Pleite in Paderborn Chronik des HSV-Scheiterns: Siebtes Jahr 2. Liga ist fix
Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Am 10. Mai hat der HSV zum sechsten Mal den Bundesliga-Aufstieg verspielt. Während Rivale St. Pauli wohl aufsteigt, bleibt der HSV zweitklassig. Ein Rückblick.
Vor sechs Jahren geht alles los. Am 3. August 2018 empfängt der HSV Holstein Kiel im Volksparkstadion zu seiner Premiere in der zweiten Bundesliga. Es ist das Eröffnungsspiel der Saison 2018/19, das Stadion ist ausverkauft, es gibt eine kleine Show vor dem Anpfiff, und alles riecht noch nach Bundesliga. Nur die Gäste spielen nicht mit: Kiel – trainiert von einem gewissen Tim Walter – schlägt den HSV klar und deutlich mit 3:0.
12. August 2018, Sandhausen: Knapp 6.000 HSV-Fans pilgern zum ersten Zweitliga-Auswärtsspiel des Vereins im beschaulichen Sandhausen am Hardtwald. Khaled Narey schießt nach sieben Minuten das historische Premierentor in der 2. Liga, am Ende siegt der HSV mit 3:0.
HSV kassiert Rekordpleite gegen Regensburg
23. September 2018, Hamburg: Nach fünf Siegen am Stück kommt Jahn Regensburg in den Volkspark. Und der HSV kommt endgültig in der zweiten Liga an: Der Sport- und Schwimmverein aus der Oberpfalz schenkt den "Rothosen" fünf Tore ein. Bis heute der Rekord für die höchste Niederlage der Hamburger im "Unterhaus".
10. März 2019, St. Pauli: Der HSV reist als Tabellenzweiter zum Millerntor und schlägt den FC St. Pauli im Stadtduell souverän mit 4:0. Der Vorsprung auf die Nicht-Aufstiegsplätze beträgt neun Spiele vor Schluss komfortable sieben Punkte.
12. Mai 2019, Paderborn: Seit dem Stadtduell gelang dem HSV kein Sieg mehr. Für die letzte Chance auf den Aufstieg muss er den direkten Konkurrenten Paderborn am 33. Spieltag schlagen. Doch bei den damals von Steffen Baumgart trainierten Ostwestfalen geht der HSV mit 1:4 unter – am Ende reicht es nur für Platz vier und den Klassenerhalt.
1. September 2019, Hamburg: Unter Dieter Hecking startet der HSV gut in die Saison. Dessen Ex-Verein Hannover 96 muss sich im Volksparkstadion mit 0:3 geschlagen geben. Besonders emotional wird es, als Bakery Jatta den Endstand erzielt: Alle Spieler und Trainer stürzen sich auf den Flügelspieler, von den Fans gibt es Standing Ovations. Kurz zuvor hatten Bochum und Nürnberg Protest gegen ihre Spiele gegen den HSV eingelegt, weil Gerüchte um eine falsche Identität Jattas aufkamen – der Anfang einer jahrelangen Debatte.
26. Oktober 2019, Hamburg: Gegen den VfB Stuttgart legt der HSV eine echte Gala hin: Mit 6:2 schicken die "Rothosen" ihren Aufstiegskonkurrenten nach Hause.
HSV vergeigt Aufstieg 2020 gegen die direkte Konkurrenz
28. Mai 2020, Stuttgart: Am 28. Spieltag liegt der HSV gegen Stuttgart nach 45 Minuten mit 2:0 vorne. Es wäre ein "Big Point" im Aufstiegsrennen. Am Ende gewinnt der VfB mit 3:2 und wirft den HSV von Platz zwei.
21. Juni 2020, Heidenheim: Der HSV fährt als Dritter zum direkten Duell mit dem Vierten aus Heidenheim. Nach 46 Minuten trifft Joel Pohjanpalo zum 1:0 für die Hamburger – mindestens die Relegation wäre damit gesichert. Am Ende gewinnt Heidenheim in der Nachspielzeit dramatisch mit 2:1 und überholt den HSV. Der verliert eine Woche später mit 1:5 gegen Sandhausen und bleibt Zweitligist.
