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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Arzt klärt auf Wie sinnvoll sind Nahrungsergänzungsmittel?
Die Zahl der Deutschen, die auf Nahrungsergänzungsmittel setzen, steigt stetig. Wann sich das lohnt und welche Gefahren dahinter lauern können, erklären Experten.
Einer aktuellen Studie zufolge nimmt jeder zweite Deutsche Nahrungsergänzungsmittel. 2016 waren es erst 35 Prozent. Drogerien, Onlineshops, Apotheken und Reformhäuser sind voll mit Produkten unterschiedlichster Art – von Pulver, Tropfen, Dragees, über Omega 3 und Vitamin B 12 bis hin zu Algenöl und Grapefruitkern-Extrakten.
Jedes Jahr kommen 6.000 neue Produkte heraus. Zwei Milliarden Euro werden jährlich umgesetzt, wenn man auch die Bestellungen im Ausland mit berücksichtigt. Die Hersteller der Nahrungsergänzungsmittel behaupten, die Einnahme der Produkte sei notwendig, weil sich unser Essverhalten in den vergangenen Jahren stark verändert habe: Statt zu frischem Obst und Gemüse würden immer mehr Leute zu Fertigprodukten greifen. So entstünden Lücken und Ernährungsmängel, die mit den entsprechenden Nahrungsergänzungsmitteln ausgeglichen werden müssten.
Präventivmediziner Prof. Dr. Thomas Kurscheid und Neurophysiologe und Digital Health Experte Dr. Gerd Wirtz erklären hier und in ihrem Podcast "Gesund & Gesund", worauf Sie bei Nahrungsergänzungsmitteln achten müssen.
Prof. Dr. Thomas Kurscheid
Facharzt für Allgemeinmedizin sowie Ernährungs- und Sportmediziner mit eigener Praxis in Köln. Sein Spezialgebiet ist die Präventionsmedizin. Er ist bekannt als TV-Experte u.a. für WDR, ARD, RTL und SAT.1 sowie durch Bestseller wie "Mein Bleib-Gesund Buch".
Gemeinsam mit Prof. Dr. Volker Limmroth und Dr. Gerd Wirtz gibt Kurscheid in seinem Podcast "Gesund & Gesund – Besser und länger leben" praktischen Gesundheitsrat und einen Überblick über Innovationen in der Medizin.
Dr. Gerd Wirtz
Neurophysiologe, Medizin-Moderator und Digital Health Experte. Sein Spezialgebiet ist die Zukunftsmedizin.
Wichtige Nährstoffe: Brauchen wir die Nahrungsergänzung?
Man muss sich unseren Körper als ein Orchester vorstellen: Alles muss aufeinander sehr fein abgestimmt sein. Damit es nicht zu Ausfällen und Missklängen kommt, benötigen wir eine ganze Menge verschiedenster Stoffe, etwa Vitamine und Mineralstoffe. Weil der Körper diese nicht selbst herstellen kann, müssen wir sie von außen zuführen.
Dies gelingt nur über die Nahrung, zum Beispiel über Obst und Gemüse. Wer im Alltag auf eine ausgewogene Ernährung achtet, braucht in der Regel keine zusätzlichen Nahrungsergänzungsmittel.
Eine Ausnahme sind bestimmte Gruppen wie Schwangere, Sportler oder (chronisch) Kranke. Auch Vegetarier und Veganer können an Mängeln leiden. Sie sollten die Werte Eisen, Calcium, Zink, Jod, Vitamin B12, B2, D und die Omega-3-Fettsäuren im Auge behalten.
In jedem Fall aber gilt: Nahrungsergänzungsmittel sollte man nicht eigenmächtig und ohne Rücksprache mit seinem Arzt nehmen, zuvor sollte durch eine Blut- und gegebenenfalls Zellanalyse abgeklärt werden, ob ein Mangel vorliegt – und wenn ja, welcher. Bitten Sie Ihren Arzt gezielt darum, wenn Sie das Gefühl haben, dass etwas nicht stimmt.
