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Fußball-EM als Zielscheibe russischer Desinformation: Joachim Löw im Fokus


Journalist und Ex-Bundestrainer im Fokus
Fußball-EM wird Zielscheibe russischer Desinformation


Aktualisiert am 30.04.2024Lesedauer: 4 Min.
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Jogi Löw: Der frühere Bundestrainer ist Zielscheibe von Desinformation.Vergrößern des Bildes
Jogi Löw: Der frühere Bundestrainer ist unter anderem eine Zielscheibe von Desinformation. (Quelle: IMAGO/Revierfoto/imago-images-bilder)

Die Fußball-EM in Deutschland wird Zielscheibe russischer Desinformation. Ein gefälschtes "Bild"-Video verbreitet Lügen – zu sehen sind Doping-Experte Hajo Seppelt und Ex-Bundestrainer Jogi Löw.

Er hat sich mit seinen Enthüllungen über systematisches Doping Russland zum Feind gemacht – jetzt schlägt Russlands Desinformationsmaschinerie gegen den Investigativjournalisten Hajo Seppelt zurück. Er und der frühere Bundestrainer Jogi Löw tauchen in einem gefälschten Video mit der Optik der "Bild" auf, das seit Freitag auf X verbreitet wird.

Im Vorfeld der Fußball-Europameisterschaft geht es darin um das ukrainische Nationalteam – und der Beitrag soll Stimmung gegen die Ukraine machen. Seppelt wird dabei untergeschoben, dass er für die ukrainischen Fußballer Ausnahmen von den üblichen Doping-Regeln vorschlägt. Wegen besonderer psychischer Belastung würden die Spieler Medikamente nehmen müssen, was man ihnen zugestehen und bei Doping-Kontrollen berücksichtigen müsse. Rund die Hälfte der Spieler der Nationalelf, die bei der Europameisterschaft in Taunusstein in der Nähe von Wiesbaden einquartiert ist, spielt bei Vereinen der ukrainischen Ersten Liga. Die Spiele werden im Westen der Ukraine ausgetragen.

Frei erfundene Reaktion von Ex-Bundestrainer Löw

Während Seppelt im Bild gezeigt wird, werden die nie gefallenen Äußerungen von Seppelt eingeblendet. Danach folgt auf gleiche Art eine frei erfundene Reaktion von Joachim Löw: Der frühere Bundestrainer habe demnach gesagt, Tests könnten gleich abgeschafft werden, wenn Politik wichtiger sei als fairer sportlicher Wettbewerb. Das zeigt, worum es bei der Kampagne geht. Die Ukraine soll in eine Buhmann-Rolle gedrängt werden und es soll Unmut über Hilfe für das Land geschürt werden. Dazu wird Löw ein weiterer völlig abwegiger Satz untergeschoben: "Oder sollten wir die Meisterschaft nicht durchführen und das Geld dafür zusammen mit dem Pokal den Ukrainern geben?"

Verbreitet wird das Video durch Bots von russischen Netzwerken. Das Phänomen ist seit kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine zu beobachten. Am bekanntesten ist die "Doppelgänger"-Kampagne: Von zigtausenden automatisiert betriebenen Accounts in sozialen Netzwerken werden prorussische Botschaften verbreitet: Videos, Bilder, Links. Weil dabei auch für Propagandatexte Internetseiten bekannter Medien nachgebaut werden, bekam diese Troll-Armee den Namen international den Namen "Doppelgänger".

Russische Sportler in Paris unter neutraler Flagge erlaubt

Fast ununterbrochen werden neue Accounts angelegt, die in Antworten Propaganda-Beiträge posten. Im Fall von Seppelt wurde das Video nicht vorrangig an deutsche Nutzer verteilt, sondern weit überwiegend unter Postings europäischer Medien und Fact-Checking-Organisationen. Das deutet auf eine russische Kampagne hin, bei der nicht ganz klar ist, ob sie eigenständig oder Teil von "Doppelgänger" ist: "Matrjoschka", benannt nach den ineinander stapelbaren russischen Holzpuppen. Nach Ansicht des Recherchekollektivs "@Antibot4navalny" zielt Matrjoschka möglicherweise darauf, Faktenchecker zu beschäftigen und abzulenken und weitere Aufmerksamkeit zu erlangen. In dieser Matrjoschka-Kampagne habe es zuvor keine deutschsprachigen Videos gegeben, so Antibot4Navalny zu t-online.

Durch Geldflüsse für bezahlte Anzeigen bei Facebook war bereits bekannt, dass am riesigen Netzwerk von Fake-Accounts zwei russische Firmen zumindest beteiligt waren. t-online-Recherchen haben zudem enthüllt, dass zwei Moskauer Journalisten aus dem Umfeld der National Media Group involviert sind. Einer von ihnen hatte ein Interview mit einem deutschen Jugendforscher geführt, das offenbar genutzt werden sollte, um ein Sportspektakel in Russland als attraktive Alternative zu den Olympischen Spielen in Paris erscheinen zu lassen. Russische Sportler dürfen dort wegen des Angriffs auf die Ukraine nicht unter den Farben ihres Landes antreten.

Seppelt berichtete 2018 von gestreuten "Gerüchten"

Zur Fußball-Weltmeisterschaft in Russland 2018 hatte Moskau Hajo Seppelt die Einreise verweigern wollen. Ein erteiltes Visum wurde für ungültig erklärt, da der Journalist auf einer Liste von "unerwünschten Personen" stehe. 2014 hatte er eine Dokumentation "Geheimsache Doping: Wie Russland seine Sieger macht" produziert, die weltweit in vielen Sprachen ausgestrahlt wurde und zu Sperren russischer Trainer und Athleten führte. In weiteren Berichten belegte er, dass die Praxis fortgesetzt wurde.

Russland erteilte ihm zur WM dann doch ein Einreisevisum, Seppelt verzichtete aber auf Anraten von Sicherheitsbehörden, weil die russische Justiz angekündigt hatte, ihn zu Befragungen vorzuladen.

Seppelt berichtete da von vielfältigen Versuchen aus Russland, seine Glaubwürdigkeit zu beschädigen: "Es wurden Gerüchte gestreut, ich würde im Auftrag der CIA oder der Bundesregierung arbeiten", sagte er dem "Faktenfinder". Der neue Fall mit dem Video trifft ihn also nicht unvorbereitet: "Mich überrascht da nichts mehr", sagte er t-online. "Es geht seit etlichen Jahren so, dass von Trollen bis hin zu russischen Staatsmedien immer wieder Fake News produziert werden."

Das zeige, wie es um Medien und Öffentlichkeit in Russland bestellt sei. "Es lässt einen aber ratlos zurück, dass soziale Netzwerke dazu so missbraucht werden können." Er glaubt allerdings, dass in dem Fall wenige Menschen reinfallen werden. "Es fällt auf, dass es nicht sehr professionell gemacht ist." Die Macher hättens schließlich auch noch mit künstlicher Intelligenz ein Video mit seiner Stimme produzieren können.

*Der Text wurde mit Informationen zur Matrjoschka-Kampagne und mit einer Stellungnahme von Hajo Seppelt aktualisiert.

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