28. September 2020, Paderborn: Den dritten Anlauf in der zweiten Liga unternimmt der HSV unter Daniel Thioune. Am zweiten Spieltag bringen Manuel Wintzheimer und Simon Terodde die Hamburger nach 24 Minuten mit 2:0 nach vorne, ehe Paderborn das Spiel zwischen den Minuten 34 und 38 mit drei Toren auf den Kopf stellt. Aaron Hunt sorgt schließlich nach 82 Minuten für den spektakulären 4:3-Sieg des HSV.
Selbst Horst Hrubesch kann den HSV nicht retten
17. Mai 2021, Osnabrück: Nach fünf sieglosen Spielen ist der HSV auf Platz fünf abgestürzt, der Trainer heißt jetzt seit einem Spieltag Horst Hrubesch. In Osnabrück müssen die "Rothosen" dringend gewinnen, um eine kleine Restchance auf die Aufstiegsrelegation zu haben. Doch Osnabrück, das noch gegen den Abstieg kämpft, ist ein zu starker Gegner – nach der 2:3-Pleite steht der Hamburger Klassenerhalt fest.
23. Juli 2021, Gelsenkirchen: Der FC Schalke 04 und der HSV eröffnen die Zweitliga-Saison. Im Duell der "Giganten" gewinnt der HSV mit 3:1, die entscheidenden Tore durch Moritz Heyer und Bakery Jatta fallen erst kurz vor Schluss.
21. Januar 2022, Hamburg: Knapp 2.000 Fans dürfen an diesem Freitagabend ins Volksparkstadion und dem Topspiel HSV - FC St. Pauli zusehen. Der Tabellenführer vom Millerntor geht durch Guido Burgstaller mit 1:0 in Führung, ehe Sebastian Schonlau und Bakery Jatta das Spiel für den HSV mit 2:1 gewinnen. Es ist der erste Heimsieg der "Rothosen" im Stadtduell seit Dezember 2001.
7. Mai 2022, Hamburg: Nach mehr als zwei Jahren ist der Volkspark erstmals wieder ausverkauft. Gegen Hannover 96 gewinnt der HSV am 33. Spieltag mit 2:1 und springt auf Platz drei.
23. Mai 2022, Hamburg: Im Relegations-Hinspiel hat der HSV Hertha BSC mit 1:0 geschlagen. Doch im Rückspiel läuft alles gegen die Hamburger, die mit 0:2 verlieren – und ausgerechnet von Vereinslegende Felix Magath zu einem weiteren Jahr in der 2. Liga verdonnert werden.
21. April 2023, Hamburg: Der HSV und St. Pauli liefern sich im Volkspark ein spektakuläres Derby: Die Hausherren setzen sich am Ende mit 4:3 durch. HSV-Verteidiger Jonas David macht sich mit einem Traumtor aus mehr als 20 Metern zum Helden des Abends.
Dramatischer Aufstiegs-Wahnsinn in Sandhausen
28. Mai 2023, Sandhausen: Als Tabellendritter muss der HSV am letzten Spieltag wieder einmal gewinnen und auf einen Patzer der Konkurrenz aus Heidenheim hoffen, um aufzusteigen. Jean-Luc Dompé bringt die Hamburger nach drei Minuten in Führung – zugleich der Endstand. Dramatisch wird es, als Heidenheim plötzlich mit 0:2 in Regensburg zurückliegt. Sollte der Klub nicht gewinnen, steigt der HSV direkt auf. Der Ausgleich für den FCH fällt erst in der 90.+3. Minute. In Sandhausen stürmen die 12.000 mitgereisten HSV-Fans schon den Platz: Fälschlicherweise sagt der Stadionsprecher durch, dass das Spiel in Regensburg vorbei ist und Heidenheim nicht gewonnen hat. Doch das Spiel läuft noch, wenig später geht Heidenheim mit 3:2 in Führung – und zieht wieder am HSV vorbei.
