"Laut wie eine Sirene" Seltene Zikaden überrennen die USA
Das große Krabbeln: Manche Zikaden paaren sich jährlich, andere nur alle 13 oder gar alle 17 Jahre. In diesem Jahr treffen sich alle gleichzeitig.
Sie sind laut, sexuell erregt und werden etwa einen Monat lang durch Wälder und Vorstadtgärten in den USA ziehen. Unzählige Zikaden krabbeln dieser Tage aus der Erde, wo sie jahrelang als Larven gelebt haben.
Dieses Jahr fallen erstmals seit 1803 zwei Ereignisse zusammen: Es kommen sowohl jene Zikaden aus der Erde, die sich nur alle 17 Jahre zeigen, auch als jene mit einem 13-Jahres-Rhythmus.
Weltweit gibt es mehr als 3.000 Zikadenarten. Den Großteil ihres Lebens verbringen sie als Larven in der Erde. Erst wenn sie ausgewachsen sind, kommen sie an die Erdoberfläche, um sich zu paaren.
Paarungszeiten in Primzahl-Abständen
Bei vielen Zikadenarten geschieht dies im jährlichen Rhythmus, bei anderen nur alle 13 oder 17 Jahre. Wissenschaftler rätseln schon seit langem, wieso Zikaden in Primzahl-Abständen ans Tageslicht kommen, eine offensichtliche evolutionsbiologische Erklärung dafür gibt es nicht.
In den US-Bundesstaaten North Carolina und South Carolina hat die sogenannte Brut XIX begonnen, ans Tageslicht zu kommen. Das Spektakel wird von einem ohrenbetäubenden Lärm der vielen paarungsbereiten zirpenden Zikadenmännchen begleitet. So berichtete das Sheriff-Büro von Newberry in South Carolina vergangene Woche auf Facebook: "Es gab einige Anrufe wegen eines Lärms in der Luft, der wie eine Sirene oder ein Heulen oder ein Getöse klingt."
Die sogenannte Brut XIII mit ihrem 17-Jahres-Rhythmus folgt demnächst im Mittleren Westen der USA. In einem kleinen Gebiet im Zentrum des Bundesstaats Illinois könnte sich ihr Durchzugsgebiet mit dem der Brut XIX überlappen.
Scharenweises Auftreten
"Wenn sie herauskommen, dann in großer Zahl", sagt der Insektenkundler Gene Kritsky von der Mount St. Joseph University. Er hat eine Zikaden-Safari-App entwickelt, mit deren Hilfe Hobby-Wissenschaftler zur besseren Erforschung der rotäugigen Insekten beitragen sollen. Den Reiz der Zikaden erklärt Kritsky auch damit, dass sich Menschen oft noch genau an ihr vorheriges scharenweises Auftreten erinnern können und damit persönliche Erinnerungen verbinden.
Ökologisch haben die Zikaden-Scharen konkrete Folgen, wie der Biologe John Lill von der George Washington University erklärt hat. Wenn etwa größere Zikaden-Schwärme gibt – zuletzt 2021 – fressen Vögel weniger Raupen. Die übriggebliebenen Raupen zerstören mehr Eichentriebe. Andererseits gibt es zwei Jahre nach dem Zikaden-Schwärmen oft mehr Eicheln. Die führen zu mehr Wildschweinen – und die führen als Überträger-Tiere zu mehr Zeckengefahr für Menschen. Dies zeige, dass die ökologischen Auswirkungen des Auftretens von Zikaden noch Jahre nach ihrem Verschwinden andauern können, sagt Lill.
- Nachrichtenagentur dpa