Neue Erkenntnisse Experte: Mit diesen Tricks leben wir länger
Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Lang und gesund leben – das ist das Ziel der meisten von uns. Und dafür kann jeder einiges tun. Ein Experten-Interview zu den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Männer werden hierzulande im Schnitt 78,5 Jahre alt, Frauen 83,4. Geht da noch mehr? Ganz sicher, denn es gibt Regionen auf der Welt, in denen Menschen noch viel älter werden. Die Wissenschaft entdeckt immer neue Parameter im Alterungsprozess, an denen wir schrauben können, um uns mehr glückliche Jahre zu verschaffen. t-online sprach mit dem Wissenschaftsjournalisten Bas Kast.
t-online: Herr Kast, aus den Erkenntnissen, die Sie gewonnen haben: Was ist die wirksamste Methode, um lange zu leben?
Bas Kast: Zunächst geht es eher um die Frage, wie man möglichst lange gesund lebt. Die Menschen wollen ja nicht unbedingt lange leben, sondern lange gesund leben. Es geht nicht darum, dass sie alt werden, sondern wie. Was wir wissen, ist, dass es bestimmte Regionen auf der Welt gibt, in denen die Menschen besonders lange leben.
Die Blauen Zonen …
Genau und eine dieser Regionen ist Okinawa in Japan. Dort gibt es ein Sprichwort, das darauf verweist, dass man nur so viel essen sollte, bis der Magen zu etwa 80 Prozent gefüllt ist. Die Leute sind also nie ganz satt, verspüren immer noch einen Rest Appetit, stillen dieses Gefühl aber nicht. Dieses Prinzip des Fastens verlängert das Leben tatsächlich entscheidend. Das sehen wir übrigens auch bei anderen Lebewesen: Mäusen, Fadenwürmern oder der Drosophila, also der Taufliege. So ein Fastenprogramm verlängert das Leben.
Aber was steckt dahinter, man würde ja denken, dass eine geringere Nahrungsaufnahme zu Stress im Körper führt und man kürzer lebt? Also dass dauerhaftes Fasten eher das Gegenteil bewirken würde, dass der Körper so gestresst ist, dass er eher schneller altert …
Der Erklärungsansatz ist ein anderer. Sie müssen sich unseren Körper vorstellen wie eine riesige Fabrik, in der ständig Zellen produziert werden. Es entsteht so auch jede Menge Abfall. Und dieser Müll lässt uns altern. Alzheimer etwa wird u. a. durch eine Ansammlung von Eiweißplaques verursacht.
Bas Kast studierte Psychologie und Biologie und arbeitet als Wissenschaftsjournalist. 2018 wurde sein Buch "Der Ernährungskompass" als "Wissensbuch des Jahres" ausgezeichnet. Kürzlich erschien sein aktuelles Buch "Kompass für die Seele".
Und was passiert dann beim Fasten?
Beim Fasten findet ein Prozess des Recyclings dieser Reste statt, auch Autophagie genannt. Damit erfrischt oder erneuert sich der Körper. Fasten hat also eine große Auswirkung auf die Verlängerung des Lebens.
Zu viel Essen ist aber nicht allein an vorzeitiger Alterung schuld. Welche Rolle spielen Entzündungen?
Entzündungen sind per se erst mal nichts Schlechtes. Sie zeigen an, dass der Körper – oder besser unser Immunsystem – gegen einen Eindringling vorgeht und versucht, ihn zu eliminieren. Problematisch sind eher chronische, unterschwellige Entzündungsprozesse. Sie können eine Vielzahl von Krankheiten auslösen, von Arteriosklerose bis hin zu bestimmten Krebsarten.
Wodurch werden diese Entzündungen begünstigt?
Durch bestimmte Hormone im Bauchfett, also Übergewicht. Aber auch durch die üblichen anderen Verdächtigen, die nicht gut sind für unseren Körper: Alkohol, Rauchen, mangelnde Bewegung. Aber auch was die Ernährung betrifft: gesättigte Fettsäuren (die vor allem in tierischen Produkten zu finden sind) oder auch Zucker.
In Studien wird die Mittelmeerkost als eine besonders gesunde Ernährungsform herausgestellt. Warum ist sie so gesund?
Weil hier besonders viel Gemüse verzehrt wird, gesundes Olivenöl, wenig Fleisch, dafür häufiger Fisch. Pescetarier – wie man die Menschen nennt, die sich überwiegend vegetarisch ernähren, aber auch Fisch zu sich nehmen – sind übrigens die Gruppe, die am längsten lebt. Das zeigen Studien. Eine Vielzahl von Vitalstoffen in dieser Ernährungsform haben sich als besonders gesundheitsfördernd erwiesen.
Omega-3-Fettsäuren spielen dabei eine besondere Rolle, oder?
Ja, unsere Zellen haben spezielle Rezeptoren für diese Fettsäuren, sie sind existenziell. Wer keinen oder nur selten Fisch isst, dem rate ich daher zu Omega-3 in Kapselform.
In Ihrem neuen Buch beschäftigen Sie sich ja mit der Psyche. Kann denn gesunde Ernährung auch depressiven Menschen helfen?
Depression ist eine hochkomplexe Krankheit, aber Studien haben tatsächlich gezeigt: Etwa einem Drittel der Patienten kann es helfen, die Ernährung umzustellen.
Für meine Psyche seien auch kalte Duschen gut, sagen Sie. Warum das?
Eine kalte Dusche bedeutet Stress für den Körper, er schüttet Adrenalin aus. Das ist wie so eine kleine Panikattacke, die sie simulieren. Der Lernprozess, der dahintersteckt: Wenn ich das nächste Mal Stress erlebe, der von außen auf mich zukommt, sei es körperlicher oder psychischer Stress, habe ich gelernt: Das letzte Mal habe ich das auch gemeistert. Das begünstigt Resilienz.
Und die macht sich ja auch gut, wenn ich länger leben und gesund bleiben will. Was kann noch helfen?
Soziale Kontakte sind ganz wichtig. Auch als älterer Mensch eingebunden zu sein, Kontakte zu haben, gefordert zu werden. Das trainiert auch unser Gehirn – besser als Kreuzworträtsel übrigens. Und dann hat man noch jede Menge andere Faktoren gefunden, die unserer Psyche guttun können.
Welche?
Musik zum Beispiel. Eine Studie hat gezeigt, dass Schlaganfallpatienten schneller wieder auf dem Damm waren, wenn sie täglich eine Stunde Musik hörten, als solche, die täglich eine Stunde einem Hörbuch lauschten. Musik wird als virtueller Freund empfunden, der einem in allen Lebenslagen gut zur Seite stehen kann. Auch die Natur tut der Psyche gut.
Wie viel ist davon nötig?
Gar nicht mal so viel. Schon, wenn wir zwei Stunden pro Woche in der Natur verbringen, verbessert sich unser Befinden. Übrigens haben Studien gezeigt, dass an Menschen, die in Straßen leben, in denen mehr Bäume stehen, weniger Antidepressiva verschrieben werden mussten. Und das war unabhängig von den Gehaltsklassen der Anwohner.
Wenn Sie zusammenfassen würden, was Sie aus den Recherchen für Ihr Buch mitgenommen haben: Was haben Sie selbst gelernt?
Ich denke, in erster Linie, dass man viel für seinen Körper tun kann, um ihn bestmöglich zu schützen. Es gibt sozusagen einen Werkzeugkoffer an Techniken, die uns nutzen können. Auch, um länger gesund zu leben.
Herr Kast, wir danken Ihnen für das Gespräch!
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Interview mit Bas Kast