Ukraine-Krieg Schulze in Kiew - Gesprächspartner überraschend gefeuert
16 Stunden ist die Entwicklungsministerin mit Flieger, Auto und Zug nach Kiew unterwegs, um der Ukraine weitere Wiederaufbau-Hilfe zuzusichern. Dort wartet aber eine unangenehme Überraschung auf sie.
Der Ukraine-Besuch von Entwicklungsministerin Svenja Schulze ist von der völlig überraschenden Absetzung ihres wichtigsten Gesprächspartners überschattet worden. Unmittelbar nach ihrer Ankunft in Kiew wurde der für Wiederaufbau zuständige Vizeregierungschef Olexander Kubrakow vom Parlament gefeuert.
Er sollte eigentlich zusammen mit Schulze die für die Ukraine so wichtige Wiederaufbaukonferenz am 11. und 12. Juni in Berlin vorbereiten. Die SPD-Politikerin reagierte enttäuscht: "Das ist wirklich keine gute Nachricht."
Sie finde die Absetzung "persönlich sehr, sehr schade", sagte sie. Kubrakow habe sich vor allem sehr engagiert gegen Korruption eingesetzt und sei da sehr erfolgreich gewesen. "Und wir haben sehr viele der Projekte gemeinsam mit ihm vorangetrieben."
Friedenstaube zum Abschied vom gefeuerten Vizepremier
Die Entwicklungsministerin wollte Kubrakow eigentlich gleich nach ihrer Ankunft treffen. Wegen der überraschenden Wendung konnte der gefeuerte Vizepremier ihr dann aber nur noch eine Kette mit einer weißen Friedenstaube als Geschenk zukommen lassen, die sie dann während ihres Besuchs trug.
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Wie es mit der Wiederaufbaukonferenz nun weitergeht, konnte Schulze nicht sagen. "Es ist einfach schade, weil es jetzt sehr kurz davor ist, wir sehr intensiv alles gemeinsam mit ihm und seinem Team zusammen vorbereitet haben." Zwar werde dieser Prozess jetzt fortgesetzt. "Aber der persönliche Kontakt und das, was man an vertrauensvollem Verhältnis aufgebaut hat, das ist jetzt natürlich weg."
Zu der Konferenz in Berlin werden etwa 1500 Teilnehmer erwartet - darunter auch Staats- und Regierungschefs. Schulze nahm zur Vorbereitung in Kiew an einem "Gipfel der Städte und Regionen" teil, bei dem auch Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach. Der Staatschef begrüßte Schulze zwar. Für ein ursprünglich mal angedachtes Gespräch mit ihm war aber kein Raum mehr.
Kubrakow war seit 2022 Vizepremier
Kubrakow (41) war seit 2021 Minister für Infrastruktur und seit 2022 Vizeregierungschef. Er schrieb auf Facebook, dass Ministerpräsident Denys Schmyhal und die Fraktion der Präsidentenpartei Diener des Volkes über diese Entscheidungen nicht mit ihm gesprochen hätten.
Zum Hintergrund der überraschenden Absetzung kursierten in Kiew verschiedene Vermutungen. In dem übergroßen Ministerium sei die Regionalentwicklung zu kurz gekommen, schrieb beispielsweise der Abgeordnete Witalij Beshin auf Facebook. "Das schadet direkt der europäischen Integration der Ukraine." Die Parlamentarier hatten es dem Vizepremier übel genommen, dass er nach russischen Angriffen auf Wärmekraftwerke im April erklärte, sein Ministerium könne nicht auch noch für den Schutz dieser großen Anlagen sorgen. Selenskyj hatte Ende März angekündigt, dass es zu Umbesetzungen in der ukrainischen Führung kommen könnte.
45 Millionen Euro für die Sanierung des Stromnetzes
Ganz unverrichteter Dinge musste Schulze aber nicht nach Hause reisen. Während ihres Besuchs unterzeichnete die Kreditanstalt für Wiederaufbau einen Vertrag über Zuschüsse in Höhe von 45 Millionen für die Sanierung des Stromnetzes. "Nur mit einer funktionierenden Stromversorgung kann die Ukraine im Krieg bestehen und den Wiederaufbau schaffen", sagte die Ministerin. In den letzten Wochen hatte Russland gezielt die Energieinfrastruktur bombardiert. "Damit darf und wird Russland keinen Erfolg haben."
Schulze: Ärzte genauso wichtig wie Panzer
Außerdem ging es bei dem Besuch um die Ausbildung von Fachkräften. "Die Ärztinnen und die Elektriker sind mindestens genauso wichtig wie die Panzer", sagte Schulze. Die Ukrainer bauten ihr Land jeden Tag wieder auf. "Dafür ist es ganz wichtig, dass es eben nicht nur Unterstützung bei den Waffen gibt, sondern auch Unterstützung beim zivilen Aufbau." Bei der Berliner Konferenz werde es unter anderem darum gehen, wie kleine und mittelständische Unternehmen unterstützt und wie Fachkräfte für den Wiederaufbau gefunden werden könnten.
Deutschland gilt als größter militärischer, finanzieller und humanitärer Unterstützer der von Russland angegriffenen Ukraine in Europa. Die ukrainische Regierung geht davon aus, dass der Wiederaufbau des Landes noch fünf bis zehn Jahre dauern würde, wenn der Krieg jetzt enden würde. Die bisher verursachten Kriegsschäden wurden zu Jahresanfang von Weltbank, Europäischer Union und den Vereinten Nationen auf 500 Milliarden Euro beziffert.
- Nachrichtenagentur dpa