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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Experte erklärt Eiingriff Knorpeltransplantation kann künstliches Knie verhindern
Knorpeltransplantationen können bei einer Knie-Arthrose Schäden im Gelenk reparieren und ihr Fortschreiten verhindern – und so den Einsatz eines künstlichen Gelenkersatzes vielfach vermeiden oder verzögern. Darauf deutet eine aktuelle Studie hin.
Professor Sven Ostermeier, Knie-Experte an der Gelenk-Klinik Gundelfingen und Professor an der medizinischen Hochschule Hannover, ist Mit-Autor der Studie und Mitglied des Expertengremiums. Wir haben mit dem Orthopäden darüber gesprochen, für wen die neue Technik eine Chance darstellt und wie der Eingriff durchgeführt wird.
t-online.de: Herr Professor Ostermeier, was war das Ziel der Studie?
Prof. Sven Ostermeier: Ziel der Studie, an der deutschlandweit verschiedene Gelenk-Center und universitäre Institute unter der Federführung des Gelenkzentrums Mittelrhein beteiligt waren, war, die Kosteneffizienz von Knorpeltransplantationen im Vergleich zu anderen Behandlungsoptionen zu ermitteln.
Zudem wollten die Wissenschaftler analysieren, inwieweit sich künstlicher Gelenkersatz durch Anwendung modernster Verfahren der Knorpeltransplantation vermeiden lässt. Die Untersuchung umfasste 10.000 Patienten.
Diese hatten ein Durchschnittsalter von 36 Jahren und fortgeschrittene Knorpeldefekte von durchschnittlich 4,2 Zentimetern. Besonders junge Knorpelzellen besitzen noch eine gute Teilungsfähigkeit. Daher ist die Knorpelzelltransplantation besonders für junge Menschen interessant. Federführende Autoren der Studie sind Tobias Vogelmann der LinkCare GmbH und Dr. Philip P. Rößler vom Gelenkzentrum Mittelrhein.
Professor Dr. med. Sven Ostermeier ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Sportmedizin, Chirotherapie und spezielle orthopädische Chirurgie. Der Schulter- und Knie-Experte arbeitet als leitender Orthopäde in der Gelenk-Klinik Gundelfingen mit den Schwerpunkten Innovationen in Knieprothesen und Schulterprothesen-Implantationen sowie gelenkerhaltende Therapie. Außerdem ist der Experte Professor an der medizinischen Hochschule Hannover sowie Instruktor der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Arthroskopie.
Wie wurde die Arthrose-Studie durchgeführt?
Anhand eines computergestützten Simulationsmodells ermittelten wir, inwieweit sich bei den Probanden dank Knorpeltransplantation späterer künstlicher Gelenkersatz vermeiden lässt. Zunächst haben wir anhand bestehender Studienergebnisse analysiert, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass bei einem isolierten Knorpeldefekt später eine Arthrose des Kniegelenks eintritt – wenn man einerseits keinen operativen Eingriff vornimmt oder andererseits bestimmte knorpelregenerierende Eingriffe durchführt, also beispielsweise Knorpelglättung, Anbohrung (Mikrofrakturierung) oder Knorpelzelltransplantation.
Die ermittelten Daten wurden in ihrer Wertigkeit nochmals von einem Expertengremium beurteilt und auf deren Basis ein Vorhersagemodell entwickelt, das in der Lage ist vorauszusagen, welche Knorpeldefekt-Art sich wie weiterentwickeln wird. So konnten verschiedene Szenarien mit Knorpeldefekten verschiedener Art, Größe und Patientenalter simuliert werden.
Zu welchem Ergebnis kam das Simulationsmodell?
Die Resultate des computergestützten Simulationsmodells zeigen, dass ohne Knorpeltransplantation 26,4 Prozent der Patienten einen Knietotalersatz benötigen – ausgehend von einer verbleibenden Lebenszeit von durchschnittlich 48 Jahren. Mit Knorpeltransplantation sank die Zahl auf 5,5 Prozent.
Wie funktioniert die Knorpelzelltransplantation?
Bei der Knorpelzelltransplantation werden mithilfe körpereigener Zellen Knorpelschäden minimalinvasiv "repariert". Diese werden in einem ersten Eingriff entnommen, im Labor gezüchtet und nach einigen Wochen in den Defekt eingesetzt. Der gravierende Pluspunkt für den Patienten: Da im Gelenk eigenes Knorpelgewebe nachwächst, ist eine vollständige Heilung der Defekte möglich. Die Pufferfunktion des Knorpels wird zuverlässig wiederhergestellt. Vielfach bleibt dem Patienten künstlicher Gelenkersatz längere Zeit oder ganz erspart, wie unsere Studie belegt.
Warum sollte in jungen Jahren künstlicher Gelenkersatz möglichst vermieden werden?
Etwa jeder vierte Patient mit einem künstlichen Knie klagt nach der Operation über Bewegungseinschränkungen und Schmerzen im Gelenk. Die Gründe sind vielfältig. So können eine nicht korrekte Ausrichtung der Prothesen-Komponenten oder postoperativ verbliebene Fehlstellungen des Beines die Ursachen sein. Möglich ist auch, dass eine Instabilität des operierten Kniegelenkes zurückbleibt.
Außerdem erfordern künstliche Gelenke vom Patienten das strikte Einhalten bestimmter Vorsichts- und Verhaltensregeln. Knorpeltransplantationen können für viele Arthrose-Betroffene eine komfortablere Alternative sein, wenn die individuelle Gelenksituation diese zulässt.
Für wen kommt die Knorpelzelltransplantation im Knie infrage?
Zum einen muss eine gewisse Teilungsfähigkeit der Knorpelzellen gegeben sein, damit diese gezüchtet werden können. Je jünger die Patienten sind, desto besser funktioniert das. Knorpelschäden treten in jungen Jahren häufig durch Sportunfälle auf. Auch Übergewicht spielt eine primäre Rolle bei der Entstehung. Zum anderen ist es wichtig, frühzeitig zu behandeln. Die Defekte im Gelenk dürfen nicht mit einer generellen Arthrose vergesellschaftet sein.
Es muss ein schlaglochartiger, isolierter Knorpeldefekt vorliegen. Das Kniegelenk darf weder eine grobe Fehlstellung, noch eine schwere Instabilität aufweisen. Diese kann aber auch während oder vor der Knorpelzelltransplantation korrigiert werden.
Herr Professor Ostermeier, vielen Dank für das Gespräch.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Tobias, Vogelmann; Philip P. Rößler: Long-term cst-effectiveness of matrix-associated chondrocyte implantation in the German helath care system: a discrete event simulation. Archives of Orthopaedic and Trauma Surgery. Dezember 2021.
- Knieschmerzen. Online-Information der Orthopädischen Gelenk-Klinik Gundelfingen. (Stand: Aufgerufen am 9. Mai 2022)
- Arthrose. Online-Information des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): www.gesundheitsinformation.de. (Stand: 10. Juni 2021)
- Arthrose. Online-Information des Bundesministeriums für Gesundheit: www.gesund.bund.de. (Stand: Aufgerufen am 27. April 2022)
- Degenerative Gelenkerkrankungen (Arthrosen). Merkblatt der Deutschen Rheuma-Liga Bundesverband e. V. (Stand: Aufgerufen am 5. Mai 2022)