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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Vermeintlicher Wachmacher Stammt das Taurin in Energydrinks wirklich aus Stierhoden?
Taurin soll die Leistung steigern und bei Sportlern die Muskeln schützen – behauptet die Werbung. Bisher ist die Substanz jedoch wenig erforscht. Zudem hält sich ein Mythos über die Herkunft von Taurin hartnäckig.
Energydrinks, Nahrungsergänzungsmittel oder Katzenfutter: Immer wieder kann man dem Begriff "Taurin" begegnen. Der Substanz wird nachgesagt, die Leistung zu steigern, als Wachmacher zu wirken – und dass sie aus Stierhoden stammen soll. Bisher ist vergleichsweise wenig über Taurin bekannt. Mit einigen Mythen kann dennoch aufgeräumt werden.
Was ist Taurin?
Taurin kommt natürlicherweise im Körper vor. Es entsteht als Stoffwechselprodukt aus den Aminosäuren Cystein und Methionin. Fälschlicherweise wird Taurin daher oft selbst als Aminosäure bezeichnet. Tatsächlich handelt es sich jedoch um eine Aminosulfonsäure. Der korrekte chemische Name lautet 2-Aminoethansulfonsäure oder β-Aminoethansulfonsäure.
Wo kommt Taurin vor?
Taurin wird durch den menschlichen Körper selbst in Gehirn und Leber hergestellt. Zudem nimmt der Mensch bei normaler Ernährung zwischen 10 und 400 mg Taurin am Tag über die Nahrung auf. Der Stoff kommt vor allem in Fisch, Fleisch und Milch vor. Muttermilch enthält besonders viel Taurin.
Ansonsten wird Taurin künstlich in Lebensmittellaboren hergestellt und zum Beispiel Energydrinks zugesetzt. Auch als Nahrungsergänzungsmittel, als Getränk, Kapseln oder Pulver ist es erhältlich.
Wie wirkt Taurin?
Taurin ist für den Körper wichtig. Der Stoff ist ein Bestandteil der Gallensäure und als solcher an der Fettverdauung und der Aufnahme von Nahrungsfetten von Darm ins Blut beteiligt.
Darüber hinaus wird ihm eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Zentralen Nervensystems zugeschrieben, vor allem bei der Entwicklung des Gehirns und der Stabilisierung von Zellmembranen. Wissenschaftlich bewiesen ist dies bisher allerdings nicht. Zudem soll Taurin den Einstrom von Kalzium in die Herzmuskelzellen regulieren und so für einen regelmäßigen Herzschlag sorgen.
Ob eine zusätzliche Taurinaufnahme – zum Beispiel über Energydrinks – zur Steigerung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beiträgt, ist ebenfalls wissenschaftlich nicht eindeutig erwiesen.
Wie wird Taurin verwendet?
Viele Energydrinks sind mit Taurin versetzt. Zusammen mit dem ebenfalls enthaltenen Koffein soll der Stoff als Fit- und Wachmacher wirken. Dieser Effekt ist Studien zufolge jedoch lediglich auf das Koffein zurückzuführen. Bei Sportlern wird die Substanz dafür angepriesen, zellschützend in der Muskulatur zu wirken. Ein starker Effekt ist hier jedoch nicht belegt.
Als Arzneimittel kommt Taurin bei Neu- und Frühgeborenen zum Einsatz: Für sie ist der Stoff besonders wichtig. Es wird vermutet, dass Taurin beispielsweise für die Bildung der Augennetzhaut (Retina) benötigt wird. Unter bestimmten Umständen, zum Beispiel bei Infektionen, kann die Eigensynthese, also die Herstellung im Körper, aber nicht ausreichend sein. Bei einer künstlichen Ernährung von Neugeborenen per Nährstoffinfusion, parenterale Ernährung genannt, sind die Präparate daher mit Taurin angereichert. Auch viele Frühgeborenen- und Säuglingsmilchnahrungen enthalten den Stoff.
Zudem kann Taurin bei medizinischer Notwendigkeit als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen werden. Es wird vermutet, dass es einen positiven Effekt zum Beispiel bei bestimmten Augenerkrankungen und Herzproblemen haben könnte. Die Forschung steht hier jedoch erst am Anfang. Die Einnahme sollte unbedingt mit einem Arzt besprochen werden.
Welche Nebenwirkungen hat Taurin?
Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit efsa (European Food Safety Agency) spricht bis zu einer Menge von 1.000 Milligramm von keinen beobachtbaren Nebenwirkungen. Es muss somit vermutlich eine sehr hohe Dosis Taurin konsumiert werden, bis zu es Nebenwirkungen kommt. Studien zu Aufnahmemengen von über 1.000 Milligramm existieren bisher jedoch nicht. Dennoch sind höhere Dosen laut Experten nicht zu empfehlen. Da die Ausscheidung über den Urin erfolgt, sollten Menschen mit Nierenbeschwerden ebenfalls auf eine zusätzliche Aufnahme von Taurin verzichten.
Zudem können Energydrinks bei Kindern und Jugendlichen und in Kombination mit Sport, Alkohol und/oder Koffein gefährliche Wirkungen haben. Hierbei ist die Rolle des Taurins jedoch nicht ausreichend erforscht.
Ist Taurin gefährlich?
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt, dass in der Vergangenheit Komplikationen aufgetreten sind, wenn taurinhaltige Energydrinks zusammen mit Alkohol und vor, beim oder direkt nach dem Sport konsumiert wurden. Das BfR listet hierbei folgende Probleme auf:
- Fälle von Herzrhythmusstörungen
- Krampfanfälle
- Nierenversagen
- Todesfälle
Ein direkter Zusammenhang mit dem enthaltenen Taurin konnte jedoch bisher nicht nachgewiesen werden.
Für Kinder und Jugendliche warnt das BfR generell vor Energydrinks. Hierbei ist nicht direkt das enthaltene Taurin gefährlich, sondern die hohe Dosierung des Koffeins. Eine Auswertung verschiedener Studien durch das BfR ergab, dass der Konsum von mehr als einem Liter Energydrinks auf einmal bei einigen jungen Erwachsenen folgende Komplikationen verursachte:
- Herzklopfen
- Kurzatmigkeit
- Muskelzittern
- Übelkeit
- Angstzustände
- Nervosität
- Veränderungen des Herzschlags
Daher stuft das Bundesamt Kinder und Jugendliche für Energydrinks als Risikogruppe ein und fordert eine Ausweitung der Aufklärung.
Was passiert bei einem Taurinmangel?
In Tierversuchen mit Mäusen zeigte sich, dass ein Taurinmangel zu einer Degeneration der Netzhaut im Auge bis zur Blindheit und zu Herz- und Muskelproblemen führen kann. Zudem wird die Entgiftungsfunktion der Leber behindert, was zu einer hohen Ammonium-Konzentration bei den Tieren führte. Auch das Stresslevel der Mäuse erhöhte sich. Ähnliche Auswirkungen sind auch beim Menschen zu erwarten.
Da der Mensch im Regelfall Taurin selbst im Körper produziert und über die Nahrung aufnimmt, kommt es jedoch nur sehr selten zu einem Taurinmangel. Zu einem leichten Mangel kann es zum Beispiel bei einer jahrelangen veganen Ernährung kommen, da Taurin vor allem in tierischen Lebensmitteln enthalten ist. Eine Zufuhr über Nahrungsergänzungsmittel sollte nur in Absprache mit einem Arzt erfolgen.
Wie wird Taurin hergestellt?
Die erste Herstellung von Taurin fand bereits im 19. Jahrhundert statt. Damals untersuchten die Chemiker Leopold Gmelin und Friedrich Tiedemann die Vorgänge im Verdauungsprozess von Rindern. Den Wissenschaftlern gelang es 1827 erstmalig, die Substanz zu isolieren. Seit dem Jahre 1838 findet der Stoff genauere Erwähnung in der wissenschaftlichen Forschungsliteratur. Heute wird Taurin ohne tierische Bestandteile im Labor synthetisch hergestellt.
Stammt Taurin wirklich aus Stierhoden?
Die Entdecker des Stoffs entnahmen im 19. Jahrhundert das Taurin aus der Gallenflüssigkeit eines Ochsen. Dies ist der einfache Grund, weshalb die Substanz heute als "Taurin" bekannt ist. Im Griechischen ist "tauros" der Name für den Stier. Dass Taurin aus Stierhoden oder Stierurin gewonnen wird, ist somit nur ein Mythos.
Warum brauchen Katzen Taurin?
Ähnlich wie für den Menschen ist auch für Katzen Taurin essentiell für einen gesunden Stoffwechsel. Anders als Menschen oder zum Beispiel Hunde können Katzen jedoch nur sehr geringe Mengen Taurin selbst herstellen. Zudem schütten sie einen großen Teil des aufgenommenen Taurins über die Verdauung wieder aus. Bei den Stubentigern kann es bei einem Taurinmangel zu Problemen wie einer Netzhautdegeneration kommen. Häufig wird die Ursache jedoch erst spät erkannt.
Das Problem: In stark verarbeitetem und erhitzten oder qualitativ minderwertigem Katzenfutter ist teils nicht genug Taurin enthalten, um den Bedarf der Tiere über die Nahrung zu decken. Rohes Fleisch hingegen enthält große Mengen Taurin, wird aber kaum verfüttert. Viele Hersteller setzen jedoch ihrem Futter zusätzlich Taurin hinzu. Außerdem sind auch für Katzen mittlerweile entsprechende Nahrungsergänzungsmittel erhältlich.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Eigene Recherche
- Bundesinstitut für Risikobewertung: "Energiegetränke"
- Bundesinstitut für Risikobewertung: "Fragen und Antworten zu Koffein und koffeinhaltigen Lebensmitteln, einschließlich Energy Drinks"
- European Food Safety Agency: "EFSA adopts opinion on two ingredients commonly used in some energy drinks"
- "MTA Dialog": "Taurin-Mangel: Auswirkungen bei Maus und Mensch"
- "Spektrum": "Taurin"