5. Juni 2023, Hamburg: In der Relegation gegen den VfB Stuttgart hat der HSV nach dem Sandhausen-Schock keine Chance. Der VfB triumphiert unter dem neuen Trainer Sebastian Hoeneß souverän mit 3:0 und 3:1.
16. September 2023, Elversberg: Eigentlich kommt der HSV gut in die Saison, hat nach fünf Spielen 13 von 15 Punkten auf dem Konto. Beim Aufsteiger klappt aber gar nichts, sodass am Ende eine 1:2-Pleite steht.
9. Februar 2024, Hamburg: Seit dem Elversberg-Spiel wackelt sich der HSV durch die Spielzeit und ist konstant inkonstant. Gegen Hannover 96 holen die "Rothosen" einen 1:3-Rückstand auf, um am Ende mit 3:4 zu verlieren. Trainer Tim Walter wird anschließend gefeuert.
14. April 2024, Magdeburg: Unter Steffen Baumgart ist der HSV nicht erfolgreicher geworden und sogar aus den Aufstiegsplätzen gefallen. Gegen den 1. FC Magdeburg beweist der HSV immerhin zum wiederholten Male in dieser Saison große Moral und gleicht nach 90+4 Minuten zum 2:2 aus. Der Rückstand auf den nächsten Gegner Holstein Kiel beträgt neun Punkte und elf Tore.
Derbysieg als großer Mutmacher
20. April 2024, Hamburg: Gegen Holstein Kiel hat der HSV im direkten Duell die letzte Chance, noch im Rennen um den direkten Aufstieg mitzumischen. Doch Tom Rothe, der in der Jugend beim FC St. Pauli gespielt hat, trifft zum 1:0-Sieg für Holstein Kiel im Volksparkstadtion.
3. Mai 2024, Hamburg: Der HSV geht mit einem 4:0-Sieg aus Braunschweig im Gepäck ins Stadtderby gegen St. Pauli. Die Braun-Weißen brauchen nur einen Sieg, um sicher aufzusteigen, und das ausgerechnet im Volksparkstadion. Doch der HSV reißt sich zusammen, gewinnt dank Robert Glatzel mit 1:0. Bei vier Punkten Rückstand auf den Dritten Fortuna Düsseldorf kommt noch einmal so etwas wie Hoffnung auf.
10. Mai 2024, Paderborn: Nur noch Siege zählen für den HSV, der mit dem Derbysieg eigentlich viel Selbstvertrauen getankt haben sollte. Doch die Mannschaft tritt blutleer und handzahm auf, wirkt fast durchgehend schläfrig und nicht fokussiert. Die "Rothosen" liegen schon früh mit 0:1 hinten und kommen nie ins Spiel. Mit dem Abpfiff ist klar: Mehr als Platz vier ist nicht mehr möglich. Der HSV ist wieder einmal an sich selbst gescheitert.
HSV droht Leben als "Zweitliga-Dino"
Über der Zukunft des HSV hängen zumindest mit Blick auf die Spielklasse also dunkle Wolken: Nur St. Pauli (seit 2011) und Holstein Kiel (seit 2017) kicken noch länger in der 2. Liga – und beide Klubs haben sehr gute Chancen auf den Aufstieg. In der Theorie könnten sie noch in die Relegation abrutschen. Der HSV ist nun erneut am Aufstieg gescheitert, er geht in die siebte Saison im Unterhaus. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist er dann erstmals der "Zweitliga-Dino".
Ein Blick auf die ewige Tabelle zeigt: Mit 349 Punkten aus 203 Spielen bei 98 Siegen, 55 Unentschieden und 50 Niederlagen stehen die "Rothosen" dort auf Platz 55. Spätestens in der nächsten Saison könnte der HSV dann an den "ewigen" Zweitligisten SV Sandhausen, Dynamo Dresden oder Jahn Regensburg vorbeiziehen. Da klingt die Rückkehr in die Bundesliga doch um einiges attraktiver. Der HSV müsste nur endlich einmal den letzten Schritt gehen.
- Eigene Recherche
- transfermarkt.de: Ewige Tabelle der 2. Bundesliga (Stand: 10. Mai 2024)