Immer mehr Fälle weltweit Wie gefährlich sind die Affenpocken?
Die Pocken zählten lange zu den gefährlichsten Krankheiten für den Menschen. Impfstoffe brachten die Rettung, seit 1980 gilt die Welt als pockenfrei. Nun breitet sich ein verwandter Erreger aus. Wie ansteckend ist er? Und gibt es einen wirksamen Schutz?
Inhaltsverzeichnis
- Wie ist die aktuelle Situation in westlichen Ländern?
- Wie ist die Lage in Deutschland?
- Wie reagieren Politik und Robert Koch-Institut?
- Was sind die Affenpocken?
- Was sind die Symptome von Affenpocken?
- Wie gefährlich sind die Affenpocken?
- Sind Komplikationen möglich?
- Wie wird das Virus übertragen?
- Wie lange ist die Inkubationszeit?
- Wie ansteckend sind Affenpocken von Mensch zu Mensch?
- Mit welchen anderen Infektionskrankheiten können die Affenpocken verwechselt werden?
- Wie wird eine Infektion nachgewiesen?
- Gibt es eine schützende Impfung?
- Wie wird die Infektion behandelt?
- Wo kursieren Affenpocken üblicherweise?
- Ist der aktuelle Ausbruch bei Menschen außerhalb Afrikas ungewöhnlich?
- Gab es schon einmal Ausbrüche von Affenpocken?
Zunächst war es ein wohl aus Nigeria eingeschleppter Fall in Großbritannien, inzwischen werden aus immer mehr Ländern Nachweise und Verdachtsfälle von Affenpocken gemeldet. Das Ausmaß überrascht und lässt Experten aufmerken. Was ist das für ein Erreger und wie besorgniserregend ist der Ausbruch? Fragen und Antworten dazu:
Wie ist die aktuelle Situation in westlichen Ländern?
Offenbar hat sich der Erreger bereits längere Zeit unbemerkt in mehreren westlichen Ländern ausgebreitet. Die WHO erklärte am Dienstag (24. Mai), dass derzeit rund 250 Fälle in 16 Ländern bekannt seien.
In Europa sind unter anderem Österreich, Spanien, Portugal, Großbritannien, Italien, Schweden, die Schweiz und Deutschland betroffen. Auch in Australien, Kanada und den USA gab es bereits Nachweise der Erkrankung. Experten rechnen mit einer weiteren Zunahme der Fälle.
Wie ist die Lage in Deutschland?
In Deutschland wurden mehrere Fälle von Affenpocken bestätigt. Zuerst wurde das Virus bei einem Patienten in München nachgewiesen, der die charakteristischen Hautveränderungen zeigte.
Die Genom-Analyse des Erregers am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr habe ergeben, dass der Patient an der milderen westafrikanischen der zwei bekannten Virusvarianten leide, wie das bayerische Gesundheitsministerium mitteilte. Weitere Fälle des Affenpockenvirus gab es in Berlin, Köln und Hessen.
Wie reagieren Politik und Robert Koch-Institut?
Deutschland will mit schneller Isolation von Infizierten die Ausbreitung der Affenpocken unter Kontrolle halten. Es müsse hart und früh reagiert werden, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Dienstag am Rande des Deutschen Ärztetags in Bremen.
Er betonte: "Was wir mit den Affenpocken gerade erleben, ist nicht der Beginn einer neuen Pandemie." Es handele sich um einen bekannten Erreger, und man wisse, wie man ihn bekämpfen könne. Durch gute Kontaktnachverfolgung und Vorsicht könne die Situation in den Griff bekommen werden.
Das Robert Koch-Institut (RKI) empfehle eine Isolierung von Infizierten bis zum Abfall der Krusten, aber mindestens von 21 Tagen, sagte RKI-Chef Lothar Wieler. Für enge Kontakte empfehle man eine Quarantäne von 21 Tagen. Die Erkrankung geht mit Hautveränderungen einher, die verschiedene Stadien durchlaufen – letztlich verkrusten die Stellen. Die Empfehlung zu Isolation und Quarantäne wird den dafür zuständigen Ländern für die Umsetzung empfohlen, wie Lauterbach erläuterte.
Sein Institut gehe von einer Zunahme von Affenpocken-Erkrankungen in Deutschland aus, sagte Wieler. Es sei klar, dass weitere Fälle hierzulande zu erwarten seien. Von den Affenpocken erholten sich die meisten Menschen in der Regel innerhalb weniger Wochen, sagte Wieler. Dennoch könne bei einigen Personen auch eine schwere Erkrankung auftreten.
Die Erreger seien nicht leicht von Mensch zu Mensch zu übertragen, nötig sei dafür enger Kontakt. Das Virus könne unabhängig von sexueller Orientierung, Geschlecht und Alter übertragen werden. Die Gefährdung für die Gesundheit der Allgemeinbevölkerung werde aber nach derzeitigen Erkenntnissen als gering eingeschätzt.
Was sind die Affenpocken?
Affenpocken sind eine auf ein Virus zurückgehende Erkrankung. Der Erreger kommt vorrangig in den tropischen Regenwaldgebieten Zentral- und Westafrikas bei Nagetieren oder Primaten vor.
Er wurde erstmals 1958 in einem dänischen Labor bei Affen nachgewiesen – daher der Name Affenpocken. Fachleute vermuten allerdings, dass das Virus eigentlich in Hörnchen und Nagetieren zirkuliert. Affen gelten als sogenannte Fehlwirte. Das Affenpockenvirus ist auch auf den Menschen übertragbar.
Großen Schrecken verbreitete früher die Pockenkrankheit, verursacht von einem Virus aus der gleichen Gruppe. An der Infektion starb ein großer Teil der Betroffenen. Die Pockenkrankheit gilt nach Impfkampagnen seit 1980 als ausgerottet. Der letzte Fall in Deutschland wurde 1972 erfasst.
Was sind die Symptome von Affenpocken?
Zu den Symptomen zählen:
- plötzlich einsetzendes Fieber
- starke Kopfschmerzen
- Rückenschmerzen, Halsschmerzen
- Husten
- häufig auch Lymphknotenschwellungen
- Typisch ist zudem ein vom Gesicht auf den Körper übergreifender, pockentypischer Ausschlag.
"Der Ausschlag beginnt in der Regel innerhalb von ein bis drei Tagen nach Beginn des Fiebers. Die Läsionen können flach oder leicht erhaben sein, mit einer klaren oder gelblichen Flüssigkeit gefüllt sein und dann verkrusten, eintrocknen und abfallen", schreibt die Virologin und Medizinerin Sandra Ciesek auf Twitter.
Die Anzahl der Läsionen bei einer Person könne von einigen wenigen bis zu mehreren Tausend reichen, so Ciesek. Sie treten vor allem im Gesicht, an den Handflächen und Fußsohlen auf, können aber auch am Mund, an den Genitalien und an den Augen entstehen. Nach zwei bis vier Wochen verschwinden diese Ausschläge in der Regel wieder.
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Wie gefährlich sind die Affenpocken?
Die in Europa und den USA kursierende Variante des Affenpocken-Virus ruft nach Angaben der britischen Behörde UKHSA meist nur milde Symptome hervor, kann aber schwere Verläufe nach sich ziehen.
Die auftretende westafrikanische Variante des Virus führt in Afrika bei etwa einem Prozent der Erkrankten zum Tod. Dass Erkrankungen in westlichen Ländern tödlich verlaufen, hält der Epidemiologe Paul Hunter von der Universität of East Anglia für sehr unwahrscheinlich. Es sei aber nicht unmöglich, sagte er dem Sender BBC.
Sind Komplikationen möglich?
"Leider ja", schreibt Ciesek auf Twitter. Die offenen Hautläsionen könnten sich entzünden und mit Bakterien superinfiziert werden. Auch eine Infektion der Augen mit folgender Erblindung sei möglich. Selten kann auch eine Lungenentzündung auftreten.
Besonders gefährdet sind laut der Virologin Ciesek vor allem Menschen mit einem eingeschränkten Immunsystem oder Menschen, die unter schlechten hygienischen Bedingungen leben. "In Afrika sind tödliche Verläufe bei einem bis zehn Prozent der Fälle beobachtet worden." Diese Zahl sei aber nicht auf unsere Lebensbedingungen übertragbar, betont die Expertin.
Wie wird das Virus übertragen?