Vorsicht vor übertriebenen Werbeversprechen
Das Messen solcher Werte ist allerdings keine Standarduntersuchung und muss zum Teil selbst bezahlt werden. Das Bestimmen von Vitaminen und Mineralien kostet rund 50 bis 100 Euro, je nach Anzahl der bestimmten Stoffe. Das kann sich schnell lohnen, weil dann unnötige Vitamine nicht jahrelang kostspielig eingenommen werden.
Vorsicht ist geboten: Wer doch mit der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln liebäugelt, sollte sich in Acht nehmen vor übertriebenen Wirkversprechen. Die Verbraucherzentrale hat bereits 2011 in 64 von 70 untersuchten Nahrungsergänzungsmitteln in Deutschland festgestellt, dass sie eigentlich nicht verkehrsfähig sind.
Eine behördliche Untersuchung der Nahrungsergänzungsmittel hat ergeben, dass 2019 von 450 untersuchten Produkten 38 Prozent nicht in Ordnung waren. Unter anderem waren Stoffe enthalten, die in der EU gar nicht zugelassen sind.
Um solche Fehlkäufe zu vermeiden, verzichten Sie auf den Einkauf im Internet (auch wenn die Produkte dort billiger sind) und kaufen stattdessen in Apotheken. Die Mitarbeiter können Sie entsprechend beraten, denn nicht in jedem Produkt finden Sie die gleiche Dosierung und somit höchst unterschiedliche Wirkkräfte.
Die Praxis-Tipps der "Gesund & Gesund"-Experten
Bevor Sie auf Pillen und Co. zur Nahrungsergänzung zurückgreifen, versuchen Sie es auf dem konventionellen Weg: Essen Sie fünf Portionen Gemüse, Salat und Obst am Tag und beugen Sie so einer Unterversorgung an Vitaminen vor. Damit senken Sie ganz nebenbei auch das Risiko für Übergewicht, da im Magen weniger Platz bleibt für ungesunde Dinge.
Wer keine Zeit hat, frisch zu kochen, setzt auf schockgefrostetes, naturbelassenes Gemüse, darin sind ebenfalls sehr viele Vitamine und Mineralien enthalten. Ein Apfel beispielsweise hat 3.000 sogenannte sekundäre Pflanzenstoffe, eine Tablette im Höchstfall zwölf Vitamine.
Das zeigt, dass eine Tablette die Nahrung nur ERGÄNZEN und nie ersetzen kann. Hinzu kommt, dass viele dieser Produkte stark unterdosiert sind, weil die Hersteller Geld sparen wollen, indem sie nur eine sehr geringe Menge an Substanzen reinpacken. So bleibt oft eine Wirkung aus.
Die Top 5 der effizientesten Obst- und Gemüsesorten:
- Paprika beinhalten besonders viel Vitamin C für das Immunsystem.
- Möhren stärken dank des darin enthaltenen Vitamins A die Sehkraft.
- Brokkoli liefert Vitamin B9 für das Wachstum im Körper.
- Radieschen und Rote Beete sind eisenhaltig und haben zudem wenig Kalorien.
- Gurken liefern viel Vitamin A.
Wichtig ist dabei, die Produkte frisch zu kaufen und schnell zu verbrauchen, weil Hitze, Licht und Sauerstoff den Vitamingehalt schmälern.
Zukunftscheck
Auf dem Markt gibt es zahlreiche Apps (wie z.B. „Nährwertcheck“), die Sie dabei unterstützen, gesünder zu essen, sodass Sie alle wichtigen Vitamine und Mineralien zu sich nehmen – ganz ohne Nahrungsergänzungsmittel. Sie bieten oft nicht nur einen Nährwertrechner, sondern auch eine Lebensmitteldatenbank, die anzeigt, welche Lebensmittel welche Vitamine und Mineralstoffe enthalten, etwa Kalzium, Eisen, Magnesium, Phosphor und Jod.
In einem Ernährungstagebuch kann man sich zudem seine Mahlzeiten zusammenstellen und erfahren, ob man den Tagesbedarf an wichtigen Nährstoffen deckt, genug Ballaststoffe zu sich nimmt oder ob das Verhältnis von Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren im optimalen Bereich liegt.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Eigene Recherche
- Podcast Gesund & Gesund