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Stress: Strategien für besseres Stressmanagement


Menschen an der Belastungsgrenze
Mit diesen Strategien kommen Sie gut durch Stressphasen

InterviewVon Andrea Goesch

Aktualisiert am 13.02.2024Lesedauer: 5 Min.
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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Eine Frau beobachtet den Sonnenuntergang: In stressreichen Phasen ist es wichtig, zwischendurch immer wieder Energie zu tanken und die eigenen "Akkus" aufzuladen.Vergrößern des Bildes
Eine Frau beobachtet den Sonnenuntergang: In stressreichen Phasen ist es wichtig, zwischendurch immer wieder Energie zu tanken und die eigenen "Akkus" aufzuladen. (Quelle: Oscar Wong/getty-images-bilder)

Termindruck, Konflikte in der Familie und Leistungsdruck im Beruf: In diesem Spannungsfeld geraten immer mehr Menschen an ihre Belastungsgrenzen.

Wird der Dauerstress zur Normalität, drohen ernsthafte Erkrankungen. Ein gutes Stressmanagement kann helfen, dass es so weit nicht kommt.

Chronische Stressbelastungen kosten viel Energie. Sie schränken unsere Lebensqualität erheblich ein und können im schlimmsten Fall in ein Burnout führen. Im Gespräch mit t-online erklärt die Berliner Psychologin Dr. Christina Jochim, welche Strategien helfen, Stress vorzubeugen und anstrengende Lebensphasen zu meistern.

t-online: Viele Menschen klagen über Stress. Doch ist er immer nur negativ?

Dr. Christina Jochim: Nein. Tatsächlich unterscheiden wir zwischen positivem Eustress und negativem Distress. Eustress ist zunächst einmal jegliche Form von Anforderungen, die unserer Aufmerksamkeit und Reaktion bedarf. Bei Distress haben die Betroffenen das Gefühl, dass diese Anforderungen zu hoch sind und sie nicht damit umgehen können. Ob Stress als positiv oder negativ empfunden wird, ist grundsätzlich subjektiv und hängt immer auch von der Bewertung der Person ab. Auch die individuell vorhandenen Bewältigungsstrategien spielen dabei eine wichtige Rolle.

Können Sie das an einem Beispiel konkretisieren?

Das Planen einer Überraschungsparty kann beispielsweise unterschiedlichen Stress auslösen. Diejenigen, die Freude daran und das Gefühl haben, alles im Griff zu haben, empfinden positiven Stress. Andere dagegen fühlen sich überfordert. Bei ihnen kann die gleiche Situation negativen Stress auslösen.

Sie haben in Ihrer Praxis oft mit stark beanspruchten Menschen zu tun. Was sind Ihrer Meinung nach die größten Stressfaktoren?

Die größten Stressfaktoren sind Existenzängste, das Gefühl von fehlender Kontrollierbarkeit und fehlende Mechanismen zur Stressbewältigung. Leistungsstressoren und Beziehungsstressoren spielen in unserer Gesellschaft eine wichtige Rolle. Egal, ob es Arbeit, Familie oder Freizeit betrifft.

Quelle: privat


Dr. Christina Jochim ist Psychologische Psychotherapeutin und Mitglied im Bundesvorstand der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung (DPtV) in Berlin (Foto: privat).

Die Pandemiekrise ist ein massiver Stresstest für alle. Was genau passiert da gerade in unserer Gesellschaft?

Die Pandemie bedeutet für die Menschen Unsicherheit. Keiner weiß, wann sie vorbei sein wird. Unsere Psyche ist jedoch kein Fan von Kontrollverlust. Sie möchte immer wissen, was als nächstes passiert. Doch eine klare Antwort darauf gibt es nicht. Vielmehr fordert die Pandemie stetig Neuanpassungen in Bezug auf gewohnte Abläufe. Um all diese Anforderungen zu erfüllen, benötigen wir viel Energie. Doch unsere Ressourcen sind auch irgendwann einmal erschöpft. Wenn der 'Energie-Akku' über einen längeren Zeitraum leer ist, kommt es zu chronischem Stress.

Für Familien ist die aktuelle Situation besonders belastend. Zwischen Homeoffice, Home Schooling und Haushalt stecken viele in der Stressspirale fest.

Richtig. Das Problem ist hier die Kombination von hoher Anforderung und geringem Entscheidungsspielraum. Dass diese Faktoren die Stressanfälligkeit erhöhen, ist auch aus Studien bekannt.

Stressmanagement kann helfen, Spannungen und Druck abzubauen. Welche Methoden empfehlen Sie?

Es gibt es ein paar Klassiker, die gut erforscht sind und sich bewährt haben. So wissen wir zum Beispiel, dass Bewegung Anspannung abbaut. Auch ausgewogene Ernährung hat positiven Einfluss auf unser Wohlbefinden. Ebenso können soziale Kontakte, Freizeitaktivitäten und Hobbys Stress entgegenwirken. Darüber hinaus sind ausreichend Schlaf und Erholung wichtig. Wer einen niedrigen Energielevel hat und trotzdem immer weiter powert, wird irgendwann krank. Der Akku sollte möglichst nie in den roten Bereich kommen, sondern vorher aufgeladen werden. Viele achten bei ihrem Handy darauf, bei sich selbst aber nicht.

Gibt es Persönlichkeiten, die zu Stress neigen?

