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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Flotte von Frachtschiffen Chinas E-Auto-Riese drängt mit Macht auf deutschen Markt
Der chinesische E-Autobauer BYD verschifft nun seine Fahrzeuge selbst nach Europa – ein Frontalangriff auf deutsche Konzerne. Und das zu unschlagbaren Preisen.
"Bau dir deine Träume" – unter diesem Slogan vertreibt das chinesischen E-Auto-Unternehmen BYD seine Fahrzeuge. Das Unternehmen selbst träumt derzeit vor allem davon, den europäischen Markt zu erobern.
Denn BYD ist zwar bereits der weltweit größte Hersteller von E-Autos, doch in Europa ist die Marke noch vergleichsweise unbekannt. Das soll sich nun ändern. Am Montagvormittag traf mit dem "BYD Explorer No. 1" der erste Frachter des E-Autobauers in Bremerhaven an. An Bord: rund 3.000 Fahrzeuge (t-online berichtete). Der Frachter stellt den Auftakt für eine eigene Flotte dar. Insgesamt acht Schiffe sind derzeit geplant.
Für deutsche Konzerne könnten die chinesischen Träume ein böses Erwachen bedeuten.
Viele Modelle zu kompetitiven Preisen
Denn BYD schafft etwas, das in Asien – und wenn es nach dem Konzern geht, bald auch in Europa – viele Kunden findet. Der Hersteller bringt in fast jedem Quartal ein neues Automodell auf den Markt.
Im Herbst stellte BYD die Limousine Seal vor, ein Konkurrent für das Tesla Model 3 oder den VW ID.7. Nun folgt mit dem Seal U ein SUV-Modell, das es mit dem Model Y von Tesla oder ID.4 von VW aufnehmen soll. Mehr zum SUV von BYD lesen Sie hier.
Dabei liefert sich das Unternehmen einen andauernden Preiskampf – vor allem mit US-Konkurrent Tesla. Nach dem kurzfristigen Aus der E-Auto-Förderung in Deutschland reagierte BYD prompt und senkte den Preis der Limousine von 44.990 auf 41.990 Euro.
Ebenfalls ein wichtiges Verkaufsargument der Chinesen: die sogenannten Blade-Batterien. Sie sollen weniger wiegen als übliche Zellen, flacher und sicherer sein und zudem mehr zur Steifigkeit des Autos beitragen. In der Limousine hat der Akku eine Kapazität von rund 83 kWh und soll für bis zu 570 Normkilometer reichen. Für das SUV bietet BYD wahlweise 72 oder 87 kWh an und stellt 420 oder 500 Kilometer in Aussicht.
Erst die Nationalmannschaft, dann der ganze Markt
Obwohl BYD 1995 als Batterieunternehmen anfing und auch westliche Konzerne wie BMW, Mercedes, Audi, Tesla, Toyota und Ford beliefert, begann das Unternehmen 2003, selbst Autos zu bauen. Vom Verbrenner hat BYD sich 2022 verabschiedet, doch Plug-in-Hybride stehen weiter im Programm. Das kommt dem Unternehmen in der abkühlenden E-Auto-Nachfrage nun zugute. Seinen SUV Seal U will BYD demnächst wie daheim in China auch in Europa als Plug-in-Hybrid anbieten.
Mit seiner aggressiven Preispolitik und der zügig erfolgten Markteinführung zahlreicher Modelle hat BYD es im vergangenen Jahr geschafft, den einstigen Marktführer in China, den deutschen Hersteller Volkswagen, zu überholen. Im vierten Quartal zogen die Chinesen zudem am US-Elektroautopionier Tesla als bisherigem Weltmarktführer bei E-Autos vorbei.
Laut vorläufigen Zahlen rechnet der Konzern damit, sein Nettoergebnis 2023 um einen Wert zwischen 29 und 31 Milliarden Yuan (bis zu 4 Milliarden Euro) gesteigert zu haben. Das wäre ein Anstieg um 75 bis 87 Prozent. Schub gegeben habe das Wachstum im Ausland sowie eine starke Kostenkontrolle, hieß es vom Unternehmen.
Die Träume des Herstellers gehen allerdings noch deutlich weiter: Zuletzt machten chinesische E-Autos nur knapp acht Prozent in Europa aus. Auf der IAA wartete BYD aber bereits mit dem größten Stand auf. Mehr zum Auftreten chinesischer Autokonzerne auf der IAA lesen Sie hier.
Bei der Fußball-Europameisterschaft löst BYD Volkswagen als offiziellen Sponsor der deutschen Nationalmannschaft ab. Als nächste Schritte will der Hersteller 100 Autohäuser in Deutschland und ein eigenes Werk in Ungarn eröffnen. Bis 2026 visiert BYD in Deutschland einen Absatz von 120.000 E-Autos an. Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer legte sich im Januar in einer Analyse bereits fest: "BYD wird in rund 10 Jahren Toyota ablösen." Toyota ist weltweit führend in der Automobilindustrie.
VDA: Nachfrage geht zurück
In der deutschen Automobilbranche gibt man sich unterdessen gelassen. Sowohl bei Zulieferern als auch in den Konzernen selbst behält man die chinesische Konkurrenz genau im Blick, vertraut aber weiterhin auf deutsche Technik und die Bedeutung altehrwürdiger Marken. Ob die zur Schau gestellte Selbstsicherheit mehr ist als dringend nötige Selbstvergewisserung, ist unklar.
Fakt ist hingegen, dass der Umbau der Produktion aufwendig und teuer, die Nachfrage in Deutschland bislang gering ist. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) rechnet für dieses Jahr sogar mit einem Einbruch der Neuzulassungen von E-Autos um 14 Prozent auf 451.000 Fahrzeuge. Es wäre der erste Rückgang, seit das Kraftfahrtbundesamt 2012 erstmals Elektroautos zählte.
Hinter vorgehaltener Hand oder verschlossenen Türen schlägt manch einer dennoch besorgte Töne an. So bezeichnete VW-Marken- und Konzernvorstand Thomas Schäfer in einem Briefing für Führungskräfte die Lage bei Volkswagen als "prekär".
Ein schwieriges Spannungsfeld für die Hersteller, zumal die Bundesregierung ambitionierte Ziele ausgerufen hat. Bis 2030 sollen 15 Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen fahren.
Kommt deutsch-französische Kooperation?
Entsprechend skeptisch äußerte sich zuletzt auch die VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo. "Die Politik muss das auch unterstützen, nicht nur Vorgaben machen, die richtig sind", sagte sie am Montag. Das kurzfristige Aus der E-Auto-Förderung im vergangenen Jahr helfe ebenso wenig wie Diskussionen um Technologieoffenheit. Dies schaffe nur neue Unsicherheit, kritisierte Cavallo.
Mit Blick auf die eigene Marke räumte Cavallo ein, dass nach wie vor ein bezahlbares Elektro-Einstiegsmodell fehle. "Aus meiner Sicht brauchen wir unbedingt auch ein Fahrzeug unter 20.000 Euro", sagte sie. "Volkswagen ist ein Unternehmen, das die breite Mobilität anbieten sollte. Und insofern fehlt uns das in unserem Portfolio und ist auch absolut notwendig."
Ein Schritt auf dem Weg zu einem günstigeren europäischen Modell könnte aus einer Kooperation hervorgehen. Wie am Montag bekannt wurde, gibt es Gespräche zwischen Renault und Volkswagen über eine Zusammenarbeit.
Bei den Gesprächen gehe es darum, die Plattform des Renault Twingo zu teilen, erklärte Renault-Chef Luca de Meo bei der Automesse in Genf. Reuters hatte von Insidern erfahren, Renault wolle bis Anfang 2024 über eine Partnerschaft für den elektrischen Twingo entscheiden. Die Franzosen hatten im November angekündigt, den neuen Elektro-Twingo zum Preis von weniger als 20.000 Euro auf den Markt bringen zu wollen. Volkswagen-Chef Oliver Blume hatte ein Elektroauto für 20.000 Euro für die zweite Hälfte des Jahrzehnts in Aussicht gestellt.
Erste Rufe nach Regulierung
Der chinesische Fokus auf Europa ist kein Zufall. Zum einen wurde für die EU das Verbrenner-Aus beschlossen. Zum anderen gelten vergleichsweise niedrige Einfuhrzölle von 10 Prozent. In den USA hingegen werden 25 Prozent fällig.
In China selbst wird die Automobilbranche stark subventioniert, im vergangenen Jahr mit schätzungsweise bis zu 100 Milliarden US-Dollar. Diese Subventionen würden die Preise für den europäischen Markt künstlich niedrig halten, wirft die EU-Kommission China schon länger vor. Sie untersucht deshalb, inwiefern dadurch internationale Handelsregeln verletzt und europäische Hersteller benachteiligt werden.
"Der Preis dieser Autos wird durch riesige staatliche Subventionen künstlich gedrückt – das verzerrt unseren Markt", sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits im September. Das sei nicht akzeptabel. Die Untersuchung könnte dazu führen, dass Strafzölle verhängt werden. Das Handelsministerium in Peking kritisierte den Beginn der Untersuchung. Ein Ergebnis steht noch aus.
- Eigene Recherche
- n.tv.de: "Dieses Schiff eröffnet neuen Kampf um Europas Automarkt"
- tagesschau.de: "Wie BYD Europas Markt für E-Autos erobern will"
- tagesschau.de: "EU untersucht Subventionen für Chinas E-Autos"
- manager-magazin.de: "Wir werden einen Auto-Tsunami aus China erleben" (Bezahlinhalt)
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters