Wahrheit oder Mythos Gibt es Lebensmittel, die Ihre Leber entgiften?
Für diesen Beitrag haben wir alle relevanten Fakten sorgfältig recherchiert. Eine Beeinflussung durch Dritte findet nicht statt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ungesunde Ernährung, Alkohol und Medikamente belasten die Leber. Daher möchten viele Menschen ihre Leber unterstützen und entgiften. Aber geht das überhaupt?
Schadstoffe aus der Ernährung und Umwelt sollen sich im Körper in Form von Schlacken ansammeln und die Leber belasten. Daher finden sich viele Tipps und Hausmittel im Internet, die bei der Entgiftung der Leber unterstützen sollen. Aber halten sie wirklich, was sie versprechen? Fünf Lebensmittel im Check.
Natürliche Entgiftung: Wie funktioniert die Leber?
Die Leber ist eines der wichtigsten Entgiftungsorgane des Menschen. Sie nimmt Giftstoffe wie Alkohol oder Abbauprodukte von Medikamenten aus dem Blut auf, wandelt sie mithilfe von Enzymen in ungiftige Stoffe um oder sorgt dafür, dass sie über den Stuhl oder den Urin ausgeschieden werden. Neben der Leber sind vor allem die Nieren, der Darm, die Haut und die Lunge wichtig für die körpereigene Entgiftung.
Info: Schlacken
Schadstoffe, die sich in Form Schlacken im Körper ansammeln, gibt es aus wissenschaftlicher Sicht nicht.
Abgesehen von ihrer Funktion als Entgiftungsorgan wandelt die Leber Nährstoffe aus der Nahrung in Stoffe um, die der Körper besser verwerten kann. Zudem speichert sie diese Nährstoffe und gibt sie bei Bedarf an die Zellen ab – etwa Zucker, Eiweiße, Mineralstoffe und Vitamine.
Leber entgiften: Können Hausmittel helfen?
Die Leber ist also tatsächlich einer Menge Schadstoffe ausgesetzt. Allerdings bedeutet das nicht, dass sie durch Säfte, Tees oder Nahrungsergänzungsmittel entgiftet werden muss. Denn dafür hat der Körper selbst viele Mechanismen entwickelt.
Zudem haben die wenigsten "Leber-Heilmittel" eine nachgewiesene Wirkung auf das Organ. Fünf häufig empfohlene Lebensmittel im Check:
Zitrusfrüchte
Zitrusfrüchte wie Zitronen oder Grapefruit sollen Antioxidantien liefern, die die Leber bei der Reinigung unterstützen und damit die Regeneration vorantreiben. Eindeutig belegt, ist die Wirkung beim Menschen allerdings nicht.
Prinzipiell sind Antioxidantien wie Vitamin C oder Flavonoide (natürliche Farbstoffe, die Obst und Gemüse ihre Farbe geben) wertvolle Inhaltsstoffe pflanzlicher Lebensmittel. Zwei Antioxidantien, die in Grapefruit vorkommen (Naringenin und Naringin) haben in vereinzelten Tierstudien auch eine gewisse Schutzwirkung auf die Leber gezeigt. Der Mechanismus dahinter: Indem die Antioxidantien die Zellen der Leber vor Schäden durch freie Radikale schützten, konnten sie Entzündungen reduzieren. Allerdings wurde die Wirkung nie mit Grapefruit oder Grapefruitsaft selbst untersucht.
Auch Zitronensäure zeigte einen positiven Effekt auf die Entgiftung. Durch sie konnte Schwermetallen besser gebunden und ausgeschieden werden. Allerdings wurde die positive Wirkung nur in Tierversuchen und mit reiner Zitronensäure nachgewiesen, nicht mit Zitrusfrüchten.
