran, dass schon vorher viele Menschen auf Plastik verzichteten – das schuf den gesellschaftlichen Rückhalt für das Gesetz, das 2018 in Kraft trat.
Ökologie, Ökonomie und Soziales zusammenzubringen, ist also komplex – aber möglich und notwendig. Dass im Erzgebirge heute noch Bäume stehen, spricht dafür, dass Carlowitz seine Idee durchsetzen könnte. Der Titel seines prägenden Werks zur Nachhaltigkeit trug übrigens einen Nachsatz, der sich als Motto für nachhaltiges Handeln lesen lässt: "Aus Liebe zur Beförderung des allgemeinen Besten beschrieben".
- S. Eismann/N. Lorkowski: Fair für Alle! Warum Nachhaltigkeit mehr ist als nur "bio"
- S. Rahmstorf und H.J. Schellnhuber: Der Klimawandel
- Zeit Online: Oh holder Tann!
- Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Nachhaltigkeit