Forschungen zeigen, dass es keine typischen Stresspersönlichkeiten gibt. Doch es gibt persönliche Eigenschaften, die Stressverstärker sein können. Das sind zum Beispiel Perfektionismus, Ungeduld und Selbstüberforderung.

Auf Stress reagieren Menschen zwar individuell unterschiedlich, doch es lassen sich oft Muster erkennen. Wie kommt das?

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir zunächst einen Blick in die Evolutionsgeschichte werfen. Wir wissen, dass es drei Strategien gibt, mit denen Menschen auf Gefahr reagieren: Kampf, Flucht oder Erstarren. Im Kampf-Modus erfolgt eine Art psychologische Überkompensation, zum Beispiel wenn Betroffene alles besser und perfekter machen wollen. Das Fluchtverhalten dagegen bedeutet Vermeidung. Solche Menschen ziehen sich zurück. Auch wird dann zum Beispiel öfter Alkohol konsumiert und man weicht auf diese Weise dem Problem aus.

Diejenigen, die "erstarren", erdulden die Situation. Sie halten alles aus, ohne aktiv etwas zu verändern. Ideal ist es, je nach Situation zwischen den genannten drei Typen flexibel und maßvoll wechseln zu können, wenn man spürt, dass das jeweilige Verhaltensmuster schadet. Um das zu lernen, ist Selbstreflexion wichtig. Zunächst muss man erkennen, zu welchem Typ man neigt.

Es gibt Menschen, die fühlen sich ohne erkennbaren Grund rastlos und empfinden eine innere Unruhe. Was steckt hinter dieser Art von "Stress ohne erkennbaren Grund"?

Aus psychologischer Sicht hat Stress immer eine Ursache, auch wenn diese auf den ersten Blick nicht erkennbar ist. Es geht darum, sie herauszufinden und sich gegebenenfalls dabei Unterstützung zu suchen. Anspannung entsteht ja immer aus einem bestimmten Grund, der äußerlicher oder innerlicher Art sein kann. So können eine Unterzuckerung oder Alkoholkonsum ebenso Auslöser für dieses Gefühl sein wie chronische Überforderung oder ein fehlendes Gefühl für die eigenen Grenzen. Allerdings können sich im Laufe eines Lebens Belastungsgrenzen auch ändern. Sei es altersbedingt oder wegen der Lebensumstände.

Wovon hängt es ab, dass Stressmanagement erfolgreich ist?

Ein grundlegender Punkt ist wirklich das mentale Stressmanagement. Hier geht es zunächst um die innere Einstellung, Rücksicht auf sich selbst zu nehmen. Damit beginnen sie, aus dem Teufelskreis auszubrechen. Wir können nicht immer auf dem höchsten Niveau sein und dieses halten. Bei leistungsorientieren Menschen ist das häufig der Fall. Anfangs empfinden Sie den Stress oft sogar als positiv. Doch auch chronischer Eustress kann zu Distress werden.

Wie lässt sich das verhindern?

Das bereits erwähnte Bild vom Energie-Akku kann hilfreich sein. Ohne Energiezufuhr durch Nahrung und ohne Schlaf sind die Reserven schnell aufgebraucht. Das gilt für den Körper wie für die Psyche. Zentral ist natürlich auch, die Auslöser zu bearbeiten. Das ist oft leichter gesagt als getan.

So paradox es klingt: Manchmal verursacht Stressmanagement neuen Stress. Wie lässt sich gegensteuern?

Bei den unzähligen Anti-Stress-Tipps, die es gibt, sollten Betroffene nicht versuchen, allen Ratschlägen folgen zu wollen. Besser ist es, sich einen herauszusuchen und ihn an eine bestimmte Gewohnheit im Alltag zu koppeln. Das kann zum Beispiel der Vorsatz sein, Sport zu treiben. Das kann man dann ein paar Wochen ausprobieren und schauen, ob man damit zurechtkommt. Wenn nicht, sollte man es auch wieder sein lassen und etwas anderes ausprobieren. So bewahrt man sich Flexibilität und vermeidet Einseitigkeit bei der Stressbewältigung. Besonders wichtig ist, dass Stressbewältigung nicht zur Selbstoptimierung missbraucht wird.

Wer unter chronischem Stress leidet, ist oft kraftlos und erschöpft. wie spürt man, dass der Punkt erreicht ist, sich professionelle Hilfe zu suchen?

Das lässt sich schwer pauschal sagen. Ein wichtiger Punkt ist jedoch das eigene Gefühl. Die Betroffenen spüren, dass sich nichts bessert, obwohl sie schon alles versucht haben. Sie haben das Gefühl, festzustecken oder bekommen von anderen widergespiegelt, dass sie sich verändert haben.

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Kann Stress in die Depression führen?

Eine Depression ist eine psychische Erkrankung, bei der immer mehrere Faktoren zusammenkommen. Man spricht hier vom sogenannten Stress-Vulnerabilitäts-Modell, das die Wechselwirkung zwischen individuellen und Umweltfaktoren beschreibt. So kann es bei chronischer Erschöpfung und chronischer Überforderung zu einem Burnout kommen, welches ein Hochrisikofaktor für eine Depression ist.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Dr. Jochim!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Bewegung, Entspannung und Stressbewältigung: Online-Informationen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), www.gesundheitsinformation.de (Stand: 21.2.2018)
  • Stress bewältigen: Online-Informationen der Techniker Krankenkasse, www.tk.de (Stand: 5.2.2020)
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