Für Körper und Geist Zeitumstellung: Warum sie keine Bagatelle ist
Für diesen Beitrag haben wir alle relevanten Fakten sorgfältig recherchiert. Eine Beeinflussung durch Dritte findet nicht statt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Am Sonntag wird die Zeit umgestellt. Darüber freuen sich laut einer Umfrage nur noch 17 Prozent der Deutschen. 80 Prozent sind dagegen. Ein Grund: die gesundheitlichen Folgen. So passen Sie Ihren Körper an die neue Zeit an.
Am Samstag läuft noch alles in gewohnten Bahnen, doch am Sonntag hat sich nicht nur die Zeit um eine Stunde nach vorne verschoben. Diese plötzliche Veränderung kann auch unser Körper nicht sofort bewältigen, er stellt sich erst nach und nach darauf ein.
Ohne Frage führt die Zeitumstellung bei vielen zu einer verminderten Schlafqualität und einer geringeren Gesamtschlafzeit, weil wir abends noch nicht müde sind, aber am Montagmorgen der Wecker eine Stunde früher klingelt. Das wiederum ist eine große Belastung für unseren Organismus.
Zeitumstellung – keine Bagatelle für Körper und Geist
Eine Stunde weniger Schlaf ist also für Körper und Geist keine Bagatelle. Eine Umfrage der DAK-Gesundheit mit 3.500 Befragten kam 2018 zu dem Ergebnis, dass die Zeitumstellung bei mehr als jedem Vierten zumindest vorübergehend für gesundheitliche Probleme sorgt.
79 Prozent fühlen sich müde oder schlapp, 62 Prozent klagen über Probleme mit dem Ein- oder Durchschlafen, 39 Prozent können sich schlechter konzentrieren, 28 Prozent sind gereizt und jeder Elfte hatte eine depressive Verstimmung.
Erhöhtes Herzinfarktrisiko
Studien stellen sogar einen Zusammenhang zwischen der Zeitumstellung und dem kurzfristigen Risiko von Herzinfarkten, Schlaganfällen, Verkehrsunfällen, Besuchen in der Notaufnahme und schweren Stimmungsschwankungen fest. So werteten etwa Wissenschaftler das schwedische Herzinfarktregister aus: Nach der Umstellung insbesondere auf die Sommerzeit stieg die Anzahl der akuten Herzinfarkte um fünf Prozent.
Das erklärt sich mit den Auswirkungen von Schlafveränderungen auf unser gesamtes Körpersystem. Der Schlaf hat eine wesentliche Bedeutung für unsere Gesundheit, unser Wohlbefinden und unsere Lebenszufriedenheit.
Es gibt zwei Systeme, die unseren Schlaf maßgeblich beeinflussen: unsere innere Uhr sowie der Schlafdruck. Beide erkläre ich gleich. Und beide können wir beeinflussen, um die Folgen der Zeitumstellung abzumildern.
Innere Uhr kommt durcheinander
Unser Körper bewegt sich in einem biologischen Tag-Nacht-Rhythmus. Dieser Rhythmus beeinflusst unser Energieniveau und zum Beispiel unseren Hunger, unsere Aufmerksamkeit, unsere Müdigkeit.
Wir sind am leistungsfähigsten und fühlen uns am besten ausgeruht, wenn unser Lebensstil mit dem natürlichen Rhythmus unseres Körpers übereinstimmt. Die plötzliche Änderung der Tageslichtexposition durch die Sommerzeit bringt diesen Rhythmus und die Stoffwechselprozesse durcheinander.
Was der Schlafdruck bedeutet
Gemeinsam mit der inneren Uhr bestimmt der Schlafdruck abends die Zeit, zu der wir gut einschlafen können. Im Laufe des Tages baut sich im Körper ein sogenannter Schlafdruck auf. Wir werden dadurch müde und merken, dass es Zeit zum Schlafen ist.
