"Vater der Atombombe" Wer war dieser Robert Oppenheimer wirklich?
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Vom gefeierten Wissenschaftler zum Sicherheitsrisiko für die USA: J. Robert Oppenheimer war einer der bekanntesten Physiker seiner Zeit. Das ist die Geschichte des "Vaters der Atombombe".
"Ob es Ihnen gefällt oder nicht, J. Robert Oppenheimer ist die wichtigste Person, die je gelebt hat", schreibt Regisseur Christopher Nolan im Begleittext zu seinem neuen Film "Oppenheimer". "Denn wenn meine schlimmsten Ängste wahr werden, wird er der Mann sein, der die Welt zerstört hat", erklärt Nolan im Interview mit der "New York Times". Wer war der Mann, der dem Regisseur solche drastischen Worte entlockt?
Als Sohn deutsch-jüdischer Einwanderer kommt Julius Robert Oppenheimer 1904 in New York zur Welt. An der Upper West Side wächst der junge Robert in einem gut betuchten Haushalt auf. Angestellte kümmern sich rund um die Uhr um ihn und seinen Bruder Frank. Seine Kindheit habe ihn nicht auf die Grausamkeiten dieser Welt vorbereitet, schreibt Robert Oppenheimer später.
Mordversuche und Psychose
1925 schloss Oppenheimer sein Chemiestudium an der Harvard-Universität ab und zog für Forschungen an der Cambridge-Universität ins Vereinigte Königreich. Dort stürzte ihn die Abneigung gegen seine Arbeit in eine schwere Psychose, in deren Folge er seinen Tutor mit einem Apfel vergiften wollte. Ein Jahr später soll er versucht haben, einen Freund zu erwürgen, als dieser ihm von seinem Heiratsantrag erzählte.
Oppenheimer nahm sich eine Auszeit und stieg anschließend auf Physik um. Bereits während seiner Zeit in Harvard hatte er sich für den Fachbereich begeistern können. Schnell machte er sich in der Szene einen Namen, sodass ihn Max Born als Doktorand nach Göttingen holte.
Zeit in Deutschland
Die Universität Göttingen war zu der Zeit weltweit führend auf dem Gebiet der Quantenphysik. In Deutschland lernte er einige der bekanntesten Wissenschaftler ihrer Zeit kennen. So tauschte er sich unter anderem mit Werner Heisenberg, Niels Bohr, Wolfgang Pauli, Paul Dirac, Fritz Houtermans und Charlotte Riefenstahl aus. Auch Edward Teller, den späteren "Vater der Wasserstoffbombe", der auch am Manhattan-Projekt arbeitete, lernte er zu dieser Zeit kennen.
1927 promovierte er "mit Auszeichnung" bei Max Born über theoretische Untersuchungen von Spektren. Nach Stationen in der Schweiz und den Niederlanden zog es Robert Oppenheimer zurück in die USA.
Manhattan-Projekt
An der Universität von Berkeley nahm er zunächst eine Assistenzprofessur an. In den Jahren bis zum Zweiten Weltkrieg entwickelte sich Robert Oppenheimer zu einem der wichtigsten Wissenschaftler der Quantenmechanik. Auch in anderen Bereich, wie der Astrophysik, versuchte er sich in dieser Zeit.
1940 wurde er daher in die American Academy of Arts and Sciences gewählt, einer Ehrengesellschaft für die wichtigsten Persönlichkeiten aus Kunst und Wissenschaft. Die Aufmerksamkeit für seine Arbeit brachte ihm die Stelle als Leiter des geheimen Manhattan-Projekts ein. Das Forschungsprojekt der US-Regierung setzte sich die militärische Nutzbarmachung der 1938 entdeckten Kernspaltung zum Ziel.
Von der Ehrenmedaille zum Sicherheitsrisiko
Das Projekt, das etwa 1,9 Milliarden US-Dollar kostete und an dem 150.000 Menschen direkt und indirekt beteiligt waren, wurde zum Erfolg. Den Wissenschaftlern gelang die Entwicklung und der Bau einer einsatzfähigen Atombombe. Nach dem Trinity-Testlauf am 16. Juli 1945 warfen die Amerikaner 21 Tage später, am 6. August 1945, eine Atombombe über Hiroshima ab. Drei Tage später folgte eine zweite Bombe, die über Nagasaki abgeworfen wurde.