Info: Antioxidantien und freie Radikale
Antioxidantien bieten Schutz gegen sogenannte freie Radikale. Diese freien Radikale werden zum einen vom Körper selbst gebildet, zum anderen entstehen sie durch schädliche äußere Einflüsse wie Alkohol und Zigaretten, Umweltgifte, Viren, UV-Strahlung der Sonne oder ungesunde Ernährung. Gibt es zu viele freie Radikale in unserem Körper, entsteht sogenannter oxidativer Stress. Dieser kann Krankheiten mitverursachen, darunter auch Leberschäden. Antioxidantien aus Obst und Gemüse wird eine schützende und gesundheitsfördernde Wirkung zugeschrieben. Aber: Antioxidative Stoffe in isolierter Form können bei zu hoher Dosierung auch Nebenwirkungen haben. Mehr zum Thema Antioxidantien finden Sie hier.
Kohl und Artischocken
Kohl wie Brokkoli oder Rosenkohl enthält Bitterstoffe. Sie sollen die Leber reinigen und die Entgiftung anregen. Auch Artischocken wird dieser Effekt zugeschrieben. Die Wirksamkeit beim Menschen ist hierbei ebenfalls nicht bestätigt.
"Mit Bitterstoffen beispielsweise können Sie Ihre Verdauung unterstützen und die Bildung von Galle fördern, eine klassische Entgiftung findet dabei aber nicht statt", erklärt Professor Benjamin Maasoumy, Leitender Oberarzt in der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie und Endokrinologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und Experte der Deutschen Leberstiftung.
Knoblauch
Knoblauch zählt zu den beliebtesten Leber-Heilmitteln. So soll Knoblauch über enthaltene schwefelhaltige Pflanzenstoffe die Leberenzyme aktivieren, die wichtig für die Entgiftung sind.
Die Gute Nachricht ist: Knoblauch enthält tatsächlich Pflanzenstoffe wie Allicin und Alliin, die antioxidativ und entzündungshemmend wirken. Zudem haben Tierstudien gezeigt, dass Knoblauch oxidativen Stress und Entzündungen in der Leber reduzieren kann, den Fettstoffwechsel verbessert und sogar bei einer nicht-alkoholischen Fettleber hilft. Auch erste Studien am Menschen lassen einen ähnlichen Effekt vermuten.
Damit ist Knoblauch durchaus ein gesundes Lebensmittel und kann die Leber bei ihrer normalen Funktion unterstützen. Ob Knoblauch die Entgiftung jedoch darüber hinaus anregen oder verbessern kann, ist nicht wissenschaftlich belegt.
Kurkuma
Kurkuma ist ein beliebtes Superfood und soll auch bei der Entgiftung der Leber helfen. Ähnlich wie beim Knoblauch ist die Wirkung auf die Entgiftungsleistung der Leber zwar nicht bestätigt, allerdings scheint Kurkuma dennoch einen gesundheitlichen Nutzen für die Leber zu haben.
Der Grund: Curcumin, der Hauptwirkstoff in Kurkuma, wirkt antioxidativ und entzündungshemmend. In zwei kleineren Humanstudien konnte Curcumin zudem eine bestehende nicht-alkoholische Fettleber verbessern, indem es den Fettgehalt in der Leber senkte.
Kaffee
Unter den Getränken soll Kaffee besonders gut für die Leber sein. Und da ist tatsächlich etwas Wahres dran. Studien haben gezeigt, dass Kaffeetrinken die Leber vor Krankheiten schützen kann.
Auch Professor Benjamin Maasoumy empfiehlt Kaffee für die Lebergesundheit: "Trinken Sie Kaffee! Nach Studiendaten sogar mindestens drei Tassen Kaffee am Tag." Ihm zufolge spielt das Koffein dabei allerdings eher eine untergeordnete Rolle. "Nicht dem Koffein wird die leberunterstützende Wirkung nachgesagt, sondern anderen Substanzen der Kaffeebohne", sagt Maasoumy. "Welche Bestandteile das genau sind, ist noch unklar." Allerdings deuten einige Studien darauf hin, dass auch Kaffee die Leber über eine antioxidative Wirkung schützt.
Wie Sie Ihre Leber am besten schützen
Ob einzelne Lebensmittel die Leber relevant entgiften, ist also weiterhin fraglich. Fakt ist jedoch, dass die Ernährung bei der Entgiftung eine entscheidende Rolle spielt. Denn eine ungesunde Ernährung, Alkohol und Rauchen setzen dem Organ langfristig zu. Die Folge kann eine Fettleber sein. Dann sind Stoffwechselprozesse und die Entgiftung beeinträchtigt.
