Eberls Trainersuche bei Bayern Damit hätte wirklich niemand gerechnet
Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Der April neigt sich dem Ende zu – die Trainersuche des FC Bayern ebenfalls? Fest steht, dass es keine Wunschlösung wird. Und das wirft eine Frage auf.
Sportvorstand Max Eberl will "zügig" den neuen Trainer für den FC Bayern München präsentieren. "Wir sind jetzt sehr final", sagte er bereits am Wochenende. Eberl habe die Hoffnung, zeitnah etwas verkünden zu können. Wer der Nachfolger von Thomas Tuchel wird, der am Ende der Saison seinen Posten räumen muss, ist allerdings nach wie vor unklar.
Als die verbliebenen Kandidaten gelten Unai Emery von Aston Villa, Roberto De Zerbi von Brighton & Hove Albion sowie der österreichische Nationaltrainer Ralf Rangnick. Laut "BIld" sogar nur Emery und De Zerbi.
"Verblieben" vor allem deshalb, weil weder Wunschkandidat Xabi Alonso von Bayer Leverkusen noch Bundestrainer Julian Nagelsmann nach München wechseln wollen.
Über die Alonso-Absage sagte Eberl: "Xabi ist ein Ehrenmann. [...] Deswegen war für mich klar: Er wird Leverkusen nicht verlassen." Und über die von Nagelsmann: "Wir haben mit Julian gesprochen. Irgendwann hat man gemerkt, der Stachel von damals sitzt noch tief, die Trennung ist zu frisch." Damit ist die Entlassung von Nagelsmann bei Bayern vor etwas mehr als einem Jahr gemeint, die Eberls Vorgänger Hasan Salihamidžić vollzogen hatte.
Kein Alonso, kein Nagelsmann, kein Jürgen Klopp, der erst mal eine Pause einlegen möchte – und auch kein Zinédine Zidane, der offenbar nicht wirklich infrage kam, laut "L'Équipe" aber auch lieber Manchester United als den FC Bayern trainieren würde.
Das führt zu der Frage:
Ist der FC Bayern für Top-Trainer aktuell unattraktiv?
Ja, und der FC Bayern ist selbst schuld
Pep Guardiola, Jupp Heynckes, Carlo Ancelotti – es gab eine Zeit, da rissen sich die begehrtesten Trainer der Welt um den Job bei Bayern.
Vorbei.
Alonso bleibt lieber in Leverkusen, Nagelsmann beim DFB, Klopp pausiert lieber, Zidane würde andere Jobs vorziehen – und selbst Tuchel hätte doch gar keine Lust mehr zu bleiben, sollte Bayern zu einer Rolle rückwärts ansetzen und doch mit ihm weitermachen wollen. Der wahre Grund dafür: Bayern ist aktuell nicht attraktiv für Top-Trainer.
Die Kabine ist schwierig. Jeder Punktverlust wird zur Krise stilisiert, jede taktische Neuerung kritisch beäugt, bei jedem Fehler der Kopf des Trainers gefordert. Und die Bayern-Bosse ließen sich von der Hysterie zunehmend anstecken.
Für einen Trainer bedeutet das: besser keine Risiken oder Innovationen, keine Zeit und traditionell ein überschaubares Mitspracherecht bei der Kaderplanung. Eberl will versuchen, die Bedingungen zu verbessern. Aber welcher Weltklasse-Trainer tut sich das an, wenn er anderswo eine Truppe nach seinen Vorstellungen bauen kann und dafür mehr Geld und Vertrauen bekommt als in München?
Ob Emery oder De Zerbi – das vorläufige Ergebnis der Trainersuche ist eine dicke Überraschung. Und vom Namen her Kategorie B. Emery scheiterte in Paris und bei Arsenal, De Zerbi hat noch nie einen Topklub trainiert. Dass jetzt auch Lucien Favre als Übergangstrainer gehandelt wird, sagt alles über die Attraktivität des Postens. Der gehört aus Bayern-Sicht sogar der Trainer-Kategorie C an.
Mit dieser Entwicklung hätte vor ein paar Monaten wohl wirklich niemand gerechnet.
Nein, das ist völlig übertrieben
Der FC Bayern sucht zwar noch immer einen Nachfolger für Thomas Tuchel, aber deshalb ist er noch lange nicht unattraktiv für Top-Trainer. Daran ändern auch die Absagen von Julian Nagelsmann und Xabi Alonso nichts, die plausibel und nachvollziehbar waren. Die Münchner bleiben schon aufgrund ihrer Historie eine namhafte Adresse in Europa. Aufgrund ihrer Erfolge: Sie haben elfmal in Folge die Meisterschaft geholt, stehen aktuell im Halbfinale der Champions League. Und auch wegen der Stars wie Harry Kane.
Ja, der FC Bayern löffelt noch immer die Suppe der unseligen Kahn- und Salihamidžić-Zeit aus, durch die das Image gelitten hat. Aber man hat nun einen großen Trumpf: den neuen Sportvorstand Max Eberl. Er hat in Gladbach bewiesen, dass er ein Konzept verfolgt und Geduld hat. Mit Lucien Favre arbeitete er lange und gut zusammen. Eberl hatte in Gladbach nur acht Trainer – während die Bayern im gleichen Zeitraum zwölf verschlissen.
Das Gerede über die angeblich so ungeduldigen Bayern-Bosse ist dennoch übertrieben. Die Halbwertszeit eines Trainers war beim FC Barcelona oder bei Paris Saint-Germain in den letzten Jahren ähnlich kurz wie beim FC Bayern. Und auch Real Madrid hat schon drei verschiedene Trainer in neun Monaten gehabt – bis Zidane dort 2019 ein zweites Mal anheuerte.
Fußball ist ein Business. Wechsel auf der Trainer-Position sind so normal geworden wie die hohen Transfersummen von Spielern. Auch Trainer pokern inzwischen bis zum Ende und loten ihre Optionen aus. Die Vereine wiederum stehen unter – auch selbst auferlegtem – Erfolgsdruck.
Top-Trainer wollen auch zu Top-Adressen – und wissen, auf welche Erwartungshaltung sie dort treffen. Auch in München.
Unattraktiv? Das ist der FC Bayern deshalb noch lange nicht.
Teilen Sie Ihre Meinung mit
Welche Meinung zum Thema haben Sie? Schreiben Sie eine E-Mail an Lesermeinung@stroeer.de
- Im „Zweikampf der Woche“ kommentieren wir wöchentlich ein aktuelles Fußballthema. Sehen Sie den Schlagabtausch regelmäßig auch im Video – am Montag und manchmal auch Dienstag ab 19.30 Uhr im Rahmen der „Sport1 News“ bei Sport1 oder ab Montagnachmittag hier oben im Artikel.