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Droht Putin Schoigu? Kreml-Kritiker sieht Warnzeichen


Hintergrund zu Korruptionsfall
Kremlkritiker: Putin sieht Militär als "zu stark" an

Von t-online, wan

Aktualisiert am 03.05.2024Lesedauer: 3 Min.
imago images 0416173017Vergrößern des BildesSergei Schoigu (r.) und Wladimir Putin (Archivbild): Der Kremlchef soll seinem Verteidigungsminister ein deutliches Zeichen gesendet haben. (Quelle: IMAGO/Alexander Kazakov/imago)
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Ermittlungen im russischen Verteidigungsministerium, eine Verhaftung. Dass es dabei nur um Korruption geht, bezweifelt ein Kremlkritiker.

Erst wurde Ende April der russische Vize-Verteidigungsminister Timur Iwanow nach Korruptionsvorwürfen festgenommen, dann gab es Meldungen, dass auch dessen Kollegen Ruslan Zalikow – wohl Nummer drei der russischen Befehlskette – vom russischen Inlandsgeheimdienst befragt wurde. Dass es dabei nur um Korruptionsvorwürfe geht, bezweifelt der Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski. "Insider sagen, das sei eine direkte Drohung gegen Verteidigungsminister [Sergei] Schoigu", schrieb der ehemalige Oligarch auf X.

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Auch Chodorkowski sieht Iwanow als Teil eines der größten Korruptionsskandale in Russland, geht aber davon aus, dass der Fall noch weitere Wellen schlagen könnte. "Putin wusste, dass Iwanow ein Fixer für Schoigu war", sagt der Politiker. Iwanow war als einer von zwölf Stellvertretern des derzeitigen Verteidigungsministers seit 2016 im Amt, soll aber bereits seit 2012 mit Schoigu zusammengearbeitet haben. Zuvor war er stellvertretender Ministerpräsident der Region Moskau, wo Schoigu kurzzeitig als Gouverneur fungierte.

Der Vize-Verteidigungsminister Timur Iwanow wird verdächtigt, Bestechungsgelder angenommen zu haben, wie Russlands Ermittlungskomitee am Dienstagabend auf Telegram mitteilte. Bereits Ende 2022 tauchte der Name in einer Recherche des Teams vom mittlerweile verstorbenen Kremlgegner Alexei Nawalny auf. Darin wurde Iwanow beschuldigt, mehrere Immobilien in und um Moskau mithilfe von Vertragsarbeitern des Verteidigungsministeriums gebaut und repariert zu haben.

Chodorkowski: Putin sieht Militär als zu stark an

Das Kremlregime habe seit 2022 versucht, Iwanow festzunehmen. Nach dem Angriffskrieg gegen die Ukraine sei das Verteidigungsministerium aber "unberührbar" geworden. Dass es jetzt eine Verhaftung gegeben habe, liege laut Chodorkowski daran, dass Putin das Militär als "zu stark" ansehe. Seit die Wagnergruppe und deren verstorbener Führer Jewgeni Prigoschin kein Gegengewicht mehr zu Schoigu darstellten, habe es eine Machtverschiebung gegeben.

Der Verteidigungsminister habe jetzt die Kontrolle über alle russischen Truppen. "Und das gefällt Putin nicht", so Chodorkowski. Der Kremlchef wolle laut Spekulationen aber nicht gegen seinen Minister selbst vorgehen, aus Angst, dass dies Auswirkungen auf den Kriegsverlauf haben würde. Der Oppositionelle sieht das anders: "Das würde keinen Unterschied machen". Dennoch habe Putin deutlich gemacht, dass Schoigus Position nicht mehr sicher und geschützt sei.

Michael Chodorkowski gilt als ausgewiesener Putinkritiker. Er hatte sogar versucht, eine Art Oppositionskongress zu organisieren – allerdings erfolglos. Der 60-Jährige benutzt das Geld, dass er als einer der ehemals reichsten Männer Russlands scheffeln konnte, um die Oppositionsgruppe "Offenes Russland" zu unterstützen. Chodorkowski lebt in London, gibt immer wieder Interviews, hat aber in Russland selbst offenbar wenig Einfluss.

Kam Iwanow jemandem in die Quere?

Iwanow, dem ein ausschweifender Lebensstil nachgesagt wird, könnte aber auch anderen Kremleliten ein Dorn im Auge gewesen sein. Denn Korruption ist in Russland auch in höchsten Kreisen nicht ungewöhnlich. "Er ist kein Ausreißer, wenn es um Nebenbeschäftigungen und unerklärlichen Reichtum geht", erklärte Dara Massicot der "New York Times".

Die Expertin für das russische Militär bei der Carnegie-Stiftung für Internationalen Frieden in Washington vermutet: "Für ein solches Ende Ihrer Karriere müssen Sie jemandem in die Quere gekommen sein." Personen, die auf solche Weise in Ungnade fallen, seien zuvor in der Regel mit den Geschäftsinteressen der russischen Sicherheitsdienste oder eines Bauoligarchen mit noch besseren Beziehungen in Konflikt geraten. Korruptionsverdacht, auch wenn in der Praxis geduldet, wird oftmals als rechtliches Mittel gegen in Ungnade gefallene Personen verwendet.

Über die interne Machtverteilung im Kreml wird immer wieder spekuliert. Wladimir Putin dürfte, gerade nach seiner Wiederwahl zum Präsidenten, derzeit unangefochten sein. Nach Einschätzung des amerikanischen Council for Foreign Relations könne ein Wechsel nur von innerhalb des Systems kommen. "Der Führungswechsel wird höchstwahrscheinlich eher ein Prozess von oben nach unten sein, der durch Machtkämpfe der Eliten ausgelöst wird, als ein gesellschaftlicher Prozess von unten nach oben", so das Institut.

Ein weiteres Indiz für Putins Versuch, Macht zu verteilen, sieht das amerikanische Institut für Kriegsstudien (ISW) in einem Treffen des russischen Diktators mit dem Gouverneur der Region Tula, Alexei Dyumin, am Donnerstag. Er gilt als ehemaliger Prigoschin-Verbündeter. "Putin versucht möglicherweise, die Macht des russischen Verteidigungsministers Sergei Schoigu zu beschneiden, indem er ihn mit Rivalen ausbalanciert", schreibt das Institut in seinem Lagebericht vom Donnerstag. Es sei kein Zufall, dass das Treffen kurz nach der Verhaftung von Iwanow und kurz vor Putins erneuter Vereidigung als Präsident stattgefunden habe.

Verwendete Quellen
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