Ausgelöst wird der Schlafdruck durch Adenosin, einen Neurotransmitter. Vom Moment des Aufwachens an steigt der Adenosinspiegel immer weiter an. Je länger wir wach sind, desto größer der Schlafdruck, desto nachdrücklicher signalisiert uns der Körper, dass wir Schlaf brauchen. Im Schlaf baut sich Adenosin dann wieder ab.
Das können Sie jetzt tun
Doch wie können Sie die Folgen der Zeitumstellung mit der verlorenen Stunde Schlaf abmildern? Ganz einfach, indem Sie Ihren Körper in den nächsten Tagen bereits schrittweise an die neue Zeit anpassen.
Die 15-Minuten-Regel
Gehen Sie ab heute jeden Tag jeweils 15 Minuten früher ins Bett, also zum Beispiel heute Abend um 22 Uhr, morgen um 21.45 Uhr, übermorgen um 21.30 Uhr und so weiter. Stellen Sie sich den Wecker für die Aufwachzeit auch jeden Tag wiederum etwas früher.
Falls Sie vorher ein Schlafdefizit hatten, können Sie sich auch ein kleines Schlafpolster zulegen: zum Beispiel 20 Minuten früher schlafen gehen, aber nur 10 Minuten früher aufstehen, und auch in der nächsten Woche die Aufwachzeit mit dem Wecker möglichst etwas später als gewohnt einstellen.
Es werde Licht
Sorgen Sie für natürliches Licht bereits früh am Morgen und Vormittag. Helles Tageslicht ist der Taktgeber für Ihre innere Uhr und Sie können sie bei der Umstellung unterstützen. Gehen Sie möglichst jeden Tag am besten bald nach dem Aufstehen für eine halbe Stunde ans Tageslicht oder gucken Sie am Fenster in den Himmel oder die aufgehende Sonne. Am Abend sollten Sie dagegen helles, grelles Licht mit hohem Blaulichtanteil meiden.
Kein Nickerchen
Nutzen Sie den Schlafdruck, der sich im Lauf des Tages mithilfe des Adenosins in Ihrem Körper aufbaut, um am Abend der Müdigkeit nachzugeben und schön früh schlafen zu gehen. Vermeiden Sie dazu Nickerchen und Eindösen auf dem Sofa am Nachmittag oder Abend, denn dadurch sinkt sofort der Adenosinspiegel und mit ihm der Schlafdruck.
Schlaffördernde Abendroutine
Etablieren Sie ebenso schrittweise jeden Abend etwas früher eine schlaffördernde Abendroutine mit Zeit zum Herunterfahren Ihres Geistes: frühes Abendessen, Vermeiden von Gerätenutzung, Koffein und Alkohol.
Wenn Sie sich nach und nach an die Zeitumstellung anpassen, können Sie die negativen Auswirkungen der verlorenen Stunde verringern und weiterhin genug und gut schlafen. Vor allem aber kann dies ein Anlass sein, den Schlaf generell wichtiger zu nehmen und der chronischen Übermüdung, unter der die meisten Deutschen leiden, einen neuen, ausgiebigeren Schlaf entgegenzusetzen.
Ulrike Scheuermann ist Diplom-Psychologin und Bestsellerautorin. Seit 25 Jahren hilft sie Menschen dabei, ihr Leben mit modernsten Methoden der Psychologie innerlich frei und ohne Blockaden besser und gesünder zu gestalten. Ihre Self-Care- und Coaching-Programme finden in ihrer Akademie in Berlin und online statt.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- DAK-Gesundheit: "Zeitumstellung – Mehrheit der Deutschen will einheitliche EU-Zeit"
- Janszky, Imre; Ljung, Rickard: "Shifts to and from Daylight Saving Time and Incidence of Myocardial Infarction" (deutsch: Erhöhtes Herzinfarktrisiko nach der Umstellung auf die Sommerzeit). In: The New England Journal of Medicine