Die Explosionen töteten mindestens 100.000 Menschen sofort. Bis Ende 1945 kamen 130.000 weitere hinzu, die an Folgeschäden starben. Die Opfer umfassten fast ausschließlich Zivilisten und von der japanischen Armee verschleppte Zwangsarbeiter. Wie viele in den Folgejahren noch hinzukamen, lässt sich nur schwer sagen. Sechs Tage nach dem Abwurf über Nagasaki verkündete Japans Kaiser Hirohito die Kapitulation seines Landes.
In den Folgejahren erhielt Oppenheimer mehrere Auszeichnungen für seine Arbeit. Darunter auch die Verdienstmedaille, die höchste Zivilauszeichnung der USA. Doch Oppenheimer selbst verurteilte jeden weiteren Einsatz der Atombombe und setzte sich für eine internationale Kontrolle der Kernenergie ein. Seitdem er die Auswirkungen auf Hiroshima und Nagasaki gesehen hatte, wurde er zu einem Gegner seiner größten Erfindung.
Die USA testeten allerdings weiter Atombomben. Ein Test wurde in den 1950er-Jahren sogar live im Fernsehen übertragen.
Oppenheimer setzte sich in der Folge auch gegen die Entwicklung der Wasserstoffbombe ein und stellte sich damit gegen seinen alten Freund Edward Teller, der an der Forschung maßgeblich beteiligt war. Seine öffentliche Kritik führte zu einer Auseinandersetzung mit Teller und dem Vorsitzenden des US-Atomausschusses, Lewis Strauss.
Dieser begann Oppenheimer öffentlich zu diffamieren und bezichtigte ihn, Spion der Sowjetunion zu sein. Inmitten der McCarthy-Ära wogen die Vorwürfe schwer. Denn zu Beginn des Kalten Kriegs bekämpfte man den Kommunismus innerhalb der USA rigoros. Daher wurde Robert Oppenheimer 1954 zu einer Sicherheitsanhörung geladen.
Man warf ihm den "Umgang mit bekannten Kommunisten" vor, womit vor allem sein Bruder Frank Oppenheimer und seine Ex-Freundin Jean F. Tatlock sowie Studenten und Bekannte aus seiner Zeit in Berkeley gemeint waren. Darüber hinaus bezichtigte man ihn, mit seiner Haltung gegen die Wasserstoffbombe seiner Aufgabe bei der Atomenergiebehörde nicht nachzukommen. Zwar kam man zu dem Ergebnis, dass er durchaus seine Meinung frei äußern dürfe, allerdings habe seine Kampagne gegen die Wasserstoffbombe den Interessen der USA geschadet.
Gefallener Held
Aus diesem Grund entzog man Robert Oppenheimer seine Sicherheitsfreigabe und schloss ihn damit von geheimen Regierungsprojekten aus. Die US-Öffentlichkeit begrüßte die Entscheidung. Wissenschaftskollegen kritisierten sie wiederum hart. Erst 1964 nährte man sich Oppenheimer wieder an und zeichnete ihn mit dem Preis der Atomenergiekommission für seine Verdienste im Manhattan-Projekt aus. Die Empfehlung hierzu gab der damalige US-Präsident John F. Kennedy.
Am 18. Februar 1967 starb der starke Raucher und "Vater der Atombombe", J. Robert Oppenheimer, an Kehlkopfkrebs. Vollständig rehabilitiert wurde er allerdings erst 55 Jahre nach seinem Tod. Im Dezember 2022 hob Jennifer Granholm, die Ministerin für Energie der USA, die Entscheidung, Robert Oppenheimer die Sicherheitsfreigabe zu entziehen, schließlich auf.
- nytimes.com: "Christopher Nolan and the Contradictions of J. Robert Oppenheimer", (englisch)
- 20min.ch: ""Erinnern wir uns, was er für uns getan hat und was wir ihm angetan haben""
- Eigene Recherche