Dem RKI zufolge geschieht eine Übertragung auf den Menschen allgemein häufig durch Kontakt mit infizierten Tieren oder tierischem Blut und Sekreten, über das Essen infizierten Affenfleischs sowie Tröpfcheninfektion.
Die Ansteckung von Mensch zu Mensch kann der Virologin Sandra Ciesek zufolge durch engen körperlichen Kontakt mit einer Infizierten Person erfolgen. "Besonders ansteckend sind Hautausschlag, Körperflüssigkeiten (wie Flüssigkeit, Eiter oder Blut aus Hautläsionen) und Schorf. Aber auch der Speichel kann infektiös sein, wenn der Patient entsprechende Läsionen im Mund hat", so Ciesek auf Twitter.
Der Epidemiologe Hunter sagte der BBC, das Virus infiziere Kontaktpersonen, indem es von den Pusteln Erkrankter in Wunden oder die Augen von Kontaktpersonen gelange, auch das Einatmen von Tröpfchen mit den Partikeln sei ein Weg.
Bei den aktuell erfassten Fällen sind in der Mehrheit Männer betroffen, die Sexualkontakte zu anderen Männern hatten. Das Virus scheine sich derzeit vor allem zwischen homo- oder bisexuellen Männern auszubreiten, sagte Becker. Intimkontakt ist aber nur eine Möglichkeit der Übertragung – es ist womöglich Zufall, dass das Virus zunächst in diesen Personenkreis getragen wurde und dann vor allem dort weiter kursierte.
Wie lange ist die Inkubationszeit?
Die Inkubationszeit beträgt zwischen sieben und 14 bis zu 21 Tagen. Ob auch Menschen ohne Symptome das Virus übertragen können, ist noch unklar.
Wie ansteckend sind Affenpocken von Mensch zu Mensch?
Eigentlich gilt das Virus als wenig ansteckend. Bei der aktuellen Infektionshäufung sind die detaillierten Infektionsketten noch weitgehend unklar. Für den ersten bekanntgewordenen Fall in Großbritannien geht die Gesundheitsbehörde UKHSA davon aus, dass er auf eine Ansteckung in Nigeria zurückgeht. Inwieweit es weitere Einträge aus afrikanischen Regionen in westliche Länder gab, ist noch zu klären.
Klar scheint aber, dass der Erreger anschließend ungewöhnlich oft an weitere Menschen weitergegeben wurde. Aktuell scheine die Übertragung bei Affenpocken aber zumindest nicht durch Aerosole zu erfolgen, schätzt der Marburger Virologe Becker. "Dann wäre das Ausbreitungsmuster anders."
Mit welchen anderen Infektionskrankheiten können die Affenpocken verwechselt werden?
Nach UKHSA-Angaben kann der Ausschlag in bestimmten Phasen der Erkrankung Windpocken oder Syphilis ähneln. Das RKI sensibilisierte Ärzte in Deutschland: Affenpocken sollten auch dann bei unklaren pockenähnlichen Hautveränderungen als mögliche Ursache in Betracht gezogen werden, wenn die Betroffenen nicht in bestimmte Gebiete gereist seien.
Männer, die Sex mit Männern haben, sollten laut RKI bei ungewöhnlichen Hautveränderungen "unverzüglich eine medizinische Versorgung aufsuchen".
Wie wird eine Infektion nachgewiesen?
Der Nachweis erfolgt wie beim Coronavirus und anderen Erregern mit einer Probe des Betroffenen über einen sogenannten PCR-Test.
Gibt es eine schützende Impfung?
In der EU gibt es keine speziell gegen Affenpocken zugelassene Impfung. Historischen Daten zufolge schützt aber eine Pockenimpfung gut vor Affenpocken - und das wohl lebenslang. Ältere Menschen, die die Impfung noch bekommen haben, dürften also auch vor den Affenpocken geschützt sein. Experten diskutieren momentan die Möglichkeit, zumindest Kontaktpersonen von Affenpocken-Infizierten mit einer Impfung zu schützen.
Der Virologe Gerd Sutter von der Ludwig-Maximilians-Universität München sagte "Zeit Online": "Von dem klassischen Pockenvirenimpfstoff, einem Lebendimpfstoff, haben wir in Deutschland so viel Vorrat, dass man die ganze Bevölkerung impfen könnte."
