Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Schlechte Nachricht für Langschläfer Studie: Was Bewegung für Ihre geistige Fitness tun kann
Bewegung gilt allgemein als gut für die Gesundheit. Eine neue Studie beleuchtet den Zusammenhang zur geistigen Leistung – und gewinnt überraschende Erkenntnisse.
Jede Woche mindestens 150 Minuten körperlich aktiv sein. Das ist die offizielle Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für die bestmögliche körperliche Gesundheit. Aber nicht nur der Körper profitiert davon.
Auch die kognitive Leistungsfähigkeit, sprich Gedächtnis, Lernfähigkeit und Sprache, wird positiv durch Bewegung beeinflusst. Das fand eine im Fachjournal "Journal of Epidemiology & Community Health" veröffentlichte Studie des University College London heraus. Welche Formen der Bewegung besonders effektiv sind, um die Gehirnleistung zu fördern, erfahren Sie hier.
Kognitive Fähigkeiten
Kognition ist ein Sammelbegriff für die geistigen Fähigkeiten des Menschen, die mit dem Erkennen und Verstehen von Situationen zusammenhängen. Zu den kognitiven Fähigkeiten zählen unter anderem Aufmerksamkeit, Erinnerung, Lernen, Kreativität, Planen, Orientierung, Vorstellungskraft oder Wille.
Durchschnittlich weniger als eine Stunde am Tag aktiv
In ihrer Studie werteten die Autoren die Daten von insgesamt 4.481 Teilnehmern aus England, Schottland und Wales aus, die seit ihrer Geburt im Jahr 1970 im Zuge einer anderen, groß angelegten Studie (1970 British Cohort Study) beobachtet wurden.
Um die Aktivität der durchschnittlich 47 Jahre alten Teilnehmer zu überprüfen, trugen sie bis zu sieben Tage und jeweils mindestens zehn Stunden am Tag einen Aktivitätstracker an der Hüfte. Zusätzlich füllten sie einen detaillierten Fragebogen zu Gesundheit, Hintergrund und Lebensstil aus.
Für die Untersuchung ihrer kognitiven Leistungen mussten die Probanden verschiedene Tests absolvieren, wie zum Beispiel sich eine Reihenfolge von Wörtern merken oder bestimmte Wortschatz- und Aussprachetests. Aus den einzelnen Testergebnissen ermittelten die Forschenden einen Gesamtscore für die geistige Fitness der Probanden.
Die Auswertung der Aktivitätsmesser zeigte: Die Teilnehmer kamen pro Tag im Schnitt auf 51 Minuten Bewegung im moderaten bis intensiven Bereich (abgekürzt mit MVPA, englisch für moderate and vigorous physical activity). Leichte körperliche Aktivität machte fünf Stunden und 42 Minuten aus. Die im Sitzen verbrachte Zeit belief sich auf neun Stunden und 16 Minuten. Die mit Schlafen verbrachte Zeit machte im Schnitt acht Stunden und elf Minuten aus.
Bewegung wirkt sich positiv aus, Sitzen aber auch
Die Zeit, die Teilnehmer mit moderater bis intensiver Bewegung verbrachten, scheint sich im Vergleich zu anderen Aktivitätsarten positiv auf die geistige Fitness auszuwirken – insbesondere bei Menschen, die in ihrem Beruf vornehmlich sitzen. Den Autoren zufolge war der Zusammenhang gerade bei kognitiven Prozessen wie Planung und Organisation gut zu beobachten.
Ihr Ergebnis im Detail: Bei einem Anstieg von neun Minuten auf täglich 60 Minuten MVPA verbesserte sich die geistige Fitness nachweislich. Aber auch in die gegenteilige Richtung zeigte sich ein Effekt. Nimmt man nur sieben Minuten Bewegung am Tag weg und ersetzt sie durch leichte körperliche Aktivität, Sitzen oder Schlafen, geht dies bereits mit einer schlechteren geistigen Leistung einher.
Dass auch Schlaf diesen negativen Effekt hat, ist neu: "Einige Studien haben MVPA bereits mit der Gesundheit in Zusammenhang gebracht, aber nur wenige von ihnen berücksichtigten dabei auch die mit Schlafen verbrachte Zeit, die einen beträchtlichen Teil eines jeden 24-Stunden Tages ausmacht", schreiben die Autoren.
Eine weitere Überraschung für die Forscher: Auch wer viel Zeit im Sitzen verbringt, kann offenbar davon profitieren. Als Voraussetzung vermuten die Autoren, dass Menschen sich beim Sitzen mit stimulierenden Aktivitäten wie Lesen oder Arbeiten beschäftigen müssen. Einen tatsächlichen Nutzen von passivem Sitzen wie etwa beim Fernsehen schließen sie aus.
Welche Bewegung ist geeignet?
Es gibt viele physiologische Erklärungsversuche, warum körperliche Aktivität die geistigen Fähigkeiten unterstützen kann. Dazu zählen eine bessere Hirndurchblutung, die Freisetzung von Wachstumsfaktoren und sogar das Wachstum neuer Nervenzellen im Gehirn. Auch erfordert intensive körperliche Aktivität, wenn sie strukturierte Übungen enthält, ein gewisses Maß an Selbstmotivation, Planung und sozialer Interaktion – alles Faktoren, die als geistig stimulierend gelten.
Bei körperlicher Aktivität muss es sich im Übrigen nicht nur um Sport handeln. Moderates Ausdauer- und Krafttraining wird zwar von der WHO empfohlen – etwa Joggen, Schwimmen oder Training mit Gewichten –, generell zählen aber auch Tätigkeiten wie schnelles Gehen, Tanzen oder Gartenarbeit dazu.
Die Schlussfolgerung der Studie stimmt damit mit den Empfehlungen der WHO überein und lautet: Jede Minute Bewegung zählt, denn davon profitieren körperliche und geistige Gesundheit.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- stiftung-gesundheitswissen.de: "Gesünder leben mit Bewegung". (Stand: 2021)
- ncbi.nlm.nih.gov: "What Is Moderate to Vigorous Exercise Intensity?". (Stand: September 2021)
- pschyrembel.de: "Kognition". (Stand: April 2016)
- gesundheit.gv.at: "kognitiv". (Stand: 2023)