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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trotz Preisanstieg Drei Gründe für den Rückgang der Inflation
Die Preise steigen weniger rasant als gedacht. War es das jetzt mit der Inflation – oder kommt das dicke Ende noch?
Hackfleisch: doppelter Preis. Der halbe Liter Bier in der Kneipe: 5 Euro und mehr. Für fast alles müssen die Deutschen seit knapp einem Jahr tiefer in die Tasche greifen. Die Inflation beherrscht den Alltag der Menschen. Wer kann, der spart, wo es nur geht – und hofft, dass der Spuk bald vorbei ist.
Umso mehr ließen am Donnerstag die neuen Zahlen des Statistischen Bundesamts aufhorchen. Mit einer Woche Verspätung hat die Wiesbadener Behörde die Inflationsschätzung für Januar veröffentlicht: Demnach sind die Verbraucherpreise um 8,7 Prozent im Vergleich zum Januar 2022 gestiegen (mehr dazu lesen Sie hier.)
Das ist zwar immer noch ein stattliches Plus, doch im Vergleich zur Jahresinflation vom Oktober ein deutlich niedrigerer Wert. Damals stiegen die Verbraucherpreise im Schnitt um 10,4 Prozent. Und: Viele Experten hatten für Januar eigentlich mit einer Teuerungsrate von 8,9 Prozent gerechnet.
Drei Gründe für einen Rückgang der Inflation
Viele fragen sich deshalb: War es das jetzt endlich mit der Teuer-Welle? Oder legt die Inflation nur eine Pause ein – steigen die Preise in den nächsten Monaten doch wieder?
Exakt beantworten lassen sich diese Fragen nicht, auch nicht von den besten Wirtschaftsexperten. Zu ungewiss ist angesichts von Putins Überfall auf die Ukraine die Zukunft, zu schwierig sind deshalb Prognosen über die Entwicklung der Preise.
Inflation
Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, diese können sich für einen Euro weniger leisten. Der finanzielle Spielraum der Menschen schrumpft. Das kann den Konsum als wichtige Konjunkturstütze belasten.
Allerdings deutet vieles darauf hin, dass das Schlimmste tatsächlich hinter uns liegt. So jedenfalls sieht es der Ökonom Sebastian Dullien, der das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung leitet. "Die Zeiten mit zweistelligen Inflationsraten liegen endgültig hinter uns", sagte er t-online. "Wenn jetzt alles gut läuft, geht es mit der Inflation nur noch bergab. Spätestens im März dürfte sie spürbar fallen."
Dafür nennt der Volkswirt drei Gründe:
- Die Energiepreise: Weil der Winter milder ausfällt als befürchtet und die Bundesregierung viel zusätzliches Gas am Weltmarkt besorgen ließ, sind die Speicher gut gefüllt. Die Folge, so Dullien: "Die Preise für Gas sind auf das Vorkriegsniveau gesunken." Das habe einen direkten Effekt auf die Inflation und einen indirekten: "Auch bei den Erzeugerpreisen zeigt sich schon jetzt ein Rückgang. Das wird sich bald auch im Supermarkt niederschlagen."
- Die Preisbremsen: Seit Jahresbeginn gilt die Strom- und Gaspreisbremse. "Auch wenn sie erst rückwirkend ab März zum Tragen kommt, wird das die Verbraucher abermals sehr entlasten", sagt Dullien. Die Teuerungsrate werde dadurch weiter sinken.
- Die Statistik: Im März zieht das Statistische Bundesamt erstmals die Preise nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine als Vergleichsgrundlage heran. Dullien: "Speziell beim Benzin, das vergangenes Jahr sprunghaft teurer wurde, wird dieser Basiseffekt dafür sorgen, dass die prozentuale Teuerung nicht mehr so hoch ausfällt."
Auch andere Ökonomen sprechen davon, dass der Scheitelpunkt der Inflation erreicht, womöglich schon vorüber ist. Dass die Teuerungsrate im Dezember mit 8,6 Prozent minimal unter den jüngsten Daten vom Januar lag, ist dabei nicht einmal verwunderlich.
Damals nämlich hatte die einmalige Übernahme der Abschlagszahlung für Gas- und Fernwärmekunden durch den Staat den Anstieg der Verbraucherpreise gedämpft. Dieser Effekt entfiel im Januar.
Löhne halten mit der Inflation nicht mit
Aber: Nach den jüngsten Daten der Statistiker können die Einkommen der Arbeitnehmer in Deutschland mit der Inflation nicht mehr mithalten. Im vergangenen Jahr machte die Inflation von 7,9 Prozent die Steigerung der Nominallöhne von 3,4 Prozent vollständig zunichte.
Die Reallöhne sanken im Schnitt um 4,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Es war der mit Abstand höchste Kaufkraftverlust seit Beginn der statistischen Reihe im Jahr 2008. Die Veränderung des Reallohns wird berechnet, indem man vom durchschnittlichen Zuwachs des nominalen Bruttolohns den Anstieg der Verbraucherpreise abzieht.
Die Bundesregierung rechnet im Schnitt des laufenden Jahres mit einer Teuerungsrate von 6,0 Prozent in Europas größter Volkswirtschaft. Auch sie geht davon aus, dass sich die Strom- und Gaspreisbremsen dämpfend auswirken. Allerdings könne der Staat nicht alle Folgen abfedern. "Die mit den hohen Preissteigerungen verbundenen realen Einkommens- und Kaufkraftverluste werden trotz der entlastenden Wirkungen der umfangreichen staatlichen Stützungsmaßnahmen die binnenwirtschaftliche Entwicklung belasten", hieß es im Jahreswirtschaftsbericht der Regierung im Januar.
- Telefonat mit Sebastian Dullien, IMK
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa