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Europawahl 2024: Rückt die EU nach rechts?


Wahl in Europa
Nun droht der Rechtsruck


03.05.2024Lesedauer: 4 Min.
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Treffen der Rechtspopulisten Tino Chrupalla (l.), André Ventura und Marine Le Pen (r.) (Archivbild): Zwischen der AfD und Rassemblement National scheint aktuell nicht nur der portugiesische Politiker zu stehen.Vergrößern des Bildes
Treffen der Rechtspopulisten Tino Chrupalla (l.), André Ventura und Marine Le Pen (r.) (Archivbild): Zwischen der AfD und dem Rassemblement National scheint aktuell nicht nur der portugiesische Politiker zu stehen. (Quelle: Global Imagens/Atlantico Press/ABACA/imago-images-bilder)

Die rechtspopulistischen bis rechtsextremen Fraktionen im EU-Parlament werden laut Umfragen gestärkt aus der kommenden Europawahl hervorgehen. Dennoch wird ihre Macht wohl klein bleiben.

Aktuelle Umfragen zeigen, wovor Experten seit Monaten warnen: Die beiden rechtspopulistisch bis rechtsextremen Fraktionen des EU-Parlaments werden voraussichtlich deutlich dazugewinnen, die Parteien der sogenannten politischen Mitte hingegen zumindest teilweise deutlich verlieren.

Die Umfragen bestätigen damit einen Trend, der auch bei vielen nationalen Wahlen Europas sichtbar ist: Rechtspopulisten und -extremisten werden immer stärker. Doch wie viel Macht können die beiden Rechtsaußen-Fraktionen im EU-Parlament tatsächlich hinter sich vereinen und was streben sie an? Ein Überblick.

Wie ist das äußere rechte Spektrum im EU-Parlament vertreten?

Aktuell gibt es im Europaparlament zwei Fraktionen, die dem äußeren rechten Spektrum zuzuordnen sind: die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) und die extremere Fraktion Identität und Demokratie (ID).

Der EKR gehören unter anderem Mitglieder der PiS-Partei aus Polen und Mitglieder der italienischen Fratelli d'Italia an. Die ID besteht unter anderem aus Abgeordneten der italienischen Partei Lega, dem französischen Rassemblement National (RN), der AfD aus Deutschland und der FPÖ aus Österreich.

Aktuell hat die ID 59 der insgesamt 705 Sitze des EU-Parlaments inne, die EKR 68 Sitze.

Wie stark könnten die Fraktionen bei der EU-Wahl werden?

Die ID würde laut europaweiten Umfragen von "Europe Elects" aktuell auf 82 bis 84 Sitze kommen, die EKR auf 81 bis 86 Sitze. Damit würde die ID-Fraktion im Vergleich zur Wahl 2019 zwischen 23 und 25 und die EKR-Fraktion 13 bis 18 Sitze dazugewinnen.

Sind noch Mehrheiten ohne die rechten Fraktionen möglich?

Zwar gibt es im Europaparlament keine festen Koalitionen, wie es beispielsweise auf Bundes- und Länderebene der Fall ist. Allerdings gibt es unverbindliche Absprachen für ein gemeinsames Abstimmungsverhalten zwischen den Fraktionen der Mitte – also der christlich-demokratischen Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) um Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der liberalen Renew-Fraktion und der sozialdemokratischen S&D-Fraktion. Einen Fraktionszwang gibt es aber nicht, sodass diese "informelle Koalition" deutlich mehr als nur die absolute Mehrheit benötigt, um Entscheidungen durchsetzen zu können.

Besonders große Einbußen macht den "Europe Elects"-Umfragen zufolge die liberale Renew-Fraktion mit 15 bis 16 Sitzen weniger als die 102 Sitze im aktuellen EU-Parlament. Die Sozialdemokraten der S&D-Fraktion könnten bis zu fünf ihrer aktuell 140 Sitze verlieren, die EVP-Fraktion der aktuellen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen würde demnach fünf bis sechs Sitze zu ihren aktuell 177 Sitzen dazugewinnen. Mit insgesamt 406 bis 409 der für 2024 insgesamt 720 zu vergebenden Sitze könnte die informelle Koalition also weiterhin Mehrheiten ohne die rechten Fraktionen erreichen.

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Ursula von der Leyen schloss allerdings zumindest mit der EKR-Fraktion eine Zusammenarbeit in Zukunft nicht aus. "Es hängt sehr stark davon ab, wie sich das Parlament zusammensetzt und wer in welcher Fraktion sitzt", sagte sie bei einem ersten Zusammentreffen von Spitzenvertretern der großen europäischen Parteifamilien. Von der Leyen möchte in der kommenden Legislatur erneut Kommissionspräsidentin werden.

Könnten sich die beiden Fraktionen zusammenschließen?

Die Fraktionsbildung findet in den Tagen nach der Wahl statt. Genau zu prognostizieren, welche Abgeordneten sich welcher Fraktion anschließen, ist allerdings nahezu unmöglich. Änderungen innerhalb der Fraktionen sind also nicht auszuschließen.

Ein Zusammenschluss gilt allerdings als unwahrscheinlich, weil sich viele Positionen der beiden Fraktionen in der aktuellen Form zu sehr unterscheiden. Selbst der stellvertretende Vorsitzende der ID-Fraktion, AfD-Politiker Gunnar Beck, erklärte der Deutschen Welle, sich zwar eine Bündelung der politischen Schlagkraft zu wünschen, aber "ich will gar nicht leugnen, dass ein formaler Zusammenschluss im Augenblick unwahrscheinlich scheint." Trotz des Umfragehochs sind ID und die EKR von einer einflussreichen Position also weit entfernt.

In welchen Positionen unterscheiden sich die beiden Fraktionen?

Besonders groß sind die Differenzen in der Haltung zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Die polnische PiS-Partei und die italienische Fratelli d'Italia aus der EKR-Fraktion stehen fest an der Seite der Ukraine, während die österreichische FPÖ, die italienische Lega und die AfD aus Deutschland immer wieder Sympathien für Russland zeigen.

Auch in ihrer Haltung zur EU selbst unterscheiden sich die Fraktionen teils deutlich. So hat AfD-Chefin Alice Weidel im Januar beispielsweise den Austritt Deutschlands aus der EU gefordert. Mehr dazu und zu möglichen Konsequenzen einer solchen Entscheidung lesen Sie hier. Und auch die Fraktionskollegen der italienischen Lega und die französische RN vertraten in der Vergangenheit ähnliche Positionen. Nachdem sie festgestellt hatten, dass damit keine Wahlen zu gewinnen sind, schlagen die beiden Parteien bei diesem Thema mittlerweile allerdings gemäßigtere Töne an.

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Die EKR betont auf ihrer Website, "nicht antieuropäisch" zu sein. Sie fordert eine neue Ausrichtung der EU und übt Kritik an "übermäßiger Bürokratie" und zu hohen Regulierungen.

Ein weiterer wichtiger Ausschlussgrund für eine Kooperation zwischen den beiden Fraktionen ist, dass beispielsweise Frankreich, Italien und Belgien jeweils zwei rechtspopulistische bis -extremistische Parteien haben, die jeweils in unterschiedlichen EU-Fraktionen sitzen. Es besteht also eine Konkurrenz zwischen den jeweiligen Parteien auf nationaler Ebene, ein Zusammenschluss auf europäischer Ebene wäre für sie daher kontraproduktiv.

Gibt es Einigkeit innerhalb der einzelnen Fraktionen?

Am Ende sind nicht einmal innerhalb der ID-Fraktionen die Positionen einheitlich. Zwischen dem französischen RN und der AfD hat sich spätestens seit der Veröffentlichung der Correctiv-Recherchen zu dem Treffen in Potsdam eine Distanz entwickelt. RN-Chefin Marine Le Pen distanzierte sich öffentlich: "Ich bin ganz und gar nicht einverstanden mit den Vorschlägen, die bei diesem Treffen diskutiert worden sein sollen", sagte sie. AfD-Chefin Alice Weidel wollte den Ärger mit dem Rassemblement National im Anschluss ausräumen, doch bei dem Treffen in Paris gab es offenbar keine Harmonie. Mehr dazu lesen Sie hier.

Die neueste Verärgerung zwischen den beiden ID-Fraktionsmitgliedern ruft ein Überseegebiet Frankreichs hervor. Die AfD hatte die Zugehörigkeit der im Indischen Ozean liegenden Insel Mayotte zu Frankreich infrage gestellt, Le Pen zeigte sich "verärgert". Die AfD solle sich "lieber um Deutschlands Probleme kümmern", forderte Le Pen. Mehr zu dem Streit lesen Sie hier.

Verwendete Quellen
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