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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Die Dosis ist entscheidend Wie Stress das Immunsystem attackiert
Menschen, die unter Dauerstress stehen, werden schneller krank und langsamer wieder gesund.
Eine Scheidung oder Arbeitslosigkeit können ebenso empfänglich für Krankheitserreger machen wie haufenweise Überstunden und ständiger Ärger mit dem Chef. Kurze Stressphasen dagegen bewirken das Gegenteil: Sie können die Abwehrkräfte sogar ankurbeln.
Was ist Stress?
Hinter dem Phänomen Stress steckt ursprünglich ein lebensnotwendiger Mechanismus, den das Gehirn auslöst und den Menschen in Bedrohungssituationen wappnet. Er stellt den Körper auf Kampf oder Flucht ein. Die Stressreize lassen innerhalb kürzester Zeit im Blut Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin ansteigen. Sobald die Situation vorbei ist, lassen Anspannung und Aufregung nach. Erholungs- und Ausgleichsphasen folgen. Stimmt dieses Gleichgewicht nicht mehr, wird Stress schädlich.
Psyche und Immunsystem: wechselseitige Beziehung
"Es gibt eine wechselseitige Beeinflussung von Zentralnervensystem, Psyche und Immunsystem", erklärt Professor Norbert Müller von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) in Berlin.
"Dies bedeutet, dass sich die seelische Verfassung eines Menschen auf seine Immunabwehr auswirkt". Wer unter chronischem Stress leide, sei deshalb häufig anfällig für Infektionen. "Auf der anderen Seite können körperliche Erkrankungen aber auch zu psychischen Krankheitssymptomen führen", so der Experte.
Stresshormone blockieren die Immunreaktion
Dauerhafter Stress durch Arbeitsüberlastung im Berufsleben oder vor Prüfungen, durch familiäre Probleme, traumatische Erlebnisse und andere über längere Zeit andauernde psychische Belastungen hat ein Absinken von bestimmten Substanzen des Immunsystems zur Folge, die der Abwehr von Krankheitserregern dienen. Gleichzeitig werden Stresshormone ausgeschüttet, die eine angemessene Immunantwort des Organismus unterdrücken.
"Der Organismus kann dann nicht mehr mit der notwendigen Schlagkraft Krankheitserreger bekämpfen", sagt Müller. "Neben einer erhöhten Infektionsanfälligkeit kann auch das Entstehen neuer Krankheiten und eine Verschlechterung bereits bestehender Erkrankungen begünstigt werden. Psychischer Stress verschlimmert beispielsweise häufig chronisch-entzündliche Erkrankungen wie Asthma, Arthritis und Herz-Kreislauf-Erkrankungen."
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Kurzer Stress kann Abwehrkräfte ankurbeln
Die negativen Auswirkungen von Stress auf das Immunsystem treten auf, wenn die stressauslösenden Faktoren über einen längeren Zeitraum auftreten und sie von den Betroffenen als belastend und bedrohlich wahrgenommen werden. Dagegen kann bei akutem Stress, der nur wenige Minuten bis Stunden andauert, die Aktivität des Immunsystems sogar gesteigert werden.
Beispiele hierfür sind plötzlich auftretende Gefahrensituationen, aber auch der Fallschirmspringer unmittelbar vor seinem ersten Sprung oder der Fußballtrainer vor Anpfiff des Spiels. Hier steigen die Werte für bestimmte Immunzellen in der akuten Stresssituation sogar stark an, um kurze Zeit später wieder schnell abzufallen.
Eu-Stress - der gute Stress
Wissenschaftler unterscheiden zwei verschiedene Stressarten: Dis- und Eu-Stress. Dis-Stress bezeichnet den negativen Stress und geht oftmals mit unangenehmen Stressreaktionen und Stresssymptomen einher. Daneben gibt es den positiven oder guten Stress, auch Eu-Stress genannt. Diese Art von Stress geht nicht mit Überforderung einher und wird nicht als beschwerlich empfunden. Eu-Stress entsteht meist dann, wenn man etwas mit besonders viel Spaß und Begeisterung macht. Hier kann Stress die Leistungsfähigkeit sogar fördern.
Wie lässt sich chronischem Stress vorbeugen?
"Die Auswirkungen von Stress auf das Immunsystem sind davon abhängig, wie lange die Situation andauert und wie sie von dem Betroffenen subjektiv empfunden wird", erklärt Müller. Gelingt es, chronischem Stress vorzubeugen oder belastenden Stress schnell abzubauen, hat dies auch einen positiven Effekt auf das Immunsystem.
Hier hilft jede Form von Bewegung und die Kräftigung der Muskulatur, beispielsweise durch Krafttraining, da Muskelzellen für einen schnellen Abbau von Stresshormonen sorgen und damit deren hemmende Funktion auf das Immunsystem ausschalten.
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Zudem gibt es psychische Faktoren, die das Immunsystem positiv beeinflussen. Zu ihnen gehören eine optimistische Lebenseinstellung, ein höheres Selbstwertgefühl und gute soziale Bindungen. "Gute soziale Kontakte und Unterstützung geben Anerkennung, Selbstbewusstsein, Sicherheit und das Gefühl, einer Gruppe anzugehören", so Müller. Untersuchungen hätten gezeigt, dass sich in psychisch belastenden Situationen gute soziale Beziehungen stabilisierend auf das Immunsystem auswirkten.
Ein weiterer wichtiger psychischer Einflussfaktor sind positive Gefühle wie Fröhlichkeit, Begeisterung und Dankbarkeit. Sie wirken günstig auf die Effektivität und Regulierung des Immunsystems und können sogar zu schnelleren Heilungserfolgen nach Verletzungen oder Operationen beitragen.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Neurologen und Psychiater im Netz: Portal der Berufsverbände und Fachgesellschaften für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie in Deutschland und der Schweiz.
- Deutsches Zentrum für individualisierte Prävention und Leistungsverbesserung: Chronischer Stress