Info: Ursachen der Fettleber
Neben einer langfristig ungesunden Ernährung führen auch Erkrankungen, die auf einen ungünstigen Lebensstil zurückzuführen sind, zu einer Fettleber, etwa Diabetes mellitus Typ 2, Adipositas und das metabolische Syndrom. Auch bestimmte Medikamente können die Erkrankung verursachen. Mehr zur Fettleber erfahren Sie hier.
Die Fettleber ist in Deutschland ein häufiges Problem: Nach Angaben der Deutschen Leberstiftung hat rund ein Drittel der Erwachsenen eine durch Fetteinlagerung vergrößerte Leber, ebenso jedes dritte übergewichtige Kind – und die Zahl steigt weiter.
Um die natürliche Entgiftung der Leber bestmöglich zu unterstützen, ist ein gesunder Lebensstil entscheidend. Laut Experten sollten Sie dabei auf folgende Dinge achten:
- Eine gesunde Ernährung im Allgemeinen: Viel frisches Gemüse, gesunde Fette und Proteine, Hülsenfrüchte und Vollkorngetreide gehören auf den Speiseplan. Zucker, auch Fruchtzucker, und Fett sollten Sie nur in Maßen essen. Mehr zur Ernährung gegen eine Fettleber erfahren Sie hier.
- Übergewicht vermeiden: Neben einer gesunden Ernährung gehört auch viel Bewegung dazu. Sie sollten sich täglich mindestens 30 Minuten moderat bewegen. Wie Sie mehr Bewegung ganz einfach in den Alltag einbauen können, erfahren Sie hier.
- Maximal moderater Alkoholkonsum
- Verzicht aufs Rauchen
- Wer Medikamente einnehmen muss, welche die Leber belasten können, sollte regelmäßige Kontrolluntersuchungen beim Arzt wahrnehmen
Fazit
Ob einzelne Lebensmittel die Leber relevant entgiften können, ist wissenschaftlich nicht belegt. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass Kaffee, Knoblauch oder Kurkuma durchaus gesund für die Leber sind. Viel wichtiger als einzelne Lebensmittel ist aber ein allgemein gesunder Lebensstil. Eine ausgewogene Ernährung, wenig Alkohol und viel Bewegung halten die Leber gesund und unterstützen sie so in ihrer natürlichen Entgiftungsleistung.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- gesundheitsinformation.de: "Wie funktioniert die Leber?". (Stand: Februar 2023)
- pschyrembel.de: "Antioxidanzien". (Stand: Februar 2018)
- verbraucherzentrale.de: "Antioxidantien: Helfer gegen freie Radikale". (Stand: Dezember 2022)
- pschyrembel.de: "Flavonoide". (Stand: Juni 2022)
- ncbi.nlm.nih.gov: "Naringenin is a Potential Immunomodulator for Inhibiting Liver Fibrosis by Inhibiting the cGAS-STING Pathway". (Stand: Februar 2023; englisch)
- sciencedirect.com: "Effects of garlic supplementation on non-alcoholic fatty liver disease: A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials". (Stand: Dezember 2022; englisch)
- ncbi.nlm.nih.gov: "Therapeutic Effects of Garlic on Hepatic Steatosis in Nonalcoholic Fatty Liver Disease Patients: A Randomized Clinical Trial". (Stand: Juli 2020; englisch)
- ncbi.nlm.nih.gov: "Curcumin in Liver Diseases: A Systematic Review of the Cellular Mechanisms of Oxidative Stress and Clinical Perspective". (Stand: Juli 2018; englisch)
- ncbi.nlm.nih.gov: "Coffee and Liver Disease". (Stand: März 2016; englisch)
- onlinelibrary.wiley.com: "Detox diets for toxin elimination and weight management: a critical review of the evidence". (Stand: Dezember 2014; englisch)
- dge.de: "Sekundäre Pflanzenstoffe und Gesundheit". (Stand: Dezember 2014)