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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Diagnose für zu Hause Urologe rät von PSA-Selbsttests ab
Eine Diagnose von zu Hause aus? Kein Problem, versprechen zumindest zahlreiche Selbsttests, die in Drogerien, im Internet und in Apotheken angeboten werden. Diabetes-Risiko, erhöhte PSA-Werte oder Darmerkrankungen – mehr als ein paar Tropfen Blut, Stuhl, Speichel oder Urin braucht es für das schnelle Ergebnis in der Regel nicht. Doch Vorsicht: Was für die Pharmakonzerne ein riesiges Geschäft ist, kann für den Verbraucher zu einer Gefahr werden. Wir haben bei Experten nachgefragt, wann Selbsttests sinnvoll sind und wann nicht.
"Prinzipiell hat jeder Mensch das Recht, sich selbst zu testen, egal ob über gekaufte Selbsttests oder über frei zugängliche Fragebögen im Internet", sagt Dr. Ursula Sellerberg, stellvertretende Pressesprecherin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). "Allerdings sollte man sich immer fragen, welchen Nutzen der jeweilige Test bringt, ob es sich lohnt, Geld zu investieren und welche Konsequenzen er haben kann." Sie empfiehlt, einen Arzt zu Rate zu ziehen, sobald das Ergebnis Hinweise auf einen Mangel oder eine Erkrankung gibt und rät strikt davon ab, aufgrund eines Testergebnisses zur Selbstmedikation zu greifen. Denn das kann der Gesundheit schaden.
Arztbesuch nicht ersetzbar
Selbsttests jeglicher Art bieten lediglich eine erste Orientierung für den Patienten. Sie können einen Arztbesuch nicht ersetzen. Zumal es passieren kann, dass das Ergebnis falsch ist, zum Beispiel wenn ein Fehler bei der Anwendung passiert. Die Folge kann sein, dass sich der Patient entweder in falscher Sicherheit wiegt oder bis zum nächsten Arztbesuch Ängste durchleben muss. "Kein Test ist 100-prozentig sicher", betont Sellerberg. "Selbst wenn der Test eine Sicherheit von 99,9 Prozent bietet, bedeutet das, dass eine Person von 1.000 eine falsche Diagnose in den Händen hält."
Man sollte sich daher immer überlegen, ob man besser gleich zum Arzt geht. Zwar bieten auch die Untersuchungen des Mediziners keine 100-prozentige Sicherheit, doch er kann Testergebnisse direkt mit dem Patienten besprechen und bei Bedarf weitere Untersuchungen anordnen.
Ein Wert allein ist oft nicht genug
Auch Dr. Wolfgang Bühmann, Pressesprecher des Berufsverbandes Deutscher Urologen, steht Selbsttests skeptisch gegenüber. Besonders dann, wenn die Ergebnisse für den Patienten weitreichende Folgen haben können. Man denke zum Beispiel an Tests, die Hinweise auf eine Krebserkrankung wie Darm- oder Prostatakrebs geben.
Der Urologe rät Männern strikt von PSA-Selbsttests ab. Und das hat mehrere Gründe. "Nehmen wir an, das Testergebnis zeigt einen erhöhten PSA-Wert an. Nun wird sich der Mann natürlicherweise Sorgen machen – gepaart mit dem Fakt, dass kein Urologe da ist, der den Wert interpretieren und mit ihm die weitere Vorgehensweise besprechen kann. Der Mann sorgt sich also so lange, bis er einen Termin bekommt", sagt Bühmann. "Da ist es doch besser, wenn der Patient gleich zum Arzt geht."
Ein weiteres Problem ist die Aufteilung der Werte: "Bei einem PSA-Selbsttest ist die Grenze willkürlich gezogen. Ein Wert unter vier ist gut, ein Wert über zehn ist schlecht und dazwischen ist eine Grauzone", so der Experte. Doch das ist kritisch zu bewerten, wie Bühmann weiß. Denn ein einzelner PSA-Wert allein hat keine Aussagekraft. Man müsse die Werte über einen längeren Zeitraum hinweg vergleichen, um sie richtig interpretieren zu können, betont der Urologe. Jeder Mann habe einen individuellen PSA-Wert.
Einzelne Test-Werte nicht so ernst nehmen
Man solle generell bei Selbsttests den einzelnen Ergebniswert nicht zu ernst nehmen, sagt Sellerberg. Im Zweifel könne man den Test ein zweites Mal durchführen. Besser sei es aber, mit dem Ergebnis zum Arzt zu gehen, bevor man in Panik verfalle. Viele Tests, wie zum Beispiel Blutdruck-, Cholesterin- oder Blutzuckermessungen, können zudem auch in der Apotheke durchgeführt werden. Dort hat man ebenfalls einen Ansprechpartner. "Aber auch bei Blutdruckmessungen muss man sich bewusst sein, dass eine Messung allein noch keine Aussagekraft hat", betont die Expertin.
Nicht in falscher Sicherheit wiegen
Wer den Ergebnissen zu sehr vertraut und diese nicht von einem Arzt bestätigen lässt, riskiert, eine Erkrankung zu vermuten, wo keine ist. Sellerberg nennt hierfür ein Beispiel: "Wenn jemand Magen-Darm-Problemen hat, kann es sein, dass er aufgrund eines Selbsttests bei sich eine Gluten-Unverträglichkeit diagnostiziert. Daraufhin isst er über Jahre hinweg kein glutenhaltiges Getreide mehr und stellt seine Ernährung komplett um. Das kann unnötig sein, wenn die Magen-Darm-Probleme nicht an der Gluten-Unverträglichkeit liegen, sondern beispielsweise an einem Reizdarmsyndrom."
Bevor man sich für einen Selbsttest entscheidet, sollte man schauen, welche Informationen es dazu gibt und wie zuverlässig er eingestuft wird. Die ABDA beispielsweise stuft folgende Gesundheitstests als empfehlenswert ein: Schwangerschaftstests, Blutdruck- und Blutzuckermessungen sowie Messungen der Blutfettwerte. Dabei sollte allerdings nicht nur das Gesamtcholesterin gemessen, sondern zwischen den verschiedenen Cholesterinwerten unterschieden werden. Zudem kann nach Absprache mit dem Arzt die Messung der Blutgerinnungsfähigkeit ebenso von Nutzen sein wie die Messung der Langzeit-Blutzuckerwerte.
Finger weg von Tests auf schwerwiegende Leiden
Dem stimmt auch Christoph Kranich von der Fachabteilung Gesundheitsdienstleistungen der Verbraucherzentrale Hamburg (VZHH) zu: "Für chronisch Kranke, die gewisse Untersuchungen immer wieder durchführen müssen, machen Selbsttest für zu Hause durchaus Sinn. Zudem haben die Betroffenen von ihrem Arzt eine Einweisung für den Umgang mit diesen Tests erhalten, beispielsweise bei Blutzuckermessungen."
Doch was Selbsttests angeht, die erhebliche Konsequenzen für den Verbraucher haben können, beispielsweise wenn es um schwerwiegende Erkrankungen geht, ist die Meinung des Verbraucherschützers deutlich: "Finger weg!", betont er. "Der Patient ist mit den Werten völlig allein gelassen. Das geht gar nicht." Außerdem können die Tests eine Erkrankung selbst meist gar nicht erkennen, sondern lediglich einen Hinweis darauf geben, der durch weitere Untersuchungen überprüft werden muss, weiß Kranich. Mit diesem Hinweis müsse man dann sowieso zum Arzt, denn die Diagnose einer Krankheit sei letzten Endes Aufgabe des Mediziners.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.