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Die Strategie der AfD auf Social-Media: Wahlsieg dank TikTok-Tanz


Meinung
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Taktik der AfD
Auch diese Entwicklung droht die Regierung zu verschlafen

  • Nicole Diekmann
MeinungEine Kolumne von Nicole Diekmann

Aktualisiert am 11.10.2023Lesedauer: 4 Min.
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AfD-Anhänger (Symbolbild): Auf Social Media macht die in Teilen rechtsextreme Partei bessere Arbeit als ihre Mitstreiter. (Quelle: IMAGO/Jacob Schrter/imago-images-bilder)

Zu den großen Gewinnern der Landtagswahlen zählt die AfD. Das hat viele Gründe. Auch den Umgang der übrigen Parteien mit Social Media.

Wer in Deutschland ein Unternehmen gründen will, vielleicht sogar ein Start-up, braucht starke Nerven und eine unerschütterliche Liebe zur Bürokratie. Denn der Prozess ist so umständlich gestaltet, als wollte der Staat partout verhindern, dass überhaupt irgendwer dieses irrwitzige Unterfangen einer Neugründung wagt.

Wer hierzulande mit der Bahn fahren will, ist besser mit dem Gemüt eines Golden Retrievers gesegnet, sonst geht der Tag nämlich vor die Hunde: Entweder ist eine Oberleitung kaputt, dann wieder taucht plötzlich wie aus dem Nichts ein anderer Zug auf der Strecke auf und verhindert die Weiterfahrt, oder der Zugführer sagt routiniert durch, dass er auch nicht weiß, warum es jetzt nicht weitergeht.

Man kann sich mittlerweile auf vielen Ebenen darauf verlassen: Es läuft nicht. Zu lange wurde auf vielen Ebenen gezögert, zu investieren, zu modernisieren. Augen zu und durch, et hätt noch immer jot jejange – anscheinend atmeten Regierungsprogramme jahrzehntelang insgeheim diesen Geist.

Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politikberichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf Twitter – wo sie über 120.000 Fans hat. Dort filetiert sie politische und gesellschaftliche Aufreger rund ums Internet. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich, ihr Blog findet man hier. Außerdem ist sie Co-Host des Podcasts "Gegen jede Überzeugung".

Nun könnte man sagen: Wer Muster kennt, kann sich mit ihnen arrangieren. Plant eben ein Zeitpolster für die langwierigen Schritte für die Firmengründung vorher ein. Oder nimmt sich eben den dicken Wälzer mit in den Zug, den man immer schon mal lesen wollte, aber für den man keine Zeit hatte. Schlimmstenfalls kommt man halt zu spät. Und seien wir mal ehrlich: Wer als Chirurg dringend zu einer Herz-OP muss, steigt nicht in den Zug. Es geht für Bahnfahrer selten um Leben und Tod. Die Folgen sind überschaubar.

Deutsche Tradition auf Social Media: abwägen und abwarten

Auch bei Social Media bildet sich eine deutsche Tradition heraus – übrigens bestens sichtbar auf Regierungsebene: Taucht ein neues Netzwerk auf, beäugt man es erst mal. Wägt ab. Macht sich – je nach Charakter – über die lustig, die sich dort tummeln und die dortigen Gepflogenheiten mitmachen, oder erklärt, das brauche man nicht. Beäugt weiter. Wägt wieder ab, wenn die Zahlen dort wachsen. Überlegt, ob man es vielleicht doch … Tja.

Und dann kommt der Punkt, da reibt man sich verdutzt die Augen, denn andere politische Mitbewerber sind längst da, haben sich breitgemacht und ihre Botschaften platziert. Und, man glaubt es nicht: Da sind ja auch ganz viele potenzielle Wähler! JUNGE LEUTE! Die man über die Zeitung gar nicht mehr erreicht! Nicht mal über die eigene Webseite! Ach, HIER sind die! Niemand konnte es ahnen!

Doch, konnte man. Denn wir beobachten das seit mittlerweile über zehn Jahren. So war es bei Facebook, die Älteren erinnern sich, bei Twitter, das jetzt X heißt und dank Hass, Hetze und Desinformation zunehmend unbrauchbar und unerträglich ist. Das haben wir bei Instagram gesehen, und das sehen wir nun bei TikTok.

Die AfD, die der NRW-Ministerpräsident als "Nazi-Partei" bezeichnet, hat seit ihrer Gründung vor zehn Jahren in den sozialen Netzwerken die Nase vorn. Als junge Partei erkannte sie schnell das Potenzial der Plattformen: keine Kosten, große Reichweite, kein nennenswertes Regulativ, das selbst hanebüchene Behauptungen als solche entlarvte – und: keine wirkliche Konkurrenz. CDU, CSU, FDP, Grüne, Linke und SPD durchliefen damals noch den oben geschilderten, zähen Prozess. Also flutete die AfD die Netzwerke mit ihren Botschaften und baute sich eine treue und große Followerschaft auf. Der Rest ist Geschichte und ein Faktor für den Aufstieg der in Teilen rechtsextremen Partei.

90.000 Follower hat die AfD Bayern auf TikTok. Das ist nicht viel, gemessen an den Followerzahlen von Influencern. Gemessen an den anderen Parteien ist das aber viel. Und das ist ein Grund, warum es so gut läuft. Und warum auch viele Jüngere der AfD ihre Stimme gegeben haben: Man wählt eher, was man kennt. Und man wählt diejenigen, die die eigene Lebenswelt kennen. Und sich nicht darüber lustig machen. In Zahlen ausgedrückt: In Bayern lag die AfD bei den 18- bis 24-jährigen Wählern auf dem dritten Platz, in Hessen mit 18 Prozent gar auf dem zweiten.

Mit 90.000 Followern auf TikTok ist die AfD Bayern dort führend

Nein, auch ich tanze nichts auf TikTok. Ich bin Mitte 40, es kostet mich schon so genug Energie, in Würde älter zu werden. Wer sich anbiedert, wirkt unecht und unsouverän. Nur: Wer über diejenigen lacht, die sich auf TikTok so benehmen, wie man sich auf TikTok eben benimmt, wirkt arrogant und nicht auf der Höhe der Zeit. Es ist gute Sitte bei älteren Bundestagsabgeordneten, sich lustig zu machen über solches Gebaren. Die Quittung liegt auf dem Tisch. Man wird abgestraft.

Natürlich ist es mehr als fragwürdig, seine Daten bei TikTok zu hinterlassen. Dahinter steckt der chinesische Bytedance-Konzern, und wie China mit Daten umgeht und mit Menschen, wissen wir. Und dass der hinter Facebook und Instagram steckende Meta-Konzern fürchterliche Probleme mit Datenschutz hat, wissen wir auch. Über X-Besitzer Elon Musk müssen wir gar nicht weiter reden.

Aber: Diese Netzwerke sind nun mal da. Sie wachsen zum Teil quasi exponentiell, und die Politik hat eben nicht nur die Teilnahme an ihnen verschlafen, sondern auch ihre Regulierung. Und es ist ganz einfach so: Wer nicht dabei ist, ist halt einfach nicht existent, zumindest in der Realität sehr vieler Menschen.

Kommendes Jahr stehen Europawahlen an und Landtagswahlen in den AfD-Hochburgen Sachsen, Brandenburg und Thüringen. Ein Jahr noch. Nicht viel, aber auch nicht nichts. Vielleicht treten sich die demokratischen Parteien nun endlich mal selbst – nicht gegenseitig! – in den Allerwertesten. Eine gelungene Umsetzung dieser Redensart als Video würde schon mal viral gehen, jede Wette. Das wäre ein Anfang!

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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