Seit 2013 ist in der EU der Impfstoff Imvanex gegen die Pocken zugelassen. Eine Zulassung zur Vorbeugung von Affenpocken hat er in der EU nicht. Die WHO weist darauf hin, dass dieser Impfstoff nicht flächendeckend verfügbar sei. Man wolle Experten einberufen, um mögliche Impfempfehlungen zu erörtern.
Wie wird die Infektion behandelt?
Behandelt werden in der Regel die Symptome sowie mögliche bakterielle Sekundärinfektionen. Mit dem Medikament Tecovirimat gibt es zudem eine in der EU zugelassene Therapiemöglichkeit für die Affenpocken-Erkrankung.
Wo kursieren Affenpocken üblicherweise?
Affenpocken-Infektionen beim Menschen waren bislang vor allem aus Regionen West- und Zentralafrikas bekannt. Der erste Fall einer Affenpocken-Infektion beim Menschen sei 1970 in der Demokratischen Republik Kongo registriert worden, schreibt ein internationales Forscherteam im Fachmagazin "Plos Neglected Tropical Diseases". Danach habe sich das Virus in andere Länder Afrikas ausgebreitet, 2003 sei es erstmals außerhalb des Kontinents nachgewiesen worden.
Im westafrikanischen Nigeria wurden in diesem Jahr nach Angaben der dortigen Gesundheitsbehörde zwischen Januar und Ende April 15 Fälle von Affenpocken erfasst. In Nigeria, Kamerun und der Demokratischen Republik Kongo kam es laut WHO in den vergangenen fünf Jahren immer wieder zu Ausbrüchen.
Über das Infektionsgeschehen in der Tierwelt ist kaum etwas bekannt. Größere Ausbrüche in Afrika bei Tieren seien schlecht dokumentiert, deshalb habe man da keine Übersicht, sagte Elke Reinking, Pressesprecherin des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI).
Ist der aktuelle Ausbruch bei Menschen außerhalb Afrikas ungewöhnlich?
"Die jetzt außerhalb Afrikas auftretenden Fälle sind schon ungewöhnlich und müssen genau untersucht und eine etwaige weitere Verbreitung genau beobachtet werden", hieß es am Donnerstag vom FLI.
"In der Vergangenheit waren die Affenpocken-Ausbrüche begrenzt in der Ausbreitung", sagte der Virologe Stephan Becker von der Uni Marburg. Infektionsketten zwischen Menschen seien ungewöhnlich und müssten eng überwacht werden.
Die WHO rief zu einer rigorosen Verfolgung aller Kontakte von Betroffenen auf. Kliniken und Bevölkerung müssten dafür sensibilisiert werden, einen ungewöhnlichen Hautausschlag von Fachpersonal begutachten zu lassen. Erhärte sich der Verdacht auf Affenpocken, sollten Patienten isoliert werden.
Der in "Plos Neglected Tropical Diseases" vorgestellten Analyse zufolge hat sich die weltweite Zahl der nachgewiesenen, wahrscheinlichen und vermutlichen Fälle in den vergangenen fünf Jahrzehnten mehr als verzehnfacht. Als möglichen Grund nennen die Forschenden einen nachlassenden Immunschutz nach dem Stopp der Pockenimpfungen 1980. Auch Abholzung sei eine mögliche Ursache oder könne als Verstärker fungieren.
Insgesamt gewännen die Affenpocken allmählich an globaler Bedeutung, so die Forscher. Ob das Virus die Nische besetzt, die durch die Ausrottung der Pockenkrankheit freigeworden ist, sei momentan noch nicht abschätzbar, erklärte der Marburger Virologe Becker.
Gab es schon einmal Ausbrüche von Affenpocken?
Außerhalb von Afrika wurden Affenpocken-Infektionen beim Menschen bisher überhaupt erst wenige Male nachgewiesen. Die Häufigkeit scheint allerdings zuzunehmen.
Im Jahr 2021 gab es der WHO zufolge fünf erfasste Infektionen im Vereinigten Königreich und in den USA. Dreimal waren Menschen betroffen, die sich in Nigeria aufgehalten hatten, bei einem dieser Patienten steckten sich in Großbritannien zwei Familienmitglieder ab.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Nachrichtenagentur dpa