Konkurrenz zur Linken Sahra, lass es!
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht kokettiert damit, eine eigene politische Kraft ins Leben zu rufen. Doch das Vorhaben ist zum Scheitern verurteilt.
Sahra Wagenknecht ist zweifellos eine Ausnahmeerscheinung im politischen Betrieb. Nur selten gehen Anmut und Scharfsinn, intellektuelle Unerbittlichkeit und Sensibilität, Freigeistigkeit bei fester politischer Verortung in einer einzigen Person eine solche Verbindung ein. Selbst politische Gegner zollen ihr Respekt.
Und wenn sie einmal argumentativ in Fahrt ist, dann hält sie so schnell keiner auf. Die Talkshows lieben sie als Quotenbringerin. Der frühere Evonik-Chef Klaus Engel, ein harter, bei aller Nähe zur SPD konservativer Knochen, hatte sie sich einmal als Diskutantin und Herausforderin in einem Salongespräch im Berliner Ensemble gewünscht, das wir vom Magazin "Cicero" seinerzeit organisiert hatten. Ich konnte es ihm Gott sei Dank ausreden. Er wäre fürchterlich untergegangen.
Dieser Tage hat sich die "Bild"-Zeitung den Spaß erlaubt, eine Umfrage des oft für sie arbeitenden Meinungsforschungsinstituts INSA in Auftrag zu geben. Um die Frage zu klären, ob sich nicht viele Menschen im Land eine eigene Sahra-Wagenknecht-Partei wünschten. Und siehe an: Viele tun es. "Eine Wagenknecht-Partei könnte die AfD bis zur Hälfte ihrer aktuellen Wählerstimmen kosten", befand INSA-Chef Hermann Binkert, um das Tremolo zu steigern. Die Linke wäre bundesweit weg, die AfD geschwächt. Fast zwei Drittel der AfD-Wähler fänden eine Wagenknecht-Partei "gut".
Christoph Schwennicke ist Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaft Corint Media. Er arbeitet seit mehr als 25 Jahren als politischer Journalist, unter anderem für die "Süddeutsche Zeitung" und den "Spiegel". Zuletzt war er Chefredakteur und Verleger des Politmagazins "Cicero".
Praktischerweise war die Politikerin der Linken selbst kurz danach bei "Bild" zu Besuch, und die Kollegen konnten sie zum selbst gesetzten Thema befragen. Wagenknecht sagte nur, dass es ihrer Meinung nach tatsächlich Raum und auch die Notwendigkeit für eine weitere Partei in Deutschland gebe. Das war kein Dementi, aber auch kein: "Ja, hurra, danke für die gute Idee!" Es war ein Kokettieren, das ja auch schön das beileibe nicht unterentwickelte Ego kitzelt. Mehr nicht, auch wenn mit allen Mitteln versucht wurde, Spannung aufzubauen, ihr Ambitionen auf eine Parteigründung nachzusagen.
Eine Partei ist mühsam, anstrengend, undankbar
Die Wahrheit aber ist, so sehr sich das viele wünschen mögen: Sahra Wagenknecht wird nie eine Partei gründen. Präziser: Sie wird nie erfolgreich eine Partei gründen. Dafür benötigt man Fähigkeiten, über die die intellektuell brillante Politikerin nicht verfügt. Um erfolgreich eine Partei zu gründen, muss man ein ganz dickes Brett bohren. Muss ganz verschiedene Positionen und die damit verbundenen Personen und Charaktere zusammenbringen. Zumal diese Partei eine Querfront abbilden und Leute aus dem AfD-affinen Milieu ebenso wie aus dem Milieu der Linkspartei anziehen würde. Und man muss eine Organisation aus dem Boden stampfen.
Das ist etwas völlig anderes als der schnelle, gut sitzende Satz in einer Debatte. Das ist mühsam, anstrengend, undankbar. Das tut sich Wagenknecht niemals an. Sie hat kein wirkliches Durchhaltevermögen. So hart sie wirkt, so zerbrechlich ist sie hinter der stets makellosen Fassade. Sie hatte sich zwischenzeitlich einmal ganz aus der Politik zurückgezogen, diesen Schritt aber aus Sehnsucht nach Geltung und Auftritt nicht lange durchgehalten.
Halt, Stop! Wir müssen fair bleiben. Sie hat es ja schon einmal versucht. Erinnert sich noch jemand an "Aufstehen", ihre lose Bewegung, die sie nebenbei als Fraktionschefin der Linksfraktion aufzubauen versucht hat? Angelehnt an das "Empört euch!" des Franzosen Stéphane Hessel. Und letztlich an den aufrüttelnden bis aufwieglerischen "Hessischen Landboten" Georg Büchners.
Einer, der etwas Ähnliches gerade lernen muss, ist Friedrich Merz
Es wurde nie etwas daraus. Wagenknecht und ihre Mitstreiter stellten den Versuch ein. Betonten, dass es eh nie um die Gründung einer Partei gegangen sei. Das ist wahr. Aber das heißt nichts. Beinah jede existierende Partei in Deutschland ist aus einer Bewegung heraus entstanden. Einer sozialen, einer ökologischen, was auch immer. Die Wagenknecht-Leute haben es schlicht nicht vermocht, eine Parteistruktur übers ganze Land zu legen, konkreter: In jedem größeren Ort ein Büro zu eröffnen. Außerdem wurden sie, wie das in solchen Dingen immer der Fall ist, von Spinnern unterwandert, und die Gründungsmitglieder kamen kaum hinterher, diese Leute systematisch auszusortieren.
Diese fatale Anziehungskraft hat auch mit Wagenknecht selbst zu tun. Sie ist eine Person, die spaltet, nicht zusammenführt.
Einer, der dieses Gen auch hat, Friedrich Merz, lernt gerade, wie man als in seinem Fall CDU-Parteichef diese Neigung unterdrücken muss, wenn man so viele Menschen und Gesinnungen unter einen Hut bringen möchte und muss. Dabei hat Merz den Vorteil, eine solide aufgebaute und strukturell verankerte Traditionspartei übernommen zu haben. Er bekommt das irgendwie hin, mit gelegentlichen Rückfällen.
Wagenknecht würde das nie hinkriegen. Wie ihr Ehemann Oskar Lafontaine ist sie im Destruktiven besser als im Konstruktiven, im Kritisieren besser als im Machen. Ihr ist es schon nicht gelungen, eine vergleichsweise kleine und homogene Fraktion zusammenzuhalten. Sie hat, zusammen mit Lafontaine, maßgeblich die Linke zerlegt. Wie kommt bei dieser Erfolgsbilanz jemand ernsthaft auf die Idee, sie könnte eine neu zu gründende Partei zusammenhalten?
Auch wenn es manchmal so aussieht und wir mehr auf die Mattscheibe als ins Parlament blicken: Politik ist keine Talkshow. Und Sahra Wagenknecht ist und bleibt ein funkelnder Solitär. Aber sie wird niemals eine Parteichefin.
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