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Krah und Bystron: "Es sind keine Einzelfälle mehr"


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Die AfD und Russland
"All das ist nur die Spitze des Eisbergs"

  • Lars Wienand
InterviewVon Lars Wienand

14.05.2024Lesedauer: 5 Min.
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Tino Chrupalla, Maximilian Krah und Alice Weidel: Krah steht wegen möglicher Verbindungen zu prorussischen Netzwerken in der Kritik. (Quelle: IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON)

Grünen-Politiker Andreas Audretsch ist mehrfach verklagt worden, um ihm Aussagen über Russland-Verbindungen zur AfD zu verbieten. Es sind keine Einzelfälle, sagt er im Interview.

Angebliche "Kompensationen" seitens Russland für den Europaabgeordneten Maximilian Krah, dazu mutmaßliche konspirative Geldübergaben an den Bundestagsabgeordneten Petr Bystron: Trotz Dementis kämpft die AfD mit dem Vorwurf, dass mit russischem Geld die Partei beeinflusst werde.

Andreas Audretsch, Vizefraktionschef der Grünen im Bundestag, sagt: Die Verbindungen nach Russland seien keine Einzelfälle, sondern hätten System. Zuletzt wurde er verklagt, weil er einem Verein aus dem Umfeld von AfD-Politikerin Beatrix von Storch Unterstützung durch den Putin-nahen Oligarchen Konstantin Malofejew nachsagte – gewann aber alle drei Prozesse. Im Interview erklärt er, welche Rolle Malofejews Ideologie spielt – und worin seine Sorge besteht.

t-online: Der Verfassungsschutz darf die AfD weiter als Verdachtsfall beobachten, die Partei steht mit den Fällen Bystron und Krah am Pranger – ein Geschenk im Wahlkampf?

Andreas Audresch: Es geht nicht um Wahlkampf, es geht um unsere freiheitliche Gesellschaft. Das gilt bei der Bewertung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Münster genauso wie für die konkreten Fälle. Wir sollten uns bewusst machen, dass Moskau daran arbeitet, Demokratien in ganz Europa zu infiltrieren, auf ideologischer, organisatorischer und auch finanzieller Ebene. Um unsere Demokratie zu schützen, müssen wir das in ganzer Breite wahrnehmen und dagegen vorgehen.

Aber hat es nicht auch den Ruch einer Wahlbeeinflussung, dass die rauchenden Colts jetzt auftauchen?

Wenn etwas auftaucht, muss es auf den Tisch. Ich bin nicht im Parlamentarischen Kontrollgremium, ich greife nicht auf Informationen von Nachrichtendiensten zurück. Aber immer mehr Menschen arbeiten daran, Angriffe auf unsere Demokratie sichtbar zu machen, gerade auch in Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Ich halte es für sehr gut möglich, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten weitere rauchende Colts mit ganz konkreten Beweisen sehen werden.

Also kann die AfD das nicht als Einzelfälle abtun?

Aus einer Reihe von Einzelfällen ist längst ein Muster geworden. Der tschechische Geheimdienst konnte aufdecken, dass Herr Bystron offensichtlich Geld aus einem pro-russischen Netzwerk angenommen hat, nun wird genauer hingeschaut. Der "Spiegel" hat berichtet, dass im Kreml ein Manifest für die AfD formuliert wurde und sich das in Reden von Björn Höcke quasi eins zu eins wiederfindet. Auch das wird Ausgangspunkt weiterer Recherchen werden. All das ist aber nur die Spitze des Eisbergs, dahinter stößt man auf immer mehr Verbindungen und Netzwerke. Wenn man genau hinschaut, macht man sich nicht nur Freunde, das habe ich selbst erfahren.

Zur Person

Andreas Audretsch, Jahrgang 1984, ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag und dabei verantwortlich für die Themen Finanzen, Haushalt, Wirtschaft, Arbeit und Soziales. Der promovierte Politikwissenschaftler beschäftigt sich auch intensiv mit der Neuen Rechten und hat mit einer Historikerin 2020 das Buch "Schleichend an die Macht. Wie die Neue Rechte Geschichte instrumentalisiert, um Deutungshoheit über unsere Zukunft zu erlangen" veröffentlicht. Vor seiner Wahl in den Bundestag 2021 war Audretsch in der Öffentlichkeitsarbeit von Ministerien und Bundespräsidialamt tätig, davor wiederum arbeitete er von 2006 bis 2015 als Journalist unter anderem für den ARD-Hörfunk.

Sie wurden von mehreren Vereinen verklagt, weil Sie gesagt hatten, dass ein Netzwerk um Beatrix von Storch Unterstützung aus Russland erhalten habe.

Das ist in drei Gerichtsverfahren durchexerziert. Da ist es gelungen, konkrete Finanzierung deutlich zu machen und Personen zu benennen.

Geld aus Russland floss nach Spanien, von dort nach Deutschland. Ein russischer Oligarch hat Proteste wie die sogenannte "Demo für alle" in Deutschland finanziert.

Der Spanier Ignacio Arsuaga hatte für die Gründung der Kampagnenorganisation CitizenGo bei dem Oligarchen Konstantin Malofejew nach Geld gefragt und es wohl auch bekommen. Der Oligarch kommt aus dem direkten Umfeld von Wladimir Putin. Im Gegenzug kam der enge Malofejew-Vertraute Komov bei CitizenGo in eine Funktion mit Einfluss. Die Organisation ging an den Start, um Kampagnen zu unterstützen und arbeitet eng zusammen mit dem Bündnis "Demo für alle", das anfänglich unter Trägerschaft des Ehepaares von Storch stand. Russland hatte CitizenGo angeschoben, ein Netzwerk zur Verbreitung rechtsextremer Propaganda …

CitizenGo versteht sich selbst als Verteidiger christlicher Werte, organisiert Kampagnen gegen Abtreibung und Euthanasie.

… und arbeitet mit rechtsextremen Parteien in ganz Europa zusammen, das hat Gründer Arsuaga 2019 selbst beschrieben. Es geht um Kampagnen-Unterstützung für Rechtsextreme.

Wir sprechen da von einem internationalen Netzwerk, in das auch Geld aus Russland floss. Ist das nicht ein bisschen wenig?

Es ist ein Teil der Struktur. Es ist belegt, dass die Partei von Marine Le Pen in Frankreich Millionenkredite aus Russland aus dem Umfeld von Malofejew erhalten hat, in Italien wurde aufgedeckt, dass für den Europawahlkampf 2019 Millionen aus Russland über ein Ölgeschäft an die Lega Nord verschoben werden sollten.

Das Geschäft wurde maßgeblich verhandelt von Matteo Salvinis Berater Gianluca Savoini, der einen pro-russischen Verein mit dem Malofejew-Vertrauten Komov gründete. Savoini war auch bei einer Russland-Konferenz der AfD in Magdeburg und erstellte bei einem Flügeltreffen mit Björn Höcke 2018 ein Europamanifest.

Interessant, einiges davon wusste auch ich noch nicht. So erweitert sich das stetig, man erkennt die Strukturen Schritt für Schritt. Es gibt eine weitere internationale christliche Organisation mit Geld aus Russland, der World Congress of Families, bei dem auch erzreaktionäre Klerikale zusammenkommen. Das Gesellschaftsbild, das dort propagiert wird, findet sich eins zu eins in der Rede von Wladimir Putin im Februar 2023 wieder. Russland wird als letzter Hort des Natürlichen stilisiert, dagegen Europa als Kontinent völlig degenerierter Werte. Russisches Geld kam auch für den World Congress of Families von Malofejew und ebenso von Wladimir Jakunin.

Zwei wegen ihrer Rolle bei der Annexion der Krim sanktionierte Oligarchen aus dem direkten Umfeld von Putin ...

... und die finanzieren ein Forum mit, bei dem die ganze Breite der europäischen Rechtsextremen zusammenkommt.

Und von diesem World Congress of Families führen wieder Verbindungen zur AfD?

Bei der Konferenz 2019 war Maximilian Krah in Verona, zusammen übrigens mit David Bendels, Herausgeber des AfD-nahen "Deutschlandkuriers" und Drahtzieher von Anzeigen- und Plakatkampagnen für die AfD mit Mitteln unklarer Herkunft.

Bei Krah sind wir zurück bei dem prorussischen Nachrichtenportal "Voice of Europe", von wo an westliche Politiker geflossen sein soll ...

Ja, Krah hat sich mehrfach mit dem "Voice of Europe"-Hintermann Viktor Medwedtschuk getroffen, der auch pro-russische ukrainische Kriegsflüchtlinge in Deutschland steuern soll. 2021 ist Krah zu ihm gereist mit Herrn Bystron, wenige Monate vor Russlands Überfall auf die Ukraine. Die Verbindungen und Netzwerke lassen sich über Reisen der verschiedenen Akteure immer wieder finden. Alexander Gauland war bei Malofejew, Marcus Frohnmaier reiste zu Jakunin und zu Alexander Dugin, einem russischen Hardliner und Ideologen, auf den sich Putin gerne bezieht. Er pflegt auch enge Verbindungen zu Malofejew.

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Frohnmaier ist der AfD-Abgeordnete, über den es in internen russischen Papieren vor der letzten Bundestagswahl hieß: "Wir werden einen eigenen, absolut kontrollierten Abgeordneten im Bundestag haben." Er und sein Weggefährte Dimitrios Kisoudis sind Anhänger von Dugins Theorie – und Kisoudis ist heute Grundsatzreferent bei AfD-Chef Tino Chrupalla.

Und daraus entspinnt sich eben ein Bild. Es geht nicht nur um Geldflüsse eines pro-russischen Portals an Herrn Bystron oder nur um eine Reise eines Herrn Krah. Es geht um seit Jahren bestehende Netzwerke, mit dem Ziel, Demokratien in Europa zu destabilisieren. Das ist etwas, was wir jetzt vor der Europawahl, den anstehenden Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg und vor der Bundestagswahl im nächsten Jahr in einer viel größeren Dimension in den Blick nehmen sollten, wenn wir unsere Demokratie schützen wollen.

Und was soll das konkret heißen?

Wir müssen unsere Sicherheitsdienste entsprechend ausstatten und in Parteien, in Unternehmen, in der gesamten Gesellschaft wachsamer werden. Vor allem liegen mir aber zivilgesellschaftliche Akteure dabei auch am Herzen.

Wie das?

Ich habe meine Prozesse auch deshalb gewinnen können, weil Menschen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft akribisch recherchiert haben. Eine europäische Frauenrechts-Organisation hat herausgearbeitet, dass zwischen 2009 und 2018 rund 200 Millionen Dollar aus Moskau für Kampagnen nach Europa geflossen sind. Wir müssen die Arbeit dieser Zivilgesellschaft absichern, auch finanziell. Sie ist lebensnotwendig für unsere Demokratie.

Vielen Dank für dieses Gespräch, Herr